Eier aus Käfighaltung sind in Verruf geraten. Es gibt aber noch eine weitere dunkle Seite der Eierproduktion: Millionen männlicher Küken müssen gleich nach dem Schlüpfen sterben. Weil sie keine Eier legen und nur langsam Fleisch ansetzen, gelten sie als nutzlos – auch in der Biobranche. Ihr Ende ist brutal. Die Hähnchen werden vergast, manchmal lebendig geschreddert. Biobauer Carsten Bauck aus Klein Süstedt bei Uelzen macht da nicht länger mit. Er will weg von der Leistungszucht und hat zu diesem Zweck die Bruderhahn-Initiative Deutschland auf den Weg gebracht.
Was lustig klingt, könnte auf lange Sicht die Geflügelzucht revolutionieren: Bauck zieht in seinem Betrieb für jede Legehenne auch ein männliches Küken groß, den Bruderhahn. „Um Billigeier zu produzieren, akzeptieren wir, dass die Hälfte der Tiere weggeschmissen wird“, sagt Bauck. „Damit muss Schluss sein. Man darf Tiere nicht grundlos töten.“Fünf Monate mästet Bauck die Bruderhähnchen. Rentabel ist das nicht. Ein herkömmliches Masthähnchen ist in höchstens drei Monaten schlachtreif. Das Ganze funktioniert nur, weil jedes Ei der Schwestern um vier Cent teurer verkauft wird als ein normales Bioei. Die Brüder werden also quersubventioniert. Elf weitere Biohöfe beteiligen sich an dem Projekt. „Der Clou ist, dass der Handel mitspielt“, erklärt Bauck. „So erreichen wir die Verbraucher.“
Die drei beteiligten Großhändler Naturkost Elkershausen, Naturkost Erfurt und Naturkost Nord verkaufen seit Januar nur noch „Ethik-Eier“. Die Nachfrage ist unerwartet groß. „Uns fehlt oft Nachschub“, sagt eine Firmensprecherin. Das Fleisch der Bruderhähne findet erst wenig Freunde. Bauck hat noch andere Vermarktungswege aufgetan. Er versorgt Restaurants mit dem besonderen Hähnchenfleisch und erntet dickes Lob. „Das Fleisch ist vergleichbar mit Perlhuhn aus Frankreich“, schwärmt Hagen Schäfer vom Hamburger Spitzenrestaurant Lokal 1. „Es ist dunkler, fester, geht fast in Richtung Wild.“ Weit größere Mengen will der Schweizer Babykosthersteller Holle Baby Food abnehmen.
Trotz der Erfolge sieht Bauck in der Mast der Bruderhähnchen nur eine Übergangslösung. „Das ist Kurieren an Symptomen“, sagt er selbstkritisch. „Es müssen wieder Tiere gezüchtet werden, die beides können: Eier legen und Fleisch liefern, das rentabel zu vermarkten ist.“ Hoffnung macht Bauck ein Vorstoß Nordrhein-Westfalens. Der grüne NRW-Umweltminister Johannes Remmel hat die Behörden jüngst angewiesen, den Züchtern das Töten von Eintagsküken zu verbieten, da es gegen das Tierschutzgesetz verstoße. „Wenn Niedersachsen als Geflügelland Nummer eins nachzieht, kommen die Züchter endlich unter Druck“, sagt Bauck. Die Reaktion des grünen Agrarministers in Hannover bleibt vorerst vage. Man begrüße das Vorgehen NRWs und werde das auch in Niedersachsen prüfen.