Bringt die Bike-Flash-Anlage vor dem Amazon-Sortierzentrum an der Burgstraße mehr Sicherheit für Radfahrer? Oder verstößt sie gegen geltendes Recht – und muss deshalb noch vor Ende der sechsmonatigen Testphase abgebaut werden? Über diese Fragen diskutieren derzeit die Stadt Garbsen und die Region Hannover auf der einen Seite – und das Niedersächsische Verkehrsministerium auf der anderen Seite.
Anlage kostet 34.000 Euro
Die Stadt Garbsen hatte am Mittwoch erklärt, dass sie die Testphase mit der deutschlandweit ersten Warnanlage dieser Art in der Burgstraße fortsetzen will. Die Anlage an der Abzweigung zum Amazon-Sortierzentrum wurde Ende November in Absprache mit der Region Hannover aufgestellt. Bike-Flash warnt mit blinkenden Lichtern sowohl Radfahrer vor abbiegenden Fahrzeugen als auch Rechtsabbieger vor Fahrrädern im toten Winkel. Die Anlage hat 34.000 Euro gekostet – jeweils zur Hälfte bezahlt von Stadt und Region.
Das Verkehrsministerium ist der Ansicht, dass Bike-Flash gegen die Straßenverkehrsordnung verstößt und deswegen unzulässig ist. Die Begründung: Die gelben Warnblinklichter könnten Autofahrer irritieren. Als oberste Verkehrsbehörde könnte das Ministerium die Stadt Garbsen und die Region Hannover anweisen, die Anlage abzubauen. „Derzeit befinden wir uns in Gesprächen mit dem Ministerium“, sagte Klaus Abelmann, Sprecher der Region Hannover. Sollten diese ergeben, dass das Ministerium einen Abbau der Anlage anweist, „werden wir prüfen, inwiefern wir dagegen Widerspruch einlegen“, kündigte Abelmann an. Die Region sei – wie die Stadt Garbsen – weiterhin überzeugt davon, dass die Anlage vor dem Amazon-Sortierzentrum sinnvoll und rechtskonform aufgestellt wurde. „Die Sicherheit der Radfahrer, vor allem der Schüler, steht an oberster Stelle“, betonte Abelmann. Erst am Freitagmorgen war eine Elfjährige in Lehrte von einem abbiegenden Müllwagen angefahren und tödlich verletzt worden.
Kann die Bike-Flash-Anlage solche schlimmen Unfälle verhindern? Oder irritiert ihr Leuchten Autofahrer tatsächlich? Dieser Frage sind Politiker der Grünen aus Garbsen, der Region Hannover und dem Landtag am Donnerstag bei einem Ortstermin nachgegangen. „Ich kann nicht verstehen, dass das Verkehrsministerium dagegen vorgeht“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat der Stadt Garbsen, Darius Pilarski. Die Mitarbeiter im Ministerium hätten die Anlage vermutlich noch nie selbst gesehen. Pilarski plädiert sogar dafür, die sechsmonatige Testphase noch auszuweiten, weil im Sommer der Radverkehr an der Stelle stark zunehme.
Grüne fordern Abbiege-Assistenten für Lkw
Die Lichtanlage könne ohnehin nur eine Übergangslösung sein, sagte Evrim Camuz, radverkehrspolitische Sprecherin der Grünen in der Regionsversammlung. „Wir brauchen europaweit Abbiege-Assistenten in den Lastwagen für mehr Sicherheit.“ Bis dahin seien kreative Lösungen wie Bike-Flash nötig, so Camuz. Der Landtagsabgeordnete Detlev Schulz-Hendel will den Niedersächsischen Verkehrsminister Bernd Althusmann bei nächster Gelegenheit fragen, „was er stattdessen für die Sicherheit der Radfahrer tun will.“
Unterstützung erhalten die Grünen vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Garbsen/Seelze. Deren stellvertretender Ortsgruppensprecher Karl-Heinz Giese betonte, dass die Mitglieder die Besorgnis über „negative Auswirkungen der Blinklichter auf den Straßenverkehr“ nicht teilen. „Selbst wenn die aktuelle rechtliche Bewertung der Anlage zutreffend sein sollte, hoffen wir auf die Bereitschaft der Entscheidungsträger, sie nicht abzuschalten und neue Wege zum Schutz der schwachen Verkehrsteilnehmer jetzt zu testen“, teilte Giese mit. Auch die CDU/FDP-Gruppe im Rat der Stadt Garbsen spricht sich für eine Fortsetzung des Modellversuchs aus. „Die positiven Reaktionen der Verkehrsteilnehmer zeigen, dass die vor dem Logistikunternehmen Amazon installierte Anlage offensichtlich zuverlässig arbeitet“, heißt es in einem Beschlussvorschlag.
Behörde soll „über ihren Schatten springen“
Der Garbsener Landtagsabgeordnete Rüdiger Kauroff (SPD) will sich ebenfalls für die Bike-Flash-Anlage einsetzen. „Wenn wir etwas Neues entwickeln wollen, dann müssen wir es auch ausprobieren“, sagte Kauroff. Die Einwände des Verkehrsministeriums kommen aus seiner Sicht zum falschen Zeitpunkt, weil die Anlage schon seit Wochen in Betrieb ist. Gerade im Hinblick auf tödliche Unfälle mit abbiegenden Lastwagen müsse die Behörde in diesem Fall „über ihren Schatten springen“, findet Kauroff.
Von Gerko Naumann und Sebastian Stein