57-Jährige in Hannover angezündet: Angeklagter bestreitet Mordvorwurf

Vor dem Landgericht Hannover muss sich seit Donnerstag ein 64-Jähriger verantworten, der im Juni 2020 seine Partnerin ermordet haben soll. Ryszard B. übergoss demnach die 57-jährige Izabela B. mit Brennspiritus und zündete sie an. Die Staatsanwaltschaft sieht die Schuld klar beim Angeklagten und stützt sich auf den Notarzt, dem die Frau noch vor ihrem Tod von der Attacke erzählte. Der 64-Jährige beteuert hingegen seine Unschuld: Seine Partnerin habe sich selbst in Brand gesteckt. Für das Gericht wird es schwer, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Laut Anklage hat der 64-Jährige seine Lebensgefährtin „in der Absicht mit Brennspiritus überschüttet, sie zu töten“. Der Vorfall ereignete sich am 27. Juni gegen 2.40 Uhr in Ryszard B.s Wohnung an der Hoppenstedtstraße (Südstadt). Izabela B. erlitt Verbrennungen dritten Grades, 54 Prozent ihrer Haut waren betroffen. In der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) starb die Hildesheimerin neun Tage später. Anfangs ging die Staatsanwaltschaft nur von Totschlag aus, stufte die Tat später aber wegen der besonderen Grausamkeit als Mord ein. Angeklagter bestreitet den Vorwurf: Der gebürtige Pole ließ durch einen seiner beiden Verteidiger eine völlig andere Version mitteilen: Er berichtete von einem offenbar eskalierten Beziehungsstreit. Beide tranken anfangs gemeinsam Bier und Wodka, auf das Abendessen habe der Angeklagte dann keinen Hunger mehr gehabt. „Das ist immer so, wenn ich Alkohol getrunken habe“, las Anwalt Michael Kraszewski vor. Das habe Izabela B. „immer sehr sauer gemacht“. Auch sie wurde in Polen geboren. „Sie sagte, sie treffe immer nur Idioten und Alkoholiker“, sagte Kraszewski. Als der 64-Jährige gesagt habe, ohnehin keine feste Beziehung zu wollen, „ist sie regelrecht durchgedreht“. Izabela B. habe sich vom Balkon stürzen wollen, Kraszewskis Mandant konnte sie „gerade noch zurückhalten“. Später habe sie die Wohnung verlassen, kehrte aber wieder zurück. Als die 57-Jährige dann allein in der Küche war, habe sie plötzlich geschrien und in Flammen gestanden. Ryszard B. habe aber umgehend zwei Gießkannen mit Wasser geholt, um seine mittlerweile im Wohnzimmer liegende Partnerin zu löschen. Anschließend habe er den Notruf gewählt. Der 64-Jährige habe Izabela B. nicht angezündet: „Auf meine Art und Weise habe ich sie geliebt.“ Opfer vertraut sich Notarzt an: Als Zeuge sagte dann der Notarzt aus. Der Mediziner ist zufälligerweise ebenfalls gebürtiger Pole und konnte sich so mit der 57-Jährigen unterhalten. Während sie auf deutsche Sätze nicht einging, habe Izabela B. bei seinen Fragen in der Muttersprache sofort reagiert. „Sie sagte, sie wolle hier schnell weg.“ Außerdem soll sie „Er wollte mich lebend verbrennen“ und „Ich habe gebrannt wie eine Hexe“ gesagt haben. Der Notarzt habe sich durchgehend bis zur Einlieferung in die MHH mit der 57-Jährigen unterhalten. Eine weitere Befragung des Opfers konnte nicht mehr stattfinden. Nun muss das Gericht dieses komplizierte Puzzle lösen. Es kommt nun auf umso deutlichere Indizien für oder gegen Ryszard B.s Version an. Richter Stefan Joseph will deshalb klären, welcher Wodka und wie viel davon von wem konsumiert wurde. Denn: Es wurden bloß zwei bis drei Bierflaschen sowie eine zu drei Vierteln gefüllte Flasche 95-prozentigen Trinkspiritus gefunden. Das passt aber nicht dazu, dass der 64-Jährige beispielsweise bis zu seiner Vernehmung ausnüchtern musste. Laut Staatsanwaltschaft gibt es auch eine Zeugin, die gegen den Angeklagten spricht. Im Zweifel für den Angeklagten? Ein Polizist soll ebenfalls Izabela B.s Anschuldigungen gehört haben. In einer der Folgesitzungen soll auch Ryszard B.s Notruf abgespielt werden. Der kleinste Zweifel reicht, um zugunsten des Angeklagten entscheiden zu müssen. Daher interessierte den zweiten Verteidiger des 64-Jährigen, Pascal Ackermann, wie glaubwürdig Izabela B. angesichts der schweren Verbrennungen überhaupt gewesen sei. „Sie war wach und ansprechbar“, sagte der Notarzt dazu. Die Patientin hatte demnach zwar Schmerzen, aber gleichzeitig auch Angst. Der Prozess geht am 28. Januar weiter. Von Peer Hellerling