Ein bisschen Ehrfurcht ist schon zu spüren beim Betreten des einzigen Gebäudes, das der berühmte Bauhaus-Gründer Walter Gropius in Hannover gebaut hat. „Wir wussten bis vor ein paar Wochen gar nicht, dass es von ihm hier überhaupt ein Werk gibt“, sagen die HAZ-Leser Renate und Hans-Jürgen Wüstefeld. Dann aber haben sie in der Sonderausgabe zum 70. Geburtstag der HAZ die Einladung zur Besichtigung entdeckt – und nun gehörten sie zu den Glücklichen, die ausgelost wurden.
Gute Planung, präzises Handwerk: Die Gropius-Villa in Hannover
Souverän erklärt Matthias Rüger, der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Architekten (BDA), die Besonderheiten des Bauwerks im Herrenhäuser Alleehof: die mit Bedacht gesetzten Vordächer von Eingang und Terrasse, das in präzisem Handwerk ausgeführte Fugenbild der Fassade, das bei Sonnenschein horizontale Schatten wirft, die ausgeklügelte Innenausstattung, die mit Einbauschränken nicht geizt und jede Nische ausnutzt. Es sei das sehr zweckgerichtete Bauen, gepaart mit einer modernen Leichtigkeit, die den Bauhaus-Stil ausmache, berichtet Rüger den Besuchern.
Heute residiert der BDA in der einstigen Stichweh-Villa
Gropius hat das schlicht wirkende Einfamilienhaus Anfang der Fünfzigerjahre aus den USA und auf Vermittlung des Stadtbaurats Rudolf Hillebrecht für die Unternehmerfamilie Stichweh geplant. Es ist das erste in Deutschland gebaute Gropius-Haus nach Emigration und Krieg überhaupt. Seit 1987 hat die Familie Stichweh das Erdgeschoss an den BDA vermietet und sorgt so dafür, dass das Gebäude im Originalzustand erhalten bleibt. Unter anderem aber weil das Obergeschoss privat vermietet sei, könne der BDA nicht ständig Besuchergruppen durchs Haus führen, sagt Rüger.
Spionage-Legende um die Sauna im Gropius-Haus
Und so ist es eine kleine, exklusive Visite, bei der es auch so manche Legende zu hören gibt. Etwa, dass angeblich im Saunakeller 1974 dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt die Nachricht überbracht worden sein soll, dass er jahrelang vom DDR-Spion Günter Guillaume bespitzelt wurde. Brandt weilte da gerade in Hannover, seine Sicherheitskräfte sollen einen abhörsicheren Raum gesucht haben und auf eine gerade erfolgte Gebäudeerweiterung mit Schwimmbad bei Stichwehs hingewiesen worden sein. Verbürgt ist die Geschichte nicht, das Bundeskanzleramt hat gegenüber der HAZ jede Stellungnahme abgelehnt. Aber sie ist zu schön, um sie zu verschweigen.
Gropius´ zweite Ehefrau ist in Hannover aufgewachsen
Verbürgt ist dafür, dass Gropius das Haus zumindest nach der Fertigstellung einmal besucht hat: Seine zweite Ehefrau Ise war in Hannover aufgewachsen, sodass beide die weite Reise mit einem Familienbesuch kombinieren konnten.
HAZ-Lesern gefällt „das Schlanke, Modernistische“
„Besonders das Schlanke, Modernistische“ habe ihm am Haus gefallen, sagt HAZ-Leser Stefan Weiss, der mit seiner Partnerin Christiane Morgenstern gekommen ist. Auch er bedauert, dass Hannovers Gropius-Haus so wenig bekannt ist. „Aber so konnten wir es jetzt wenigstens selbst einmal von innen sehen“, sagt er.
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Von Conrad von Meding