Es ist ein fast poetisches Bild: Altes Laub umweht die Eisenbahnschienen, dicht überwuchern Sträucher die Gleise, die im Nichts zu enden scheinen. Was sich wie ein romantisches Sinnbild der Vergänglichkeit ausnimmt, ist in Wirklichkeit ein Relikt aus Hannovers Industriegeschichte. „Hier verlief früher die Lindener Kohlebahn“, sagt Ernst Barkhoff und blickt von der Brücke an der Nieschlagstraße hinab auf die zugewachsenen Gleise.
Einst zählten die Schienen zu den Lebensadern der Lindener Industrie; noch bis 1990 wurde Kohle vom Lindener Hafen zum Heizkraftwerk transportiert. Dann entschieden die Stadtwerke, dieses nur noch mit Gas zu betreiben. Die Kohlebahn hatte ausgedient. Jetzt will der frühere SPD-Ratsherr Barkhoff entlang der alten Trasse eine Veloroute bauen – einen Radweg, der vom Küchengartenplatz Richtung Davenstedt und weiter bis zum Benther Berg führt. Bei einer Radtour mit drei Dutzend Interessierten hat er seine Pläne jetzt vorgestellt.
„Gleise könnten bleiben“
„Hier soll die Strecke unter der Brücke entlang führen“, sagt Barkhoff an der Nieschlagstraße. Auf Beschluss der Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP prüft die Stadt das Vorhaben derzeit; bis zum Frühjahr 2020 soll unter anderem untersucht werden, wie umweltverträglich das Projekt ist. Unumstritten ist dieses nicht: Die Grünen im Bezirksrat Linden-Limmer fürchten ebenso wie der BUND um die Vegetation entlang der alten Trasse.
„Diese ist nicht so schützenswert, dort wachsen vor allem Brombeeren“, sagt Barkhoff. Auch die derzeit halb zugewachsenen Gleise müssten nicht unbedingt weichen. „Sie könnten auf dem Radweg sichtbar bleiben“, sagt der Ideengeber. Ohnehin sei angedacht, die Industriegeschichte entlang der Route mit Tafeln zu dokumentieren. Enercity habe dafür bereits Unterstützung signalisiert. Um die Verkehrswende wirklich voranzubringen, bräuchte man eben attraktive Fahrradstrecken.
„Die Veloroute ist eine gute Idee“, sagt Michael Jürging von der Initiative Lebensraum Linden. Auch Ilka Schwatz, die mit ihrer Familie zu der Radtour gekommen ist, wäre prinzipiell dafür: „Allerdings sollte der Radweg nicht durchgängig asphaltiert werden, es muss noch Natur erhalten bleiben“, sagt die Lindenerin. Dass Grünflächen im großen Stil für den Radweg geopfert werden müssten, glaubt Barkhoff nicht. „Da lassen sich immer Kompromisse finden.“
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Lindener Eisenbahngeschichte(n)“ gibt es am Mittwoch, 25. September, 19 Uhr, ein sogenanntes Perspektivenforum zur möglichen Veloroute an der Kohlenbahn. Dabei geht es Freizeitheim Linden, Windheimstraße 4, unter anderem um das Braunschweiger Ringgleis, das zum Geh- und Radweg umgebaut wurde.
Von Simon Benne