Der neue Präsident der Architektenkammer Niedersachsen will deutliche Zeichen setzen. Statt als Festredner zu seinem 60. Geburtstag etwa Planer spektakulärer Stahl- und Glasbauten zu engagieren oder hoch dotierte Architekturexperten, holte Robert Marlow die 49-jährige Anne Heringer aus Oberbayern, die in Entwicklungsländern ganz ungewöhnliche Projekte realisiert, indem sie gezielt mit einheimischen Materialien und Arbeitskräften baut.
„Architektur ist Werkzeug zum Verändern von Lebensbedingungen“
Aus Lehm und Bambus hat Heringer in Bangladesch eine Schule geplant, ein Ergebnis ihrer Diplomarbeit im Fach Architektur. Ein Kindergarten in Simbabwe ist inzwischen hinzugekommen, weitere Sozialprojekte folgten. „Architektur ist für mich in erster Linie ein Werkzeug, um Lebensbedingungen zu verändern“, sagt Heringer, und: „Ich glaube, die effektivste Strategie zur Entwicklungshilfe ist, lokale Ressourcen zu nutzen.“ Natürlich war bei den Projekten viel Improvisationstalent nötig, immer mal wieder ging auch etwas schief – die 200 Gäste des Architektenempfangs hatten viel zu lachen.
Parallelen zur Arbeit von Kammerpräsident Marlow gibt es durchaus. Sein Büro Mosaik war das erste in Norddeutschland, das zur Hochzeit der Flüchtlingsbewegung Unterkünfte aus Holz statt aus Stahl gebaut hat, und auch die neue Üstra-Siedlung nahe der Vahrenwalder Straße wird überwiegend aus dem nachwachsenden Rohstoff errichtet. Marlows Amtsvorgänger Wolfgang Schneider bescheinigte ihm in seiner Eröffnungsrede „Tatkraft und Engagement“ und – das ließe sich nach fast einem Jahr Präsidentschaft sagen: „Marlow ist ein Meister darin, Menschen für sich und die Sache zu gewinnen.“
Robert Marlow: „Nicht Kammerpflicht, sondern Kammerspaß“
Der Geehrte selbst genoss den Abend. „Das ist heute nicht Kammerpflicht sondern Kammerspaß“, sagte er – und lud die Gäste zum Feiern ins Laveshaus am Friedrichswall ein. 2020 steht schon der nächste runde Geburtstag an: Dann wird die Architektenkammer selbst 50 Jahre alt.
Von Conrad von Meding