Ausgangssperre: Alle Details der neuen Corona-Regeln in Hannover

Ab wann gilt die Ausgangssperre? Die Ausgangssperre gilt jetzt bis zum 12. April täglich von 22 Uhr abends bis 5 Uhr am Morgen für die gesamte Region Hannover – und damit nicht bloß für die Kommunen mit derzeit hoher Inzidenz. Auch Autofahrten sind dann tabu. Lediglich mit triftigem Grund darf man sich draußen in der Öffentlichkeit aufhalten. Wer gegen die Ausgangssperre verstößt, muss mit einem Bußgeldverfahren rechnen. Der Gang auf den eigenen Balkon, in den Garten oder auf die eigene Terrasse bleibt erlaubt. Wie reagieren die Bürgerinnen und Bürger am Donnerstagabend? Fst überall in der Stadt blieben Straßen und Plätze leer – lesen Sie hier, wie eine Polizeistreife die erste Nacht der Ausgangssperre erlebt. Nur in der Nordstadt wird es nach 22 Uhr einmal kurz lauter: An der Ecke Hahnenstraße/Im Moore haben sich am Donnerstagabend etwa 50 Menschen versammelt. Ihr Protest richtet sich ausdrücklich nur gegen die Ausgangssperre, aber nicht allgemein gegen Corona-Schutzmaßnahmen. Nach 22 Uhr begaben sie sich auf einen spontanen Protestumzug im Bereich der Lutherkirche. Dabei zündeten sie Böller und riefen Sprechchöre. Die Polizei griff nicht ein. Das folgende Video ist von Anwohner und Fotograf Irving Villegas. Andernorts im Stadtgebiet, etwa am Küchengartenplatz in Linden, blieben die Straßen weitgehend menschenleer. Auch dort waren Polizeibeamte im Einsatz, um die Einhaltung der neuen Regeln zu überwachen. Warum erst ab 22 Uhr? Entgegen der Landesplanungen, die Ausgangssperre schon um 21 Uhr beginnen zu lassen, habe sich die Region angesichts der „großstädtischen Strukturen“ für den Start eine Stunde später entschieden. „Viele Supermärkte haben bis 22 Uhr geöffnet“, hatte Regionspräsident Hauke Jagau am Mittwoch bei der Vorstellung der neuen Regeln gesagt. Inziwschen haben viele Supermärkte reagiert und schließen ihre Geschäfte früher ( Details lesen Sie hier ). Gleichzeitig gebe es in einer Großstadt die unterschiedlichsten Arbeitszeiten. „Und wer bis 20 Uhr arbeitet, sollte wenigstens noch die Chance haben, etwas spazieren gehen zu können.“ Außerdem würden größere Exzesse im Freien nicht vor 22 Uhr beginnen. Welchen Sinn hat die Ausgangssperre? Die Region beobachtet die Verschiebung bei Corona-Neuinfektionen hin zum jüngeren und mobileren Teil der Gesellschaft. Jagau: „Von einer Ausgangssperre erwarten wir, dass abendliche Treffen insbesondere jüngerer Leute eingeschränkt werden.“ Ihm sei klar, dass dies einen deutlichen Einschnitt in die persönliche Freiheit darstelle, doch der Entscheidung sei „eine sehr intensive Güterabwägung vorangegangen“. Der Eingriff sei gerechtfertigt, wenn er richtig ist. Das Problem: „Das wissen wir noch nicht“, sagt Jagau. Das zeige sich vielleicht an den Infektionszahlen in einer Woche. Weshalb trifft es die gesamte Region? Dadurch soll ein Flickenteppich vermieden werden. In der Region pendeln viele Menschen von einer in die andere Kommune. Es sei nicht praktikabel, wenn durch einzelne Orte nachts nicht gefahren werden darf, durch andere schon. „Die Ausgangssperre ist nur sinnvoll, wenn sie konsequent umgesetzt wird“, sagt Jagau. Was zählt als triftiger Grund für eine Ausnahme? In bestimmten Situationen darf man trotz Ausgangssperre vor die Tür. Dazu gehören: der Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause der Weg zum oder vom Arzt oder einem anderen medizinischen oder psychosozialen Termin der Weg zum oder vom Tierarzt der Besuch naher Angehöriger, wenn diese durch eine Behinderung eingeschränkt oder pflegebedürftig sind die Gassi-Runde mit dem Hund. Gottesdienste das Erreichen von Fernzügen oder Flügen Wer auf der Durchfahrt – egal ob mit dem Zug oder dem Auto etwa auf den Fernstraßen im Regionsgebiet – unterwegs ist, ist von der Ausgangssperre nicht betroffen. „Die Glaubhaftmachung kann insbesondere durch Vorlage einer Arbeitgeberbescheinigung, eines Betriebs- oder Dienstausweises oder durch mitgeführte Personaldokumente erfolgen“, heißt es in der Allgemeinverfügung. Wie teuer wird ein Verstoß? Bei Verstößen gegen die Ausgangssperre droht Bürgerinnen und Bürgern ein Bußgeld. Abhängig vom Einkommen und der schwere des Verstoßes liegt die Bandbreite zwischen 150 und 25.000 Euro. Wie die Region mitteilt, werden jede Woche zwischen 300 und 1000 etwaiger Verstöße festgestellt. Die Einhaltung der Regeln werde die Polizei mit Augenmaß kontrollieren, gleichzeitig aber auch die vorgebrachten Begründungen prüfen. Einen Passierschein werde die Region Hannover nicht ausstellen, so Jagau. Zum genannten Augenmaß gehöre etwa, einen Spaziergang mit dem Hund nicht als Regelverstoß zu ahnden. Geschehe das in der nahen Umgebung der Wohnung, sollte dies kein Problem darstellen, wie Jagau betonte. „Wer mitten in der Nacht mit einer Flasche Bier und Kilometer weit entfernt angetroffen wird, dem nutzt der Hund auch nichts“, so der Regionspräsident. Was machen Obdachlose? Dazu ist in der Allgemeinverfügung festgehalten, dass selbst das Zelt- oder Schlaflager einer wohnungslosen Person als Unterkunft beziehungsweise privater Wohnbereich anzusehen ist. Wer soll das alles kontrollieren? Die Polizei. Beamte werden die vorgebrachten Begründungen auf Plausibilität prüfen. Geht beispielsweise jemand 200 Meter vom eigenen Zuhause Gassi, ist es in Ordnung. „Wird aber jemand 50 Kilometer entfernt mit Hund und Bier angetroffen, hilft der Hund als Begründung wenig“, sagt Jagau. Als Bußgeld drohen rund 150 bis 200 Euro. Autofahrer müssen zudem vermehrt mit Kontrollen rechnen, wenn sie nicht allein unterwegs sind. Wie die Treppenhäuser überprüft werden sollen, blieb zunächst offen. Bringt so eine Ausgangssperre überhaupt etwas? Das ist nicht eindeutig belegt. Der Landkreis Emsland etwa hat bereits vor rund 2 Wochen für die Stadt Papenburg eine nächtliche Ausgangssperre erlassen. Zu diesem Zeitpunkt lag dort die Sieben-Tage-Inzidenz bei knapp 400, am Dienstag meldete ein Kreissprecher eine Inzidenz von 439. Es sei schwer zu beurteilen, ob die Ausgangssperre bisher etwas gebracht habe oder nicht, meint der Sprecher des Landkreises Emsland. Denn in der Stadt Papenburg gibt es auch gerade eine Testoffensive und das führe zu mehr positiv gemeldeten Corona-Fällen. Auch die Wissenschaftler sind sich nicht so sicher, wie gut eine Ausgangssperre wirkt. Eine Studie unter Führung britischer Wissenschaftler der Universität Stanford hat den Effekt von Ausgangssperren in zehn europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, mit anderen Maßnahmen verglichen. Das Ergebnis: Ausgangssperren und die Schließung von Geschäften Anfang des vergangenen Jahres haben sich nicht eindeutig auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt. Das Virus sei schon durch freiwillige Verhaltensänderungen wie die Reduzierung sozialer Kontakte oder den Verzicht auf Besuche in Geschäften ausgebremst. Lesen Sie hier mehr zum Thema: Was bringt eine Ausgangssperre in Hannover? Kann ich Beschwerde einlegen? Wer sich zu unrecht bestraft sieht, kann seine Sicht der Dinge im Rahmen des Bußgeldverfahrens per Anhörungsbogen erläutern. Dann wird entschieden, ob eine Geldbuße gezahlt werden muss oder nicht. Kommt die generelle Maskenpflicht? Nein. Die Region hatte diese Maßnahme zwar geprüft, sich am Ende aber dagegen entschieden. „Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung der vergangenen Monate sehen wir wenig Chancen, dass ein solche Regelung hält. Alles andere wäre Flickwerk und würde keine Klarheit bringen“, sagt Jagau. Stattdessen werden die bestehenden Maskenpflicht-Regeln ausgeweitet. Lesen Sie auch: Warnung vor Ostern: Polizei soll Corona-Regeln mit „allen Kräften“ durchsetzen Wo und wann brauche ich eine Maske? Am Nord- und Ostufer des Maschsees sowie am Steinhuder Meer ist künftig von 9 bis 21 Uhr eine Mund-Nasen-Bedeckung Pflicht (bisher 10 bis 19 Uhr). Auch im Auto herrscht jetzt Maskenpflicht: Sollten Personen aus mehr als einem Haushalt im Wagen sein, müssen alle außer der Fahrerin oder dem Fahrer einen Mund-Nase-Schutz tragen. Das Auto habe sich als einer der Hauptansteckungsorte herausgestellt, erklärte Regionspräsident Jagau. Ähnliches gelte für Treppenhäuser in Mehrfamilienhäusern ab sechs Wohneinheiten. Auch hier herrscht nun Maskenpflicht. Von Peer Hellerling