Ausgangssperre in Hannover: 5 häufige Missverständnisse

Elf Nächte lang müssen sich die Menschen in der Region Hannover an die Ausgangssperre halten. Kein Wunder, dass darüber viel diskutiert wird. Dabei tauchen immer wieder dieselben Punkte auf, die verwechselt, unterschiedlich ausgelegt oder falsch verstanden werden. Diese 5 Aspekte sind dabei zuletzt besonders aufgefallen: 1. Es geht nicht um die Kontrolle draußen, sondern die Kontrolle drinnen: Bei der Ausgangssperre darf man nach 22 Uhr nicht mehr vor die Tür. Viele Menschen wundern sich, wie das im Kampf gegen Corona helfen soll – immerhin sind derzeit so viele Dinge verboten, geschlossen oder nicht möglich, dass um diese Zeit auf den Straßen eh nicht mehr viel los ist: Keine Gastronomie, keine Partys, keine Kulturveranstaltungen. Zudem gilt die Ansteckungsgefahr unter freiem Himmel ja als eher ungefährlich. Das geht jedoch am eigentlichen Punkt vorbei: denn bei der Sperre geht es im Kern darum, die privaten Treffen drinnen einzuschränken. Denn wer sich abends bei Freunden oder Verwandten trifft, der muss irgendwann auch wieder nach Hause. Und gerade wenn das spät wird, steigt das Risiko, dass es mit den Kontaktbeschränkungen nicht mehr ganz so genau genommen wird. Anders gesagt: Die Ausgangssperre soll verhindern, dass sich die Menschen zur Privatparty treffen, oder auch zum Skatabend, zum gemeinsamen Abendessen mit der einen oder anderen Flasche Wein. Mit den Worten von Regionspräsident Hauke Jagau: „Von einer Ausgangssperre erwarten wir, dass abendliche Treffen insbesondere jüngerer Leute eingeschränkt werden.“ Denn die sind zuletzt immer mehr Treiber der Infektionsketten, belegt die Statistik. Gerade bei den wärmeren Temperaturen derzeit in der Region, zielt die Ausgangssperre aber natürlich auch auf Treffen draußen ab. Jagau: „Größere Exzesse im Freien“ beginnen in der Regel nicht vor 22 Uhr. 2. Darf man noch nichtmal mehr mit dem Hund raus? Insbesondere am ersten Tag nach Verkündung der Ausgangssperren meldeten sich viele Hundebesitzer zu Wort, die die Regeln als realitätsfern kritisierten. Denn wer einen Hund hat (und noch dazu keinen eigenen Garten), der muss auch mal zu besonders später oder auch früher Stunde raus. Tatsächlich hat die Region dann später auch eine Ausnahmeregelung für alle Herrchen und Frauchen geschaffen: Das Gassi-Gehen ist ausdrücklich erlaubt. Nichtsdestotrotz mahnen die Behörden, diese Ausnahme nicht zu weit auszulegen. Treffen die Ordnungshüter, die die Einhaltung der Regeln konsequent kontrollieren und ahnden wollen, auf einen Hunde-Besitzer in der nahen Umgebung der Wohnung, sollte dies kein Problem darstellen, betonte Jagau. „Wer mitten in der Nacht mit einer Flasche Bier und Kilometer weit entfernt angetroffen wird, dem nutzt der Hund auch nichts“, so der Regionspräsident. 3. Verstöße gegen die Regeln sind teuer – sie kosten bis zu 25.000 Euro: Das ist auf dem Papier korrekt. Bei Verstößen gegen die Ausgangssperre droht Bürgerinnen und Bürgern ein Bußgeld. Abhängig vom Einkommen und der schwere des Verstoßes liegt die Bandbreite zwischen 150 und 25.000 Euro. Dabei spielt sich die Mehrzahl der tatsächlich verhängten Strafen bei bisherigen Coronaregelverstößen im Bereich von 150 bis 200 Euro ab, wie Jagau am Mittwoch bei der Vorstellung der neuen Regeln berichtete. Und das Innenministerium ordnete in Bezug auf das an Ostern geltende sogenannte Ansammlungsverbot ein, was auch für die Ausgangssperre gelten dürfte: Die Polizei werde „die betroffenen Personen zunächst auf die Einhaltung der Regelung hinweisen“, erklärte eine Sprecherin. „In Fällen, in denen erhebliche Verstöße vorliegen oder der polizeilichen Ansprache nicht gefolgt wird, sind Platzverweise, die Einleitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren und erforderlichenfalls auch Ingewahrsamnahmen denkbar.“ Es kommt also immer auf den individuellen Fall an, ob überhaupt ein Bußgeld verhängt wird, dies dürfte eher als letztes Mittel denn als Standard verstanden werden. Um den Ordnungshütern den Rahmen dafür zu schaffen, hieß es, sie sollen mit „Augenmaß“ vorgehen. 4. Unfair ist die Ausgangssperre für die, die nur auf der Durchreise sind (und im Zweifel noch nicht einmal von der Regel wissen): Wer nur durch die Region durchreist, und dann auf die Polizei trifft, der muss nicht gleich mit einer Strafe rechnen, sondern kann sich zumindest auf eine Ausnahmeregel berufen: Die Ausgangssperre gilt ausdrücklich nicht für Pendler, die durch die Region müssen. Wer also mit Auto oder Lkw auf Autobahn oder Bundesstraße die Region kreuzt, dem droht keine Strafe. Ausgenommen von der Ausgangssperre sind zudem Zugpendler, die etwa während der Ausgangssperre an einem Bahnhof in der Region umsteigen. Auch der Weg vom oder zum Flughafen wird nicht sanktioniert. Kniffelig wird es im konkreten Fall allerdings mit dem Nachweis – das stellt generell ein Problem dar, bei dem sich wohl erst in der Praxis zeigen wird, wie es gehandhabt wird. Denn offiziell muss jeder, der nachts unterwegs ist, ein „Bescheinigung“ vorweisen, dass er aus einem triftigen Grund noch nicht zu Hause ist. Manche Arbeitgeber haben ihren Mitarbeitern bereits derartige schriftliche Bescheinigungen ausgestellt. In anderen Fällen wird es schwieriger: Wie belege ich, dass mich meine pflegebedürftige Großmutter nachts um Hilfe gebeten hat? Was sage ich der Polizei, wenn ich nach 22 Uhr ein Kind mit hohem Fieber zur Abklärung in eine Kinderklinik bringe? Im Zweifel kommt es dann wohl darauf an, wie glaubwürdig die vorgebrachte Begründung ist – und auf das bereits erwähnte „Augenmaß“ der Ordnungshüter. 5. Warum fahren die Bahnen, wenn doch Ausgangssperre ist? Man darf nicht raus, aber vom Fenster aus kann ich Busse und Bahnen alle paar Minuten fahren sehen – ergibt das Sinn? Klare Antwort: ja. Wie die Üstra mitteilt: „Die Ausgangsperre wird auf den Fahrplan von Üstra und Regiobus keine Auswirkungen haben. Somit fahren die beiden Verkehrsunternehmen während der nächtlichen Ausgangssperre weiterhin nach dem Regelfahrplan.“ Entscheiden ist dabei der nächste Satz: „Dadurch wird das Mobilitätsangebot für die Fahrgäste, die auf den ÖPNV angewiesen sind, aufrechterhalten.“ Es geht also darum, die bereits genannten Ausnahmefälle überhaupt erst zu ermöglichen: Wer erst nach 22 Uhr von der Arbeit kommt (wie etwa viele Supermarkt-Mitarbeiter), der muss auch weiterhin den öffentlichen Nahverkehr nutzen können. Gleiches gilt für ebenfalls bereits benannte Besuche bei pflegebedürftigen Verwandten. Übrigens: Üstra und Regionbus setzen aber an den kommenden Wochenenden die Nachtverkehre aus. Die Maßnahme gilt zunächst bis Sonntag, 18. April. Der letzte „Kröpcke-Anschluss“ für die Stadtbahnen vor Betriebsschluss fährt während der angepassten Fahrzeiten um 0.45 Uhr ab. Diese Linien fahren in der Regel, um die Besucher abendlicher Wochenendveranstaltungen nach Hause zu befördern – Partys, Theater, Kino. Die gibt es zwar schon länger nicht, aber während der Ausgangssperre sind dann eben auch private abendliche Treffen nicht mehr erlaubt, so dass der zentrale Grund für diesen Linienverkehr nun gänzlich wegfällt. (Hinweis für Ostern: An den Feiertagen – Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag – gilt der Sonntagsfahrplan. Am Sonnabend, 3. April, fahren die Busse und Stadtbahnen nach dem Samstagsfahrplan.) (Fotos: dpa/Junker/Heusel) Von mic