Biber verbreiten sich weiter im Stadtgebiet von Hannover

Weil Biber nachtaktive Tiere sind, bekommt man sie so gut wie nie zu Gesicht. Dass die Tiere auch in der Stadt Hannover heimisch geworden sind, lässt sich derzeit etwa an den Ufern von Ihme und Leine beobachten – an den charakteristischen Bissspuren an den Bäumen. „Biber fressen gerne Wasserpflanzen und Ufergrün. Das finden sie jedoch im Winter nicht und knabbern deshalb Baumrinde und weiches Holz, bevorzugt etwa von Weiden und Pappeln, seltener von Eichen“, sagt Kristine Gilster, Biberberaterin beim Naturschutzbund (Nabu) in Laatzen. Biber galten in Niedersachsen seit Beginn des 19. Jahrhunderts durch Jagd und Zerstörung ihrer Lebensräume als ausgerottet. 2002 tauchten nach Winterhochwassern wieder einzelne von ihnen auf, zunächst im heutigen Naturschutzgebiet Alte Leine südlich von Hannover. Weil sie streng geschützt sind und hierzulande außer dem Wolf keine natürlichen Feinde haben, konnten sie sich seitdem ständig vermehren. Population wächst stetig: Die Laatzener Naturschützer bieten in Zeiten ohne Corona-Pandemie Exkursionen zum Thema an. Außerdem übernehmen sie seit einigen Jahren die Biberkartierung in der Region Hannover, also die Bestandsaufnahme. Eine Auswertung der Zahlen von 2020 hat erneut merkbaren Populationszuwachs ergeben: Waren es 2019 noch 36 Reviere, zählten die Kartierer zwölf Monate später 41 sichere und zwei potenzielle. Im Bereich der Stadt Hannover hat sich die Zahl gesicherter Standorte in diesem Zeitraum von drei auf sieben erhöht und damit mehr als verdoppelt. Das war auch so erwartet worden, weil weitere drei Reviere zuvor schon als Verdachtsfälle galten. „An Ihme und Leine sind die Biber im Süden bis zum Friederikenplatz und im Norden bis zur Bar Strandleben am Weddigenufer vorgerückt“, berichtet Gilster. Nur im Bereich dazwischen haben Biber noch nicht gebaut und dürften dies auch künftig nicht tun, dafür aber mittlerweile im Bereich der Ricklinger Teiche. Wie viele Biber unterwegs sind, kann der Nabu nicht genau sagen; es dürften laut Gilster in der gesamten Region rund 150 Exemplare sein. Staugefahr bei kleineren Nebengewässern: Sorgen, dass die auch als Baumeister der Natur bezeichneten Tiere Flüsse und deren Seitenarme anstauen und dadurch das Umland unter Wasser setzen, müsse man sich in der Regel nicht machen. „Der europäische Biber baut anders als der kanadische keine großen Dämme“, sagt Gilster. Es gebe allerdings Ausnahmen bei kleineren Nebengewässern. In der Region haben die Biber den Fuchsbach zwischen den Pattenser Ortsteilen Reden und Koldingen so verändert, dass er regelmäßig angrenzende landwirtschaftliche Flächen unter Wasser setzt. Eine langfristige Lösung, wie damit umzugehen ist, gibt es noch nicht. Die Naturschützer wissen nicht, ob es trotz der schon nahezu flächendeckenden Besiedelung weiteren Zuwachs geben wird. „Ein Revier kann zwischen einem Kilometer und vier Kilometern Flusslauf abdecken; das hängt vom Nahrungsangebot ab“, erläutert Gilster. Es könne passieren, dass Biber ein neues Revier aufmachten und sich vorhandene entsprechend verkleinerten. Dies könne friedlich vonstatten gehen, aber auch durch Kämpfe um Standorte. Verwechslung mit Nutrias: Demnächst werden die Biberberater vom Nabu in Laatzen wieder zur Kartierung ausrücken und nachschauen, ob es weitergeht mit der Vermehrung. Gilster weist noch auf einen häufigen Irrtum hin: „Wenn uns jemand berichtet, er habe am helllichten Tag einen Biber gesehen, handelt es sich bei dem Tier in der Regel um ein Nutria.“ Die ursprünglich aus Südamerika stammende Nagerart, die in Europa vor allem über Ausbrüche aus Pelztierfarmen in die freie Wildbahn gelangte, ist in ihren Aktivitäten nicht so auf die Nachtstunden festgelegt wie die Biber, sieht diesen aber sehr ähnlich. Von Bernd Haase