Corona-Krise: 170 Touristik-Mitarbeiter demonstrieren in Hannover

Etliche Rollkoffer, Liegestühle und Sonnenschirme sind am Mittwochmittag auf dem Hannah-Arendt-Platz vor dem Landtag in Hannover aufgebaut. Dazwischen Pappschilder, die als Grabsteine das Todesdatum der Reisebüros verkünden sollen: 18. März 2020. Seit diesem Tag haben Deutschland und viele andere EU-Länder die Grenzen geschlossen. Nun hat die Bundesregierung die weltweite Reisewarnung für Touristen wegen der Corona-Pandemie bis mindestens 14. Juni verlängert, wie am Mittwoch bekannt wurde. Größte Demo in Hannover: Mitarbeiter aus der Touristikbranche haben am Mittwoch in 40 deutschen Städten für staatliche Rettungsmaßnahmen demonstriert – mit Mund-Nasen-Schutz und Sicherheitsabstand. Die Aktion in Hannover war die mit Abstand größte: 170 Teilnehmer hatten sich angemeldet. In anderen Städten seien nur 50, teils auch nur 25 Teilnehmer genehmigt worden, sagt Sigrid Wilckens, Sprecherin des Aktionsbündnisses Rettet die Tourismusbranche in Hannover. Die Branche erleide den größten wirtschaftlichen Schaden durch die Corona-Krise, sagt die Sprecherin. Das treffe vor allem Reisebüros, die nicht zu großen Konzernen wie Tui gehören. „Wenn die Gastronomie, Möbelhäuser und alle Läden wieder aufmachen, können wir noch nicht wieder arbeiten“, sagt Wilckens, die selbst eine Reiseagentur in Hannover betreibt. „Die Einnahmen sind seit Mitte März auf null. Wir waren als erste betroffen und haben als letzte wieder Einnahmen.“ Rettungsschirm von 500 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro: Daher fordern die Demonstranten Unterstützung vom Staat, die über Kurzarbeitergeld und Unterstützung für Soloselbstständige hinausgeht. Ein Rettungsschirm von 500 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro sei nötig, sagt Mitorganisator Helmut Kutzner: „Eine Branche, der es gut ging, ist komplett abgestürzt.“ Die Demonstranten rufen: „Hilfe! Wir stürzen alle ab.“ Auch die tourismuspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Sabine Tippelt, unterstützt den Protest. „Vielen ist gar nicht klar, dass die Reisebüros die Provision von ihrer schon geleisteten Arbeit jetzt wieder zurückzahlen müssen, wenn die Reisen ausfallen“, sagt Tippelt. Neben einem Fonds auf Bundesebene brauche es ein Landesprogramm, um der Branche zu helfen. „Ich kann keine Versprechungen machen, aber ich werde das in den Wirtschaftsausschuss einbringen“, kündigte die SPD-Politikerin an. „Tourismus betrifft uns im ganzen Bundesland.“ „Wir müssen sparen, wo es geht“: Maria Zimmermann aus Hannover arbeitet seit sechs Jahren im Reisebüro Travel 4 Joy am Flughafen. In Kurzarbeit arbeitet sie nun nur noch 14 statt der üblichen 40 Stunden pro Woche. „Ich kann mich glücklich schätzen, dass mein Partner noch arbeitet. Trotzdem müssen wir sparen, wo es geht“, sagt die 26-Jährige. Die Monatskarte für Bus und Bahn habe sie daher schon gekündigt. „Man sieht, dass es jetzt überall vorangeht – nur bei uns ist es noch im Stocken“, sagt sie. Auch Bettina Eggert, die ein kleines Reisebüro in Osterode leitet, musste für ihre Angestellten schon Kurzarbeit anmelden. Doch das reiche nicht. „Wir haben keine Einkünfte, nur Ausgaben – unsere Existenz steht auf dem Spiel“, sagt die Mutter von drei Kindern. Vor dem kommenden Jahr werde der Reisebetrieb nicht wieder anlaufen, das könnten die kleinen Unternehmen nicht stemmen, ist sich die Demonstrantin sicher. Für die Protestaktion in Hannover hat sie sich als Freiheitsstatue verkleidet. „Die steht für das Reisen, für die Freiheit, die wir im Moment nicht haben, und für Hoffnung“, sagt Eggert. Das tägliche HAZ Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Hannover täglich gegen 6 Uhr im E-Mail-Postfach. Liveticker: Die Lage in Hannover und Niedersachsen im Überblick Aktuelle Zahlen zum Coronavirus in der Region Hannover: So viele Infizierte gibt es HAZ-Expertenforum: Das antworten Mediziner auf Leserfragen zum Virus Alle Artikel zum Coronavirus in der Region auf einen Blick So können Sie Geschäften, Gastronomie und Freiberuflern in der Region Hannover jetzt helfen Von Johanna Stein