Corona: So diskutieren HAZ-Leser über Sonderrechte für Geimpfte

Der Impfstoff ist zugelassen, die ersten Vakzin-Dosen haben auch Niedersachsen erreicht – doch eingedämmt ist die Corona-Pandemie noch nicht. In Deutschland wird weiterhin diskutiert, ob es eine Pflicht zum Impfen geben sollte – die meisten Politiker aber lehnen dies ab. Der TiHo-Virologe Albert Osterhausmacht im HAZ-Interview einen anderen Vorschlag: „Statt einer Pflicht könnte man positive Anreize für eine Impfung setzen. Zum Beispiel, dass sich geimpfte Menschen wieder im größeren Kreis treffen, wieder Cafés oder Fußballstadien besuchen, wieder Partys feiern dürfen, wenn sie nachweisen können, dass sie geimpft sind.“ Die Meinungen der HAZ-Leser dazu gehen auseinander. Leserin Christine Schmidt aus Isernhagen: „Diskussion spaltet die Gesellschaft“: Die Aussage von Prof. Osterhaus zu möglichen Anreizen für geimpfte Personen kann ich nur als Provokation ansehen, ansonsten wäre sie im höchsten Maße asozial. Eine solche Diskussion noch zu befördern, ist in Zeiten knappen Impfstoffs eines Wissenschaftlers unwürdig. Wie gern würde sich die jüngere Generation diesen Schutz impfen lassen, nur leider muss sie vermutlich noch viele Wochen warten, bis auch für unter 60-Jährige und Kinder entsprechende Impfmöglichkeiten bestehen. Das sind aus meiner Sicht keine Alternativen, um Impfanreize zu schaffen. Echte Impfgegner wird man damit auch nicht locken können. Solche Diskussionen spalten nur die Gesellschaft und führen aktuell zu nichts. Leserin Kornelia Kania aus Barsinghausen: „Was ist mit unseren Grundrechten?“: Zur Erinnerung: Wir leben in einem Rechtsstaat, der sich aus leidvoller Erfahrung heraus ein Grundgesetz gegeben hat, das die Achtung der Menschenwürde des Individuums in ihren Mittelpunkt gestellt hat. Das bedeutet, dass zunächst einmal die Freiheit des Individuums auch und gerade vor staatlichen Einschränkungen zu schützen ist. Zu den Kerngrundrechten zählen der Schutz der Persönlichkeitsentfaltung, das Recht auf Unverletzlichkeit des Körpers, Freizügigkeit/Bewegungsfreiheit und das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes/Berufsfreiheit. Alle diese Grundrechte sind jeweils nur durch ein Gesetz einschränkbar, und hierfür bedarf es herausragender Gründe. Das bedeutet: Nicht die Ungeimpften müssen sich rechtfertigen, warum sie trotzdem gern ins Kino möchten, vielmehr bedarf es einer Begründung dafür, weshalb diese an sich unverbrüchlichen Rechte im Einzelfall eingeschränkt werden. Mich erschüttert schon sehr, wie leichtfertig diese Frage immer wieder ohne jede Reflexion der Tragweite in den Raum geworfen wird. Wirtschaft gegen Grundrechte? Der Mensch als Verfügungsmasse, weil es halt bequemer ist? Alternativen gibt es natürlich, und natürlich stellt sich die Frage, weshalb bei einer angenommenen Herdenimmunität bei 60 Prozent Geimpfter nicht überhaupt erst einmal abgewartet wird, wie sich die Impfquote entwickelt, ehe man hier leichtfertig die Grundrechte als verzichtbar erklärt. Ich bin in großer Sorge um unsere Gesellschaft. Lesen Sie auch Private Treffen, Schulen, Ausflüge – diese Corona-Regeln gelten jetzt Leser Achim Fahnenschild aus Hannover: „Unser Immunsystem wird geschwächt“: Warum brauchen wir eine flächendeckende Impfung, wenn über 90 Prozent der Infizierten keine oder nur milde Symptome entwickeln? Offensichtlich kommt unser Immunsystem auch mit Corona gut zurecht. Es müsste doch reichen, wenn die Risikogruppen durch die Impfungen weitgehend vor schwerem Krankheitsverlauf geschützt sind. Wir sollten uns lieber mal die Frage stellen, was eine überflüssige Impfung und die lang anhaltenden Hygienemaßnahmen mit unserem Immunsystem anrichten. Dieses ist gewohnt, durch Kontakt mit Erregern aller Art trainiert zu werden, um gestärkt daraus hervorzugehen. Es ist zu befürchten, dass die Immunabwehr der Allgemeinbevölkerung durch Isolation nachhaltig und massiv geschwächt wird, wir dadurch anfälliger für Krankheiten aller Art werden und der Gesundheitsschaden durch die Maßnahmen größer sein wird als durch das Virus selbst. Leser Armin Wasmus aus Hannover: „Keine Methode mit Holzhammer mehr“: Darüber zu diskutieren, wer wann welche Grundrechte wieder genießen darf und wie Geimpfte in diesen Prozess eingeordnet werden können, ist keine Phantomdebatte, sondern dringend nötig. Wir können den Lockdown nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag fortsetzen, sondern müssen eine Langzeitstrategie entwickeln, um trotz fortbestehender Sars-CoV-2-Bedrohung ein halbwegs normales Leben führen zu können. Neben den Menschen, die in den nächsten Monaten mittels Impfung mehr oder weniger erfolgreich immunisiert werden, gibt es sehr viele Bundesbürger, die seit Februar 2020 mit dem Wildvirus infiziert waren. Laut Mitteilung des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 23. Dezember 2020 gab es zu diesem Zeitpunkt1 554 920 bestätigte Fälle. Da das RKI davon ausgeht, dass die wahre Zahl aller Infizierten vier- bis sechsmal so hoch ist wie die der positiv Getesteten, haben sich bisher zwischen 6 219 680 und9 329 520 Bundesbürger persönlich mit dem Virus auseinandergesetzt und sollten eine ähnliche Immunität entwickelt haben, wie sie die Impfung verspricht. Der zu erwartende Immunisierungseffekt könnte leicht wissenschaftlich objektiviert werden, indem man eine repräsentative Stichprobe aller positiv Getesteten nachverfolgt und eine entsprechende Gruppe negativ Getesteter und misst, in welcher Zahl nur Folgeinfektionen auftreten, aber auch, wie häufig es zu Covid-19 kommt. Derartige Daten sind erforderlich, um eine Langzeitstrategie für das Zusammenleben mit Sars-CoV-2 und später -3, -4 usw. entwickeln zu können. Mit ständig wechselnden Behauptungen, Reisende, Partymenschen und Tagesausflügler seien die Unglücksbringer, bewegen wir uns auf spätmittelalterlichem Niveau. Wir wissen, dass die bisherige Variante des Sars-CoV-2 für Kinder, Jugendliche und gesunde, schlanke, jüngere Nichtraucher keine wesentliche Gefahr darstellt. Dieser Personenkreis plus die Menschen nach durchgemachtem Infekt bilden bereits heute die große Mehrheit der Bevölkerung. Die Größe dieser Gruppe nimmt mit Geimpften und Neuinfizierten ständig zu. Man wird daher nicht bis Herbst 2021 warten können, bis man alle von den Restriktionen erlöst, sondern muss schon im Laufe von Januar und Februar Wege finden, den nicht Gefährdeten ein weitgehend normales Leben zu ermöglichen, während man die Gefährdeten maximal schützt. Im Rahmen eines solchen Konzeptes müsste es möglich sein, Geschäfte, Hotels und Restaurants wieder zu öffnen, aber auch Theater, Kirchen und Zoos mit begrenzten Teilnehmerzahlen. Persönlich glaube ich, dass man mit einem differenzierten, evidenzbasierten Vorgehen schließlich besser fahren würde als mit einer Holzhammermethode, die von vielen Bürgern immer mehr unterlaufen wird. Veröffentlichungen in dieser Rubrik sind keine redaktionelle Meinungsäußerung. Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen. Bei allen Einsendungen bitten wir um Angabe der vollständigen Absenderadresse. Wollen auch Sie uns Ihre Meinung mitteilen? Dann schreiben Sie uns auf diesem Weg. Leserin Bettina Lemke aus Hannover: „Man muss auch gönnen können“: Natürlich sollte es älteren Mitmenschen, die sich jetzt haben impfen lassen, erlaubt sein, essen zu gehen, das Kino oder das Theater zu besuchen. Ihnen ist schon genug Lebenszeit weggenommen worden, und viel haben sie nicht mehr. Auch Pflegekräften sei es gegönnt, sich etwas zu amüsieren. Und ich habe überhaupt nichts davon, wenn sie es sein lassen, bis auch ich mich impfen lassen darf. Das wäre eine falsch verstandene Solidarität. Die Gastronomen und Künstler würden sich sicher auch freuen. Von HAZ