Corona Soforthilfe in Niedersachsen: So läuft es mit den Finanzzahlungen

Steffen Borchert hat die Übersicht verloren. Auf der Suche nach Unterstützung in der Corona-Krise stieß er in den vergangenen Tagen auf zahlreiche Hilfsangebote und Informationen: von Bund und Land, vom Steuerberater und der Bank – bürokratisch und unübersichtlich, wie er meint. Der 52-Jährige führt seit mehr als 20 Jahren das Café Mobil in Hannover, das seine Dienstleistungen vor allem auf Messen anbietet. „Mir sind Aufträge für mindestens ein halbes Jahr weggebrochen“, sagt Borchert der HAZ. Auf Märkten dürfe er auch keinen Kaffee mehr verkaufen, weil es sich um keine wiederverwertbaren Lebensmittel handele. „Mein Einkommen liegt momentan bei null.“ Corona-Soforthilfe: „Es ging recht zügig und unkompliziert“: Wie viele Unternehmer und Freiberufler in Hannover ist Borchert deshalb auf Hilfe angewiesen. In einer frühen Phase der Corona-Krise habe er zunächst mit seiner Bank gesprochen, die noch von nichts gewusst habe. Dann hat Borchert ein Schreiben der NBank entdeckt. Der Antrag auf eine 3000-Euro-Soforthilfe vom Land Niedersachsen für seinen Betrieb mit unter fünf Beschäftigten sei dann relativ leicht zu bearbeiten gewesen. Auf die Genehmigung wartet er aber noch. Auch einen Antrag auf Kurzarbeit hat Borchert eingereicht – ebenfalls noch nicht bewilligt, allerdings in Bearbeitung, sagt der 52-Jährige. „Das ging recht zügig und unkompliziert.“ Die Unterstützung vom Land, die bislang 3000 Euro betrug, würde bei seinen monatlichen Fixkosten von etwa 11.000 Euro aber nur kurz reichen. Um einen Kredit will er wegen der Bedingungen aber herumkommen. Noch sei das Unternehmen gut aufgestellt, meint Borchert. „Aber das trifft uns schon hart, und ich würde mir wünschen, dass die Leute wieder arbeiten dürften.“ Jetzt fließen auch die Bundesmittel – Differenz wird verrechnet: Für die Soforthilfe gelten ab Dienstagabend zwei neue Richtlinien, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, sagt Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. Aus den Bundesmitteln erhalten Soloselbstständige, Freiberufler und Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten in zwei Stufen 9.000 oder 15.000 Euro. Davon könnten laut Althusmann 252.000 Unternehmen in Niedersachsen profitieren. Das Land selbst fördert mit eigenen Mitteln Betriebe in einer Größe von elf bis 49 Beschäftigten mit bis zu 25.000 Euro. Davon gebe es in Niedersachsen 28.000. Die neue Regelung löst die sich vorher überschneidenden Hilfen von Bund und Land ab Dienstagabend ab. Alte Anträge sollen entsprechend der neuen Richtlinie verrechnet werden – die NBank komme auf die Leute zu, erklärte Althusmann. Neu ist auch, dass persönliche oder betriebliche Rücklagen nicht mehr auf die Förderung angerechnet werden. Zudem ist die Abdeckung der Lebenshaltungskosten nicht Bestandteil der Förderung, sodass Unternehmer ergänzend Grundsicherung beantragen könnten. ( Hier können Sie die Soforthilfen beantragen ) NBank erhält mehr als 60.000 Anträge von Unternehmen und Freiberuflern: Bis Dienstagmittag sind bei der NBank 64.000 Anträge auf Soforthilfe eingegangen. Das landeseigene Institut hat für 3000 Unternehmen bereits eine Unterstützung bewilligt – insgesamt etwa 10 Millionen Euro. Wer mit den Zuschüssen von Bund und Land nicht hinkomme, solle die Beantragung eines unkomplizierten Landeskredits in Betracht ziehen, sagt NBank-Sprecher Bernd Pütz der HAZ. Diese würden für die ersten zwei Jahre zins- und tilgungsfrei vergeben. Zu den Hilfsangeboten von Bund und Land kommt ab voraussichtlich Mittwoch zudem noch ein 10 Millionen Euro schweres Hilfspaket der Stadt Hannover für Betriebe und Freiberufler, die vor Ort ansässig sind. Die Vergabe könnte der des Landes ähneln. In Gesprächen mit Unternehmern wird deutlich: Es hakt derzeit vor allem auch an einer klaren Informationspolitik – wer zahlt was, wann und wie viel. Der Gastronom: „Wenn es so weitergeht, brauche ich Grundsicherung“: Bei Chen Tan, dem Inhaber des Chinarestaurants Ente von Peking in der Brühlstraße, war die Stimmung vergangene Woche getrübt. Er hatte versucht, direkt zu Beginn die Soforthilfe des Landes Niedersachsen bei der NBank zu beantragen, doch die überlasteten Server spielten nicht mit. Am Sonnabend hat es dann geklappt – Tan konnte den Antrag an die Bank absenden, eine Rückmeldung hat er noch nicht. Das Ausfüllen des Formulars sei aber relativ unkompliziert gewesen. Tatsächlich ist das dreiseitige PDF-Dokument der NBank für Soforthilfen des Landes recht einfach gestrickt. Bis auf ein paar Bilanzzahlen und die üblichen persönlichen Angaben muss nur die existenzbedrohliche Wirtschaftslage oder der Liquiditätsengpass erklärt werden. Und in dieser Lage befindet sich Tan zweifelsfrei: Das Restaurant hat weitestgehend geschlossen, er kocht hier und da für Abholer, aber das lohne sich fast gar nicht. Die 3000 Euro müsse er bei Bewilligung für laufende Kosten verwenden – Miete, Strom Nebenkosten. „Aber wenn es so weitergeht, brauche ich Grundsicherung“, sagt Tan der HAZ. Immerhin hätten ihm einige Hilfsangebote über die HAZ-Plattform #supportyourlocal etwas aufgeheitert. Die Musikerin: „Mir wäre sehr unwohl dabei, Kredite aufzunehmen“: Obwohl Clara Däubler zu den derzeit besonders gefährdeten Berufsgruppen zählt, wirkt sie noch entspannt. Als Musikerin und Freiberuflerin sei sie es gewissermaßen gewohnt, von der Hand in den Mund zu leben. Nun aber sind ihr seit Anfang März alle Aufträge weggebrochen – auf unbestimmte Zeit. „Und bei dieser Ungewissheit ist es schwierig“, sagt sie der HAZ. In diesem Monat sieht es finanziell bei Däubler noch recht gut aus – viele Gagen aus den vergangenen Wochen kommen jetzt erst rein. Und von der Jazzinitiative hat sie eine einmalige Spende von 200 Euro erhalten. Im April wird sie dann aber auch die Finanzhilfe bei der NBank beantragen müssen. Ob ihr 3000 beziehungsweise 9000 Euro als Unterstützung reichen, werde sich zeigen müssen. „Mir wäre aber sehr unwohl dabei, Kredite aufzunehmen“, sagt Däubler. Für Freiberufler verlagere sich das Problem dadurch nur, weil kaum einer Geld auf der hohen Kante habe. Der Buchhändler: „Ich habe das Gefühl, alle wollen helfen“: Die Buchhandlung Leuenhagen & Paris aus der List hält sich derzeit mit Außer-Haus-Verkäufen über Wasser. In der Krisensituation habe man für Anträge eigentlich keinen Kopf, wenn man versuche, ein kleines Unternehmen am Laufen zu halten, meint Geschäftsführer Dirk Eberitzsch. Einen Antrag habe er bislang deshalb noch nicht gestellt, nun aber die entsprechenden Dokumente. „Dank der vielen Hilfen ist das aber zu lösen“, sagt Eberitzsch der HAZ. Er will mit Leuenhagen & Paris sowie seiner Buchhandlung Beeck direkt auf die höheren Mittel des Bundes zugreifen, die nun frei sind. Von Krediten nimmt auch er Abstand – „wir hoffen, das Polster reicht“. Erfreut zeigt er sich indes über das Verhalten seiner Kunden. „Die Reaktionen tun unglaublich gut – ich habe das Gefühl, alle wollen helfen.“ Sollten sie nach dem 20. April wieder öffnen dürfen, kämen sie mit einem blauen Auge davon, meint Eberitzsch. Finanzminister Reinhold Hilbers hat am Dienstag Steuererleichterungen für niedersächsische Unternehmen in Milliardenhöhe angekündigt. Unter anderem solle die Vorauszahlung der Unternehmen auf Einkommens- und Körperschaftssteuer sowie Umsatzsteuer angepasst werden. Zudem kündigte Hilbers eine Stundung fälliger Landessteuern und der Verzicht auf die Vollstreckung sowie Erhebung von Säumniszuschlägen an. Das Land müsse deshalb mit erheblichen Einschnitten bei den Steuereinnahmen rechnen. Auch bei der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft, in der die Messe und VW sind, werde es zu Einschnitten kommen, auch „wenn derzeit in allen Unternehmen Stabilität herrscht". Das tägliche HAZ Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Hannover täglich gegen 6 Uhr im E-Mail-Postfach. Lesen Sie auch: Unternehmer können Millionenhilfen der Stadt Hannover voraussichtlich ab 1. April beantragen NBank kommt bei Corona-Unterstützung in Fahrt 250.000 Anfragen wegen Corona-Hilfen: Server der Förderbank Niedersachsen bricht zusammen Von Sebastian Stein