Corona in Eltze bei Uetze: „Die Leute denken, wir haben die Pest“

Der Rettungswagen vom Roten Kreuz hält um kurz nach 11 Uhr vormittags vor dem Haus an einem der Ortseingänge in Eltze. Die Besatzung besteht aus zwei Mann, einem Fahrer in Uniform und einem zweiten Mann, der von Kopf bis Fuß in einen weißen Seuchenschutzanzug verpackt ist. Es sieht ein bisschen wie in einem Science-Fiction-Film aus, aber es ist normale Pandemieprävention: Eltze, das zur Gemeinde Uetze gehört, ist der einzige Ort mit bestätigten Coronavirus-Fällen in der Region Hannover, inzwischen sind es sechs an der Zahl. Eltze ist ein durchschnittlicher ländlicher Ort, 1226 erstmals urkundlich erwähnt, inzwischen zu Uetze gehörend. Es ist tagsüber ruhig im Ort, von den 1400 Einwohnern arbeiten viele in Hannover, Peine, Braunschweig. Vor einer Woche gab es hier die erste bestätigte Coronainfektion in der Region Hannover, bei einem 68-Jährigen, der in Südtirol Urlaub gemacht hatte, zusammen mit seiner Frau und einem weiteren Paar. Lesen Sie mehr: Aktuelle Zahlen zum Coronavirus in der Region Hannover: So viele Infizierte gibt es 100 Menschen unter Quarantäne: Alle gehören zum Eltzer Schützenverein, die Männer waren nach der Reise beim Schießen, wegen dieser Kontakte wurde ein drittes Paar unter Quarantäne gestellt (und weitere Kontaktpersonen, inzwischen mehr als 100). Einer der Männer war mit Symptomen in Lehrte im Krankenhaus, war getestet worden – negativ. Dann wurde er noch mal getestet – positiv. Am Donnerstag meldete die Region Hannover drei nachgewiesene Corona-Fälle aus Eltze, Freitag früh vier, Freitag mittag fünf, abends sechs. „War zu erwarten“, sagt Werner Backeberg, Bürgermeister von Uetze. Ob es sich tatsächlich um die drei Paare handelt, verrät niemand. Backeberg unterstreicht, dass alle bestätigten Infektionen Personen betrafen, die bereits unter Quarantäne standen. Was er meint, ist: Der behördliche Umgang mit der Pandemie funktioniert. Backeberg macht einen gelassenen Eindruck. Der Mann aus dem Rettungswagen, der im Seuchenschutzanzug, betritt das Haus am Eltzer Ortsrand mit einem Notfallkoffer in der Hand, der Fahrer bleibt draußen, mault über den Regen. Die Haustür steht lange sperrangelweit offen, irgendwann wird sie geschlossen. Nach zehn oder 15 Minuten kommt der Mann in Weiß wieder an die Tür und übergibt seinem Kollegen einen Kasten, ein tragbares EKG-Gerät. Der Sanitäter trägt es ins Auto und beginnt, die Kabel und Kontakte mit Desinfektionstüchern abzureiben. Die Tür zum Altenheim „Haus Monika“ in Eltze ist verschlossen, man bitte, von Besuchen abzusehen, steht auf einem Schild an der Türscheibe. Pflegedienstleiterin Gabriele Heyse und Rüdiger Stieglitz von den „Begleitenden Diensten“ (Vorlesen, Gespräche, Unterhaltung) erzählen, die Bewohner seien schon traurig über das Besuchsverbot, hätten aber Verständnis. Und die Besucher selbst auch, manche hätten sich sogar gefreut, dass das Heim seine Fürsorgepflicht so ernst nehme. Ärzte und Physiotherapeuten dürften natürlich kommen. „Und wenn jemand im Sterben liegt, würden wir auch eine Ausnahme machen“, sagt Gabriele Heyse. Pastor Karl-Heinrich Waack von der evangelischen Kirche hat den Gottesdienst zum Weltgebetstag am Freitag abgesagt. Nein, er sei nicht aufgeregt, sagt er. Aber es wäre etwas eng bei der Veranstaltung geworden, das wolle niemand. Annabell Buchholz dagegen hat mit der Sorge zu kämpfen, dass zu wenig kommen, sie richtet die Babybörse am Wochenende in der Grundschule Uetze aus: Helfer haben schon abgesagt, und das Publikum werde wohl auch nicht so zahlreich sein, fürchtet sie. Die Veranstaltung findet aber statt. Beschimpfung per Whatsapp: Der Mann im Schutzanzug bringt von innen Gerätschaften an die Haustür, der Rettungswagenfahrer berührt sie nicht mit den Händen, nimmt sie in einem Müllsack mit ins Auto. Schließlich, es ist fast eine Stunde vergangen, geleiten die beiden Rettungskräfte einen Mann mit Mundschutz vom Haus zum Auto. Die Türen klappen. Eine Geschäftsfrau aus Eltze weiß zu berichten, dass nicht überall Gelassenheit herrscht. Kunden hätten Termine abgesagt, weil sie nicht zur ihr nach Eltze kommen wollten, erzählt sie. Und dass die Menschen in Quarantäne zum Teil per Whatsapp beschimpft würden, sogar von Mitbürgern: Sie hätten „diesen Dreck“ ins Dorf gebracht. Die Frau in dem Haus am Ortseingang ist mit den Nerven am Ende. Ihr Mann, der jetzt auf dem Weg ins Krankenhaus ist, hatte starke Schmerzen, deswegen haben sie den Rettungswagen gerufen. Und sie wohnen eben in Eltze und haben Berufe mit Kundenkontakten, daher die Sache mit dem Seuchenschutzanzug. „Wenn Sie’s wissen wollen: Wir stehen jetzt unter Quarantäne“, sagt die Frau. Was ihr Mann hat, ist noch unklar. Sie bittet, ihren Namen nicht zu nennen. „Die Leute denken, wir haben die Pest.“ Lesen Sie auch: Erster Corona-Fall in Uetze Quarantäne zu Hause So reagieren Eltzer Eltern Von Bert Strebe