Coronavirus: Wie Covid-19 die Pflegekräfte belastet - ein Arzt berichtet von der Arbeit auf der Intensivstation

Ein Notstand mit Bettenknappheit zeichnet sich in den Intensivstationen in Hannover trotz Corona bisher nicht ab. Doch für die Pflegekräfte ist der Umgang mit den Covid-19-Patienten eine Dauerbelastung, körperlich wie psychisch. „Diese Patienten haben im Gegensatz zu den Kranken, die wir sonst auf der Intensivstation sehen, wenig Vorerkrankungen“, berichtet Jan Schmieszek, Oberarzt der Siloah-Intensivstation im Klinikum Region Hannover (KRH). Das KRH betreut im Durchschnitt rund 60 Prozent der Corona-Patienten in der Region, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Das Alter dieser Erkrankten reicht von Mitte 40 bis 80 Jahren, berichtet Oberarzt Schmieszek aus dem Siloah. „Momentan liegt keiner bei uns, der aufgrund von Vorerkrankungen eine eingeschränkte Lebenserwartung hatte, auch die 80-Jährigen nicht“, betont der Mediziner. Covid macht Gesunde zu Schwerkranken: Durch die Covid-19-Erkrankung sind diese Patienten plötzlich zu Schwerkranken geworden. „Das Krankheitsbild ist schwierig, die Menschen haben teils ein schweres Lungenversagen. Es droht, dass wir sie an die Lungenersatzmaschine anschließen müssen.“ Bevor das tatsächlich notwendig wird, werden die Covid-19-Kranken auf der Intensivstation künstlich beatmet. „Sie bekommen eine sehr hohe Sauerstoffzufuhr, die die Lunge schädigt“, berichtet der Oberarzt. Und die Pflegekräfte müssen die Kranken regelmäßig von der Rücken- in die Bauchlage drehen, ein komplizierter Vorgang, der nur mit mehreren Mitarbeitern zu bewältigen ist. Die Pflegekräfte und Ärzte auf den Intensivstationen sind auch ohne Corona häufig mehr als zehn Stunden im Einsatz. Das hat sich nun noch gesteigert. Die Covid-19-Patienten bleiben länger, und längst nicht alle lassen sich retten. „Es sterben an Corona auch junge Menschen mit junger Familie. Das ist leider so, und das steckt man nicht gut weg“, sagt Schmieszek. Seine Befürchtung jetzt: Dass die seit Herbst durchgängig hohen Zahlen noch steigen – durch Menschen, die sich bei Treffen über die Weihnachtstage angesteckt haben. Nach einer Infektion könne es mehrere Wochen dauern, bis ein Patient eventuell auf die Intensivstation komme, erklärt KRH-Sprecher Nikolas Gerdau. Eine Überlastung der Kliniken droht jedoch nicht. „Derzeit sind in den Krankenhäusern in der Region noch erhebliche Kapazitäten im Regelbetrieb vorhanden, sodass wir aktuell davon ausgehen, dass sie ausreichen“, sagt Regionssprecher Christoph Borschel. Darüber hinaus kann die Zahl der Betten im Bedarfsfall auch noch aufgestockt werden. Aktuell werden 58 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen behandelt. Laut dem Intensivregister DIVI sind 37 Intensivbetten frei, 339 Plätze sind belegt. Die meisten Kliniken in der Region haben wegen der akuten Lage ihre planbaren Operationen nahezu eingestellt. Die Intensivstationen nehmen neben Covid-Patienten vor allem Unfälle und Notfälle auf. Eine Ausnahme ist das Diakovere-Annastift, das als Fachklinik weiter Orthopädie anbietet. Die Medizinische Hochschule Hannover hat alle Operationen eingeschränkt, die eine Nachbetreuung auf einer Intensivstation benötigen. Von Bärbel Hilbig