Ein Seniorenheim in Hannover-Kleefeld macht Fernsehen für seine Bewohner

Eintreten darf nur, wer die Fiebermessung und den Corona-Schnelltest erfolgreich passiert. Wie in jeder Wohneinrichtung für Seniorinnen und Senioren sind die Besuche und Begegnungen im GDA Wohnstift in Hannover-Kleefeld streng und pandemiegerecht geregelt. Und auch wenn derzeit praktisch alles anders ist – auf ihr gewohntes Kulturprogramm müssen die Bewohner nicht verzichten. Ein hauseigener Fernsehkanal macht es möglich. Es ist 16 Uhr, und die Gänge im Wohnstift leeren sich. Auch im Café ist kaum etwas los – „wie in einer Geisterstadt“, sagt Simon Gudat. Er leitet das Kulturbüro des Wohnstifts. Zwar könne man die Einschaltquoten nicht messen, doch er wisse ganz genau, dass die Bewohner genau in diesem Moment vor ihren Fernsehgeräten sitzen und auf Kanal neun schalten. Festsaal wird zum Fernsehstudio umfunktioniert: „Hier ist das erste Kleefelder Fernsehen, und ich begrüße Sie zu einer weiteren Lesung aus ‚Die Wand‘ von Marlen Haushofer.“ Die Kulturreferentin des Hauses, Christine Nitschke, sitzt im Festsaal der Einrichtung, den die Kulturschaffenden kurzerhand zum Fernsehstudio umfunktioniert haben. Von ihrem Platz auf der Bühne aus blickt sie direkt in die Kamera und aus den Endgeräten der Bewohner heraus. Die Lesung ist nur einer von vielen Programmpunkten, die hier im Haus seit Beginn des ersten Corona-Lockdowns über den Bildschirm laufen. Als im März 2020 klar ist, dass Veranstaltungen in Präsenz nicht mehr möglich sind, bauen die Organisatoren den Hauskanal aus: Neben Informationsfolien rund um das Wohnstift gibt es für die 500 Anwohner nun ein morgendliches Sportprogramm, Geschichtsvorträge, virtuelle Museumsrundgänge und Konzerte. Jede Menge „geistige Nahrung“, wie es Nitschke nennt. Außerdem hoffe sie, dass sich die Bewohner verbundener fühlen, wenn sie bekannte Gesichter vor der Kamera erkennen. „Markus Lanz muss sich warm anziehen“: Besonders etabliert hat sich die Ansprache des Direktors Martin Stodolny, der jeden Montag zur besten Sendezeit am Nachmittag über die aktuellen Meldungen zum Corona- und Impfgeschehen spricht und sie für seine Bewohner einordnet. Er sei inzwischen „ein richtiger Talkmaster geworden. Markus Lanz muss sich warm anziehen“, sagt Nitschke und lacht. On Air zu sein bedeutet aber auch, Neues zu lernen. Zwar bringen die Mitarbeitenden des hauseigenen Kulturbüros schon Bühnen- und Veranstaltungserfahrungen mit. Wie aber so ein Livestream fürs Fernsehen abläuft, haben sie sich erst in den vergangenen Monaten angeeignet. Auch die technische Ausstattung habe sich verbessert: Während anfangs noch eine Webcam die Bilder übertrug, filmen sie inzwischen mit einer professionellen Kamera. Gibt es Probleme bei der Übertragung, dann erfahren sie es meist sofort von den Bewohnern – denn dann laufen die Telefonleitungen heiß. Beliebt sind Formate wie „Wer wird Millionär?“: Eine Streamingmüdigkeit habe sich noch nicht eingestellt, erzählt Gudat. Im Gegenteil, sowohl von Bewohnern als auch Mitarbeitern kämen ständig neue Ideen. Beliebt seien Mitmachformate wie „Wer wird Millionär?“ oder „Stadt-Land-Fluss“. An ein Ende denken die Beteiligten nicht. Wie im vergangenen Sommer wollen sie auch in diesem Jahr, sobald es wieder möglich ist, Veranstaltungen in Präsenz stattfinden lassen, mit weniger Gästen und einer zusätzlichen Liveübertragung im Hauskanal. Von Monika Dzialas