Feuerwerk und Böllern in Hannover: HAZ-Lesern gehen die Verbote nicht weit genug

50 Verbotszonen in Hannover, etliche weitere in den Umlandgemeinden: Das Feuerwerk wird in diesem Jahr so stark eingeschränkt wie noch nie. Zudem dürfen Böller und Raketen nicht verkauft werden. Viele HAZ-Leser haben uns ihre Meinung zu dem Thema geschrieben – die meisten würden sich strengere Verbote wünschen. Sie kritisieren vor allem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, das ein pauschales Feuerwerksverbot in Niedersachsen gekippt hatte. Leser Jens Mau: Armutszeugnis für die Verantwortlichen: Das soll ein Böllerverbot sein? Die Ausweisung einiger weniger Zonen, in denen das Abbrennen von Feuerwerk verboten werden soll, wird nichts bringen. Nehmen wir Hannovers Südstadt als Beispiel: Neben dem Bertha-von-Suttner-Platz gibt es zahlreiche weitere Plätze, breite Straßen, Parks. Dort darf dann also weiter rumgeballert werden. Wie man mit so einer Maßnahme zum Ziel kommen will, ist mir schleierhaft. Ein Armutszeugnis für die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung. Jens Mau, Hannover Leser Christian Fleer: Es lässt sich gerichtlich kippen: Zunächst einmal finde ich ein Böllerverbot super. Nur leider bekommen wir das ja nicht! Die egoistischen und rücksichtslosen Menschen in unserem Land haben gelernt, dass sich sämtliche Einschränkungen, die ja eigentlich im Interesse der gesamten Gesellschaft beschlossen werden, gerichtlich kippen lassen. Beispiele finden sich mehr als genug, sei es beim Datenschutz, der Maskenpflicht, dem Umweltschutz oder im Straßenverkehr. Und auch beim Feuerwerk muss nun auf gerichtliche Anordnung etwas genehmigt werden, was das gesamte restliche Jahr über sogar streng verboten ist. Wer soll das noch verstehen? Lesen Sie auch: Hier ist Böllern in der Region Hannover verboten Abgesehen davon, dass sich die Feuerwerksfreunde nun gezwungenermaßen in die Natur zurückziehen müssen, wo sie Tiere verängstigen und der Müll – den sie ja schon in der Stadt nicht selbst wegräumen – die nächsten Jahre liegen bleiben wird. Wie will man dort wirksam kontrollieren, ob nicht doch mehr als fünf Personen zusammenkommen? Zur Rechenschaft wird man übrigens nicht gezogen, denn gegen die eigentlich fälligen Bußgelder kann man ja mit guten Erfolgsaussichten klagen. Ich bin noch gespannt auf die einstweiligen Verfügungen, mit denen bis Silvester die Verbotszonen zusammengeschrumpft werden. Zur Not durch die obersten Gerichte unseres Landes, die ja nichts Wichtigeres zu tun haben. Christian Fleer, Hannover Leserin Angelika Rothenburg: Alles andere als konsequent: Warum nur auf belebten Plätzen und nicht überall? Das heißt also: Außerhalb darf geböllert werden. Da, wo keiner kontrolliert – oder fährt die Polizei aufs Land oder in den Wald? Was für eine Inkonsequenz. Böller haben sich die Leute eh schon besorgt. Und die Tiere haben auch keinen Rückzugsort. Tolle Entscheidung. Angelika Rothenburg, Berlin Leser Norbert Wolf: Andere Länder leben gut ohne Böllerei: Chapeau! Ihr Autor hat den Unsinn auf den Punkt gebracht – ich würde sogar sagen: Schwachsinn. Übrigens leben die meisten unserer europäischen Nachbarn ganz gut mit böllerlosen Silvesternächten, und von Aufständen des Böllerproletariats in diesen Ländern hat man auch noch nie etwas gehört. Norbert Wolf, Hannover Lesen Sie auch: Das sind die 50 Böllerverbotszonen in der Landeshauptstadt Hannover Leser Ralf Beisner: Es kommt nicht in allen Köpfen an: Mit Bestürzung habe ich erfahren, dass trotz der brisanten Corona-Zeit das Oberverwaltungsgericht Lüneburg das Böllerverbot für Niedersachsen in diesem Jahr aufgehoben hat. Als älterer Mitbürger, der sich strikt an alle Regeln hält, frage ich mich, wie es in diesem Land und in dieser Zeit möglich ist, einerseits zu diesem Thema eine Klage einzureichen und andererseits durch einen Gerichtsbeschluss dieser Klage stattzugeben. Was muss noch passieren, damit in allen Köpfen ankommt, wie heutzutage zu handeln ist? Die Krankenhäuser arbeiten ganz hart am Limit, es wird die Triagefrage diskutiert ... Und dann wird entschieden, dass durch das Silvesterfeuerwerk eine zusätzliche Überlastung der Krankenhäuser billigend in Kauf genommen wird. Ralf Beisner, Bad Bramstedt Leser Eckhard David: Entfremdet von der Lebenswirklichkeit: Natürlich ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts falsch, dem Normenkontrolleilantrag gegen das Böllerverbot stattzugeben. Das Bundessprengstoffrecht regelt nur die spezifischen Gefahren der Explosivmittel und nicht die „Fernwirkungen“ des Böllerns, erlaubt also landesrechtliche Ergänzungen. Und gegen nachbarschaftliche Verbrüderungsszenen zum Jahreswechsel anlässlich des Böllerns gibt es kein anderes praktikables Mittel als das Böllerverbot. Geht man der Frage nach, warum Richter dazu kommen, solch einen Unsinn zum wiederholten Male zu produzieren, kommt man an ihrem Werdegang, ihrer Auswahl, ihrer Sozialisation nicht vorbei, die den der Lebenswirklichkeit entfremdeten Nur-Juristen begünstigen. Lesen Sie auch: Böllerverbot zu Silvester in Hannover: So will die Polizei kontrollieren Früher war es üblich, den Realitätssinn von Richterinnen und Richtern in einem „Landjahr“ in der Kommunalverwaltung zu stärken. Wer hat das abgeschafft? Auch sollte man bei der Bewerberauswahl, die derzeit der Examensnote zu viel Raum verschafft, praktische Intelligenz und eine Verwaltungsausbildung vor dem Studium stärker gewichten. Das wäre ein Hoffnungsweg. Eckhard David, Hannover Leser Joachim Kopatzki: An der Situation weit vorbei: Zwei Meldungen an einem Tag: 31. 300 neu an Covid-19 Infizierte, 702 an oder mit Covid-19 Gestorbene – und eine Gerichtsentscheidung des Oberlandesgerichts Lüneburg. Ein Anwalt hatte, offensichtlich ohne von einem Mandanten beauftragt zu sein, gegen die Verordnung des Böllerverbotes des Landes Niedersachsen geklagt, die besagt, dass dieses Jahr landesweit nicht „geböllert“ werden soll. Begründung der Verordnung: Es sollen die Krankenhäuser nicht noch zusätzlich mit Patienten belastet werden, die sich beim Böllern verletzen. Sehr vernünftig und angemessen. Doch die Richter sagen Nein! Begründung: „ein derartig umfassendes Verbot wäre als Infektionsschutzmaßnahme nicht notwendig“. Lesen Sie auch: Was Silvester in der Region Hannover erlaubt ist und was nicht Das geht so weit an der momentanen Wirklichkeit vorbei, dass einem der Kamm schwillt. Wir haben eine ernste Situation, die Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal in den Krankenhäusern arbeiten bis an den Rand der Erschöpfung, kämpfen um das Leben Tag und Nacht, helfen, wo sie können. Manchmal leider vergeblich, sie sehen den Tod und das Leid, das das Virus verbreitet. Ältere Menschen in Pflegeheimen sind hochgradig gefährdet und müssen in Kliniken behandelt werden. Die Zahl steigt fast stündlich. Triage ist kein Tabu mehr. Operationen, die verschoben werden können, finden zum Teil nicht mehr statt. Da ist doch jede (!) Entlastung – und mag sie auch noch so klein sein – für das Gesundheitssystem willkommen und gerechtfertigt. Liebe Richter, nehmt eine Maske, geht einfach mal in ein Krankenhaus, sprecht mit dem Personal und seht die Realität – und dann denkt nochmals darüber nach. Könnte helfen. Dem Rechtsanwalt, der offensichtlich von einem positiven Zeitproblem geplagt ist, ein Tipp: In jedem Gesundheitsamt oder in jeder Verwaltung ist kompetente Hilfe, auch zeitweise, zurzeit sehr willkommen. Dann schafft man es auch in die Medien, aber als jemand, der hilft und der die Gesellschaft unterstützt. Joachim Kopatzki, Laatzen Leser Jörn Rath: Vernünftige Entscheidung: Das Gericht hat eine richtige und vernünftige Entscheidung getroffen. Das vom Land ausgesprochene allgemeine Verbot war überzogen und mit dem Infektionsschutz nicht glaubwürdig zu begründen. In meinem Garten trägt Feuerwerk zum Infektionsgeschehen genauso wenig bei wie andere Aktivitäten, die ich dort durchführen kann. Auch Verletzungen, die eine Intensivbehandlung im Krankenhaus erfordern, sind bei in Deutschland zugelassenem Feuerwerk nicht zu erwarten. Bei dem ebenfalls im Verbot eingeschlossenen Ganzjahresfeuerwerk wie Knallerbsen schon gar nicht. Die Äußerung von Herrn Bullerdiek (Thorsten Bullerdiek, Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Anm. d. Red.) setzt jeden Feuerwerkszünder mit alkoholisierten Menschengruppen gleich. Das ist Quatsch und ärgert mich. Oder ist für ihn jeder Silvesterzündler ein alkoholisierter Chaot? Regelungen zu Kontaktbeschränkungen und Menschenansammlungen gibt es längst. Jörn Rath, Seelze Leser Wolfgang Mundt: Nicht mehr zeitgemäß: Das generelle Verbot für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern war eine deutliche und unmissverständliche Regelung. Wenn nun aber nur der Verkauf verboten bleibt, wird der Schwarzmarkt für Böller und Raketen boomen, denen man ja nicht ansieht, wann und wo sie gekauft wurden. Dieses Aufweichen des ursprünglichen Verbots wird sicherlich von vielen Menschen wiederum missverstanden, und entsprechend werden dann Einschränkungen, die die zulässige Anzahl von Personen und Haushalten betreffen, weniger beziehungsweise gar nicht ernst genommen. Gruppenansammlungen wären Silvester zu befürchten, und erhöhte Infektionszahlen sowie eine Verlängerung des Lockdowns wären die Folge. Die Diskussion, ob Silvester mit einem Abbrennen von legalen und illegalen Böllern im Sekundentakt und entsprechender Belastung von Mensch und Umwelt überhaupt noch zeitgemäß ist, sollte man auch bald führen. Aber im Zuge der aktuellen Pandemie wäre zunächst für diesen Jahreswechsel ein für alle gültiges Verbot von Knallkörpern eine klare und nachvollziehbare Regelung. Wolfgang Mundt, Hannover Veröffentlichungen in dieser Rubrik sind keine redaktionelle Meinungsäußerung. Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen. Bei allen Einsendungen bitten wir um Angabe der vollständigen Absenderadresse. Wollen auch Sie uns Ihre Meinung mitteilen? Dann schreiben Sie uns auf diesem Weg. Leserin Bärbel Schulz: Zweifel an der Rechtsprechung: Ich habe viele Jahre auf der Unfallchirurgie gearbeitet, viele Jahre Silvester und Neujahr, mitten im Zentrum von Hannover. Wie können Richter zu dem Entschluss kommen, dass zu erwartende Feuerwerksverletzungen nicht zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen? Haben diese Richter schon mal im Krankenhaus gearbeitet, einen Menschen versorgt, der sich beide Hände schwer verletzt hat, weil er den Knaller nicht früh genug weggeworfen hat, von Chirurgen versorgt werden musste und durch die Verletzungen nicht mal alleine essen, zur Toilette gehen oder sich selbst waschen konnte? Das Krankenpflegepersonal kümmert sich um jeden Menschen. Alle Ärzte bitten, nein, sie flehen, die Knallerei sein zu lassen. Egal, wo im Krankenhaus, hier arbeiten alle an der Grenze – und dann heißt es, die kurzzeitig gebundenen Behandlungskapazitäten würden nicht die erforderlichen Kapazitäten von Covid-19-Patienten reduzieren. Es gibt auch noch andere kranke Menschen, die versorgt werden müssen, Schlaganfälle, Herzinfarkte und so weiter. Nach mehr als 40 Jahren als Krankenschwester finde ich diese Äußerungen und Entscheidungen mehr als fragwürdig, da zweifele ich wirklich an unserer Rechtsprechung. Bärbel Schulz, Wedemark Von red