Filmtipps für den Lockdown von Hannovers Kino-Experten

Die schönsten Orte, um einen Film so richtig zu genießen, sind wegen des Lockdowns geschlossen: Die Kinos. Zu Hause, abseits der ausgesuchten Kinoprogramme, kann man da auf der Suche nach dem richtigen Film zwischen Streamingdienst und Fernsehen schnell den Überblick verlieren. Deswegen haben wir die gefragt, die sich wirklich mit guten Filmen auskennen: Hannovers Kinomacher und -macherinnen. In unserer neuen Reihe „Filmtipps für den Lockdown“ verraten sie ihre persönlichen Geheimtipps in den Kategorien Komödie, Nervenkitzel, Von der Kritik gelobt und Familienfilm – für ein bisschen Kinogefühl in den eigenen vier Wänden. Komödien: Ein Sturz von der Brücke und ein ungehobeltes Verwirrspiel: „Sag Du es mir“ von Michael Fetter Nathansky – Sag Du es mir, lieber Zuschauer: Was ist hier eigentlich passiert? Was erzählt dieser Film? Wer sagt die Wahrheit, wer lügt? Und warum? Eine wunderbare Panoramaeinstellung zu Beginn: Hochhäuser, eine Brücke über die Havel – und kaum zu erkennen: der Sturz! Einer stößt, eine fällt ins Wasser. Opfer und Täter ganz weit weg. Doch dann kommen sie uns näher. Gute Komödien kommen ohne eine gewisse tragische Komponente nicht aus. Und es ist auch komisch, wenn man als ,Kinobesucher’ nicht so recht weiß, wie der Hase eigentlich läuft. Denn wir sehen das Geschehen dreimal, aus drei Perspektiven. Schon mehrmals gab es in der Filmgeschichte Beispiele, die die Wahrheit des Erzählten in ähnlicher Art hinterfragten, ,Rashomon’ von Akira Kurosawa wäre ein Beispiel. Regisseur und Autor Fetter Nathansky macht das natürlich ganz anders, erzählt seine wunderbar schräge Geschichte mit skurrilen Figuren (tollen Darsteller*innen) und herrlichem Wortwitz. ,Unbedingt anschauen!’ (Radiobremen)“ (Ralf Knobloch-Ziegan, Kino im Künstlerhaus) Der Film ist über die Website des Kino im Künstlerhaus abrufbar. „One Cut of the Dead“ von Shin'ichirô Ueda– „Japanische Zombiekomödie auf diversen Metaebenen. Ein wildes, ziemlich ungehobeltes Verwirrspiel des japanischen Regisseurs Shin'ichirô Ueda, das geradezu virtuos mit japanischen Kulturkreisen und Zombiefilm-Stereotypen jongliert und die Lachmuskeln mit gnadenlos intelligent choreographierten Situationen beansprucht. Inhaltsangabe? Auf keinen Fall! Lediglich sei erwähnt, dass der Film nicht nur 30 Minuten dauert.“ (Wiebke und Johannes Thomsen, Lodderbast) Der Film ist bei verschiedenen Streamingdiensten verfügbar und auf Blu-ray und DVD erhältlich. Nervenkitzel: Die Antithese zum deutschen Heimatfilm und ein schwedischer Folklore-Trip: „Midsommar“ von Ari Aster – „Schwedischer Folklore-Trip, der die Grenzen und Möglichkeiten des Horror-Genres neu auslotet. Was Regisseur Ari Aster (Hereditary) zunächst wie einen klassisch gestrickten Teenager-Schocker aussehen lässt, ist die meisterhaft modern erzählte Geschichte von Ureinwohnern und Eindringlingen in einem kleinen schwedischen Dorf. Eine spannende Hommage an die Splatterfilme von Altmeister Herschell Gordon Lewis aus den 1960er-Jahren, deren stilbildendes Merkmal die Inszenierung bei strahlendem Sonnenschein ist. (Wiebke und Johannes Thomsen, Lodderbast) Der Film ist im Abo von Amazon Prime enthalten, bei verschiedenen Streamingdiensten verfügbar und auf Blu-ray und DVD erhältlich. „Schlaf“ vonMichael Venus – „Es gibt allen anderslautenden Einschätzungen zum Trotz auch in Deutschland ein großartiges Genrekino. Schlaf ist der Beweis. Der Film erzählt von Marlene, dargestellt von Sandra Hüller, die unter schweren wiederkehrenden Albträumen leidet. Gemeinsam mit ihrer Tochter Mona reist sie in ein seltsames Hotel in einem kleinen abgelegenen Dorf, um der Ursache ihrer Ängste auf die Spur zu kommen. Es beginnt ein filmischer Trip in die Abgründe nicht nur der Familiengeschichte, sondern auch der deutschen Geschichte. Ein atemberaubender Horror beginnt. Drehbuchautor Thomas Friedrich: ,Schlaf ist meine Antithese zum deutschen Heimatfilm. Der Film konfrontiert den Heimatfilm mit dem, was er verdrängt hat, dem Schrecken, der bedrückenden Ahnung um ein dunkles, schwermütiges Herz. Die Heimat trifft auf ihre eigene Natur und Geschichte, den Horror – Heimathorror.’“ (Ralf Knobloch-Ziegan, Kino im Künstlerhaus) Der Film ist über die Website des Kino im Künstlerhaus abrufbar bei Salzgeber. Hier Lesen Sie Teil 1 unserer Serie „Filmtipps für den Lockdown“. Von der Kritik gelobt: Ein fulminantes Gerichtsdrama und eine Hommage an „La Dolce Vita“: „The Trial of the Chicago 7“ von Aaron Sorkin – „Chicago im August 1968. Der Parteitag der Demokraten ist Anlass für Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und gegen die herrschende Politik. Ein fulminanter Höhepunkt der 68er-Proteste in den USA. Friedens- und Bürgerrechtsaktivisten hatten zu einem ,Festival of Life’ aufgerufen, das von der Chicagoer Polizei mit äußerster Gewalt und Repression beantwortet wird. Tagelange Straßenschlachten sind die Folge. 1969 – mittlerweile ist Nixon neuer amerikanischer Präsident – werden acht vermeintliche Rädelsführer als Staatsfeinde und Verschwörer vor Gericht gestellt. Das Verfahren gegen den Black Panther Bobby Seale wird kurzfristig ausgegliedert – und es bleiben die ,Chicago 7’: darunter der ,Yippie’ Abbie Hoffman und die Aktivisten Tom Hayden und Jerry Rubin. – Regisseur und Autor Aaron Sorkin liefert ein fulminantes (Gerichts-)Drama, das von einer zutiefst gespaltenen Nation – und damit auch von den USA heute - erzählt.“ (Ralf Knobloch-Ziegan, Kino im Künstlerhaus) Der Film ist im Abo von Netflix enthalten. „La Grande Bellezza“ von Paolo Sorrentinos– „Paolo Sorrentinos (Loro, Il Divo, Ewige Jugend) Hommage auf Federico Fellinis ,La Dolce Vita’, die mit dem Oscar, dem Golden Globe und dem BAFTA ausgezeichnet wurde, ist eine elektrisierende Momentaufnahme der römischen High Society der 2010er-Jahre. Die Hauptrolle spielt Toni Servillo, der für seine Darstellung des Protagonisten Jep Gambardella den David und den Europäischen Filmpreis als bester Hauptdarsteller erhielt.“ (Wiebke und Johannes Thomsen, Lodderbast) Der Film ist im Abo bei Arthouse CNMA enthalten, bei verschiedenen Streamingdiensten verfügbar und auf Blu-ray und DVD erhältlich. Familienfilm: Eine Reise ins Zauberland: „Chihiros Reise ins Zauberland“ von Hayao Miyazaki– „Im Kino im Künstlerhaus lief 2020 unter dem Titel Sushikino eine sehr spannende Retrospektive zum Japanischen Kino. Einen der wunderschönsten Anime-Filme (Zeichentrick!) des weltberühmten Regisseurs Hayao Miyazaki haben wir zweimal versucht ins Programm zu nehmen. Zweimal hat uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nun gibt es doch tatsächlich ,Chihiros Reise ins Zauberland’ bei Netflix zu sehen. Obwohl dieser Film auf die große Leinwand gehört, sei er an dieser Stelle empfohlen! Diese Form des ernsthaften Erzählens im Genre des Animationsfilms, das sowohl Kinder als auch Erwachsene anspricht, ist ziemlich einmalig in der Filmgeschichte. Lassen Sie sich entführen ins Zauberland, aber auch in eine Welt, die von menschlicher Gier und Umweltzerstörung bedroht ist.“ (Ralf Knobloch-Ziegan, Kino im Künstlerhaus) Der Film ist im Abo von Netflix enthalten und auf Blu-ray und DVD erhältlich. Von Alina Stillahn