GOP Hannover: Der "Zauberer von Oz" als Hörfassung

Die Enttäuschung ist noch da. Wenn Knut Gminder und Jens Eckhoff über ihren „Zauberer von Oz“ sprechen, klingt es mal traurig, mal trotzig und mal resigniert nach dem Motto „Wir haben doch alles richtig gemacht“. Haben sie. Sie haben das berühmte Stück von Lyman Frank Baum für das GOP in ein Familienmusical umgewandelt, zeitgemäß, frisch, jugendlich und so, dass Kinder ihren Spaß haben und Eltern nicht einschlafen. So sollte es sein vom 6. November bis Mitte Januar. Alles war bereit, dann kam der Lockdown, und die Bühne im Georgspalast blieb dunkel. Dass sich diese so kurzfristig ausgebremste Vorfreude jämmerlich anfühlt, mehr noch als ein bereits gespieltes Stück abzubrechen, kann man nachvollziehen. „Wir haben sogar noch die Generalprobe gespielt – ohne Publikum“, sagt Gminder. Dann war Schluss, und auch die Hoffnung auf eine Premiere Anfang Dezember zerschlug sich bald. „Das war wirklich frustrierend.“ Ein Hörbuch als Therapie: Und trotzdem haben Regisseur Gminder, Komponist Eckhoff und der Musicalcast das Beste aus der schlechten Situation gemacht und das Bühnenstück in ein Hörspiel verwandelt. „Das war für uns Therapie“, sagt Eckhoff, „wir mussten einfach was machen, für uns und den Cast, damit sich das irgendwie gelohnt hat. Einige Leute hatten sich Wohnungen hier genommen.“ So gibt es nun eine leicht gekürzte Fassung auf Doppel-CD. Sie ist bei den hannoverschen Buchhandlungen Mascha Kascha und Sternschnuppe, im Netz sowie auf den gängigen Streamingportalen zu haben. In rund 95 Minuten hört man frische Musik, die sich nicht in Musicalklischees verliert, sondern eher im Pop zwischen Elektro, Dance und Hip-Hop zu Hause ist und ab und zu mal ein bisschen von Eckhoffs erfolgreicher musikalischer Vergangenheit durchscheinen lässt: Unter dem Namen Jean-Michel Tourette spielte der Hannoveraner bei Wir sind Helden Keyboard und Gitarre und war für so manchen Hit verantwortlich. Früher Vogelscheuche, jetzt Vogelscheuchin: Das passt zu Gminders Fassung der Kinderbuchgeschichte von Lyman Frank Baum. Die hat immerhin 120 Jahre auf dem Buckel und erlangte 1939 durch den Film mit Judy Garland in der Hauptrolle des Mädchens Dorothy Weltruhm. Gminder hat kernig modernisiert und Bezüge zu aktuellen Themen eingebaut. Aus der Vogelscheuche wird eine Vogelscheuchin, und die Hexe, sagt Gminder, „ist eigentlich gar nicht böse, sie hat nur ein Aggressionsproblem“. Da, wo Songtexte und Dialoge im Hörspiel nicht alles ersetzen können, was das Ensemble auf der Bühne spielt, hilft Synchronsprecher Arndt Schmöle aus. So wird das Stück auch akustisch zu einem Ganzen. „Die Idee, dass man zumindest die Musik veröffentlicht, gab es schon von Anfang an“, erläutert Gminder, „aber ein Hörspiel war nicht geplant. Wir haben nicht dran geglaubt, dass es ausfällt. Wir haben es uns schöngeredet.“ Lesen Sie auch: GOP-Geschäftsführer fordert mehr Hilfe vom Staat „Wollten was haben, das bleibt“: Wegen Corona und der Gefahr der Aerosol-Verbreitung beim Singen habe man aber die Chöre während der Proben aufgenommen, um sie auf der Bühne einzuspielen. Als sich dann gegen Ende der Proben abgezeichnet habe, dass es tatsächlich keine Aufführungen geben würde, nahm Eckhoff auch alle Sprechtexte auf. So war die Grundlage für eine Hörspielfassung gegeben. „Wir wollten was haben, das bleibt.“ Gminder ist froh, seine Idee einer Videoproduktion verworfen zu haben. Das Stück sei zwar ein „unfassbar visuelles Ding“, aber Feuerjonglage und Luftartistik im Video zu sehen, bilde das Liveerlebnis nicht ab. „Und bei einem Hörbuch kann sich jeder in seiner eigenen Fantasie in dieses Oz reindenken.“ Eine neue Erfahrung: Für Musiker Eckhoff war die ungeplante Produktion eine echte Erfahrung. „Ich hatte das völlig unterschätzt“, sagt Eckhoff, der viel Erfahrung mit Popalben hat, aber bei der Kombination von Musik, Dialog und Geräusch noch mal ganz neu denken musste. Immerhin: viel gelernt. „Das war sehr spannend“, sagt er. Spannend ist auch, wie es weitergeht. Zu sehen soll es diesen Zauberer von Oz schließlich auch geben, als Wintermusical 2021/22 auf der GOP-Bühne. So jedenfalls ist die Planung. An den Akteuren soll es nicht liegen. „Es wollen alle“, sagt Eckhoff, „aber wir fahren auf Sicht. Wir müssen abwarten, was die Mutante aus England dazu sagt.“ Von Uwe Janssen