Gegen Obdachlosigkeit: Demo Sonst besetzen wir zieht durch Hannover

Das eher linksautonome Spektrum in Hannover hat sich am Sonnabend zu einem Protest wegen der Situation der Obdachlosen in der Stadt zusammengefunden. Aus Sicht der Teilnehmer ist die Unterbringung von Obdachlosen in Hannover menschenunwürdig. Seit etwa einem Monat plakatiert die Initiative allerorten in Hannover ihren Slogan „Sonst besetzen wir“. An diesem Sonnabend gab es zunächst eine Kundgebung auf dem Opernplatz und anschließend einen Demonstrationszug durch die Innenstadt, die Nordstadt und Linden. „Sonst besetzen wir“: Demo in Hannover: Gegen 13.30 Uhr hatten sich etwa 500 Demonstranten am Opernplatz eingefunden, alle trugen Masken und achteten auf Abstand. Angekündigt war, dass Teile der Initiative im Anschluss ein leer stehendes Haus besetzen wollen, um Menschen ohne Obdach Wohnungen zu bieten. Der Stadt war eine Frist bis Anfang Dezember gesetzt worden, um mehr Raum für selbstständiges Wohnen zu bieten. Die Stadt hat zwar – auch auf Druck etablierter Hilfsorganisationen –neue Projekte angeschoben, nach Ansicht der Demonstranten aber reicht das nicht. Tatsächlich machten die Demonstranten ihre Ankündigung wahr und besetzten ein Haus an der Schulenburger Landstraße. Besetzung angedroht: Wegen der Androhung der Besetzung war die Polizei mit ungewöhnlich vielen Einsatzkräften vor Ort. Die Stimmung war am Nachmittag zunächst aber relativ entspannt. Die Versammlungsleiter ließen sich über die Regeln unterrichten. Derweil wurde der Slogan kurz vor der Demo geändert. Er lautet jetzt nicht mehr „Sonst besetzen wir“, sondern „Jetzt besetzen wir“. „Lieber Häuser besetzen ...“: Bei der Auftaktkundgebung sagten Sprecherinnen des Arbeitskreises Kritische Sozialarbeit Hannover: „Lieber Häuser besetzen als Menschenrechte verletzen.“ In Hannover stünden Wohnhäuser leer, während Menschen sich in Notschlafstellen drängeln müssten. Wohnungslosigkeit habe viele Gründe. In einem der reichsten Länder der Erde sei es nicht hinnehmbar, dass Menschen auf der Straße leben müssten. Den Satz von Oberbürgermeister Belit Onay, in Hannover müsse niemand auf der Straße schlafen, empfinde man als „Zynismus“. Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin der Roten Hilfe Hannover. Es gebe vielfältige Demütigungen und Repressionen gegen Wohnungslose – von der Vertreibung aus Innenstädten bis zum Umbauen von Bänken, um Schlafplätze zu blockieren. Bei der Kundgebung waren auch die Linksjugend, die Rote Hilfe Hannover, das Solinet, die Antifa und andere politische Initiativen vertreten. Bei Zwischenkundgebungen auf dem Weißekreuzplatz und am Klagesmarkt gab es Wortbeiträge. Eine Sprecherin appellierte an die Anwohner am Weißekreuzplatz, mit auf die Straße zu kommen. „Zuhause bleiben kann nur, wer eine Wohnung hat.“ Widerspruch gegen Besetzungsplan: Bei den etablierten Sozialorganisationen und einigen Wohnungsloseninitiativen ist die Ankündigung, Häuser für Obdachlose zu besetzen, zuletzt auf wenig Gegenliebe gestoßen. Man sei zwar unzufrieden mit dem unzureichenden Engagement der Stadt, sagte etwa Reinhold Fahlbusch vom Obdachlosenverein Stimme der Ungehörten (Stidu). Die Mittel müssten aber legal sein. Bei der Demo hingegen war weitgehend Konsens, dass leerstehende Häuser zum Wohnen umgenutzt werden können – egal, wem sie gehören. Die Dinge „selber in die Hand zu nehmen ist legitim, auch wenn es den Herrschenden nicht gefällt“, hieß es in einem Wortbeitrag. „21 Plätze reichen nicht“: Dass die Stadt Hannover angekündigt hat, ein Haus in Döhren mit 21 Schlafplätzen bereitzustellen und für 2021 weitere 70 Plätze schaffen will, reiche nicht, hieß es von den Kritischen Sozialarbeitern. In Hannover leben nach übereinstimmender Einschätzung von sozialen Einrichtungen gut 4000 Menschen ohne Wohnung. Obdachlosigkeit sei kein individuelles Versagen, sondern eines des Gesellschaft, hieß es in einem Redebeitrag. Lesen Sie auch: „Sonst besetzen wir“: Transparent am Wohnungsamt der Stadt Hannover Initiative will in Hannover Häuser für Obdachlose besetzen Hannover: Neues Projekt soll Obdachlosen wieder auf die Beine helfen Von Conrad von Meding