Großeinsatz in Hannover zu Maskenpflicht: Polizei, Üstra und Regiobus kontrollieren

In der Corona-Krise geht es jetzt auch um Details. Schnell eine Zigarette rauchen oder kurz ins frische Brötchen beißen, nur kurz mit dem Handy telefonieren oder einen Schluck trinken: Auch diese menschlichen Bedürfnisse entbinden zurzeit nicht von der angeordneten Maskenpflicht – zumindest nicht an Haltestellen und auf Bahnsteigen, ja nicht einmal in Wartezonen von Bus und Bahn oder auf Geschäftsstraßen entlang der Ladenzeilen. Das haben am Mittwoch anlässlich eines Großeinsatzes von Sicherheitskräften zahlreiche Passanten und Fahrgäste oft überrascht festgestellt. „Das wusste ich nicht“, sagte eine junge Frau. Sie war nach einem Biss in ein Brötchen auf ihren kurz abgesetzten Mund-Nasen-Schutz hingewiesen worden. Hunderte Sicherheitskräfte sind im Einsatz: Hunderte Polizisten sowie Mitarbeiter und Sicherheitskräfte der Deutschen Bahn, der Üstra und von Regiobus waren am Mittwoch in der Innenstadt sowie in der gesamten Region Hannover unterwegs, um die Einhaltung der Maskenpflicht zu überprüfen. „Es geht uns nicht um Bußgelder, sondern um den Infektionsschutz“ – mit dieser Aussage hatte der Präsident der Polizeidirektion (PD) Hannover, Volker Kluwe, am Morgen den Startschuss für den Großeinsatz gegeben. Der Aktionstag sei schwerpunktmäßig auf das Verhalten von Fahrgästen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ausgerichtet, sagte Kluwe beim Auftakt auf dem Ernst-August-Platz am Hauptbahnhof. Dorthin waren auch Vertreter der Beförderungsunternehmen sowie der Bundespolizei gekommen, um die besondere Bedeutung des gemeinsamen Großeinsatzes zu erläutern. „Wir wollen ein deutliches Zeichen setzen und an die Bevölkerung appellieren, eine Mund-Nasen-Bedeckung überall dort zu tragen, wo Menschen auf engstem Raum zusammenkommen“, sagte Kluwe. Deshalb würden die Einsatzkräfte vor allem Bereiche an Haltestellen, auf Bahnsteigen sowie in Wartezonen wie etwa vor dem Hauptbahnhof ins Visier nehmen. Allein die Landespolizei war deshalb mit mehr als 200 Einsatzkräften in der gesamten Region unterwegs. „Wir wollen mit den Menschen reden, an die Vernunft appellieren, erinnern und uneinsichtige Menschen auch ermahnen sowie ihre Verstöße ahnden“, sagte Kluwe. In der Bevölkerung besteht noch großer Aufklärungsbedarf: Eine wichtige Erkenntnis der vergangenen Wochen bestätigte sich auch am Mittwoch wieder: In der Bevölkerung bestehen immer noch ein großer Aufklärungsbedarf und viel Unsicherheit hinsichtlich der Reichweite und Gültigkeit der Maskenpflicht. „Ich bin Asthmatiker und darf meine Maske absetzen, wenn ich Atemnot bekomme“, sagte etwa ein Fahrgast ohne Mund-Nasen-Schutz in der U-Bahnstation am Kröpcke bei einer Kontrolle. Er zeigte den Polizisten aber nicht das erforderliche Gesundheitszeugnis, sondern nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. „Das reicht nicht für eine Befreiung von der Maskenpflicht, besorgen Sie sich eine Bescheinigung des Hausarztes“, sagte eine Polizistin und bat ihn, seinen Schutz aufzusetzen. Immer wieder zogen Passanten und Fahrgäste beim Anblick der Einsatzkräfte auch verschämt ihren halbherzig aufgesetzten Schutz über die Nase. „Manchmal reicht ein Hinweis, die meisten Leute sind einsichtig“, sagt eine Polizistin. In welchen Bereichen der Öffentlichkeit das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gilt, darüber wird noch mehr diskutiert, seit das Verwaltungsgericht am Dienstag bemängelt hatte, dass die Verordnung der Region Hannover zu vage formuliert sei. „Das ändert aber nichts an der Verordnung, dass in Fußgängerzonen und Geschäftsstraßen die Maskenpflicht gilt“, hatte Polizeipräsident Kluwe am Morgen noch einmal betont. Um die Unklarheiten bezüglich von Mischgebieten mit Geschäfts- und Bürohäusern zu beseitigen, werde die Region nachbessern und in der Verordnung Straßennamen ergänzen. Das Verwaltungsgericht hatte ohnehin entschieden, dass bis dahin eine Befreiung von der Maskenpflicht nur für die Kläger der vorangegangen Verfahren gelte. Aktion dauerte bis zum frühen Abend: Damit auch Pendler und Fahrgäste im Feierabendverkehr mit der Aktion erreicht wurden, dauerte die Kontrollaktion bis zum frühen Abend. Eine Polizistin zog eine Zwischenbilanz: „90 Prozent der Menschen sind einsichtig, andere haben ihren Mund-Nasen-Schutz nur kurz abgesetzt oder vergessen, ihn aufzusetzen“, sagte sie. Ein Fazit wollen die Beamten am Donnerstag ziehen. Die Reaktion der Ermahnten ist aber für die Einsatzkräfte auch wichtig. Das betonte Polizeipräsident Kluwe: „Wenn jemand bewusst gegen die Maskenpflicht verstößt, sind Bußgelder von 30 Euro bis hin zu 25.000 Euro für Geschäftsleute in schweren Fällen möglich.“ Möglich sei es bei großem Aggressionspotenzial auch, die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu verbieten. Außerdem sprechen die Einsatzkräfte Platzverbote aus und bringen Randalierer notfalls in Polizeigewahrsam. Unwissenheit schützt nicht vor Strafe: Dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, stellte Polizeisprecher Michael Bertram klar: „Die Verordnungen und Allgemeinverfügungen werden über die Medien bekannt gemacht und sind im Internet abrufbar, darüber kann man sich informieren.“ Dass dies nicht immer getan wird, zeigte sich aber auch: Kaum waren die Einsatzkräfte vorübergehend nicht zu sehen, waren an vielen Ecken wieder Raucher ohne Maske zu sehen – und Passanten, die lässig am Geländer einen heißen Kaffee genossen. In der Innenstadt von Hannover sowie in der gesamten Region geht die Anzahl der Verstöße gegen die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen deutlich zurück. Bei der zweiten groß angelegten Kontrollaktion seit September haben die Sicherheitskräfte von Polizei, Deutscher Bahn, Üstra und Regiobus am Mittwoch innerhalb von vier Stunden regionsweit nur 465 Fahrgäste ohne den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz registriert. Anfang September hatten Beamte der Polizeiinspektionen Hannover, Burgdorf und Garbsen nach einem etwa sechsstündigen Einsatz mit der Üstra und dem Sicherheitsdienst Protec noch von rund 5000 Verstößen in Bussen und Bahnen sowie in den Stationen und an Haltestellen berichtet. Laut Polizeisprecher Martin Richter wurden am Mittwoch im Stadtgebiet von Hannover an den Haltestellen, auf Bahnsteigen und in Wartezonen in der Zeit von 10 bis 14 Uhr insgesamt 342 Fahrgäste wegen eines nicht aufgesetzten Mund-Nasen-Schutzes ermahnt. In 77 Fällen leiteten die Sicherheitskräfte ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit ein. Im Gebiet der Umlandkommunen gab es laut Polizei 31 ermahnenden Ansprachen und 15 Ordnungswidrigkeiten. Der überwiegende Teil der Bevölkerung halte sich inzwischen an die Maskenpflicht und sei für die Problematik sensibilisiert, sagte Richter. Die Akzeptanz für die Kontrollen der Einsatzkräfte sei ebenfalls relativ hoch. Eine ähnliche Entwicklung hat auch die Bundespolizei im Bereich des Hauptbahnhofes beobachtet. Das berichtete am Mittwoch der Vizepräsident der Bundespolizeidirektion Hannover, Michael Schuol. Im vergangenen Monat sei deutlich geworden, dass nur etwa ein bis 2 Prozent der Reisenden nicht bereit seien, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Die Bundespolizei hat demnach innerhalb der vergangenen vier Wochen zwar rund 3800 Ermahnungen wegen eines Verstoßes ausgesprochen. Davon seien aber nur 58 Fälle wegen einer notwendigen Geldbuße an die zuständige Gesundheitsbehörde weitergeleitet worden. Bei 19 Zwischenfällen sei die Bundespolizei von Sicherheitskräften und Mitarbeitern der Beförderungsunternehmen um Hilfe von Vollzugsbeamten gebeten worden. Nur zwölfmal mussten die Bundesbeamten deshalb Platzverweise aussprechen. Lesen Sie auch: Üstra: 5000 Verstöße gegen die Maskenpflicht in Hannover registriert Wo gilt Maskenpflicht in Hannover? Bevölkerung ist laut Polizei unsicher Verwaltungsgericht hebt Maskenpflicht in Hannover für zwei Kläger auf Von Ingo Rodriguez