Vogelgrippe infiziert Menschen: Droht die nächste Pandemie, Prof. Osterhaus?

Am Wochenende ist bekannt geworden, dass die Vogelgrippe vom Subtyp H5N8 von Tieren auf den Menschen übertragen worden ist. Dies sei weltweit das erste Mal der Fall, sagte Russlands oberste Amtsärztin Anna Popowa am Sonnabend im Staatsfernsehen. Sieben Mitarbeiter einer Geflügelfarm im Süden des Landes seien im Dezember erkrankt. Was das bedeutet, erklärt Professor Albert Osterhaus im Interview. Der Veterinärmediziner und Virologe gilt als einer der Entdecker des SARS-Coronavirus und ist international anerkannt für seine Forschung zum Virus H5N1 – einem weiteren Subtyp der Vogelgrippe. Prof. Osterhaus, in Russland sollen erstmals Menschen an dem H5N8-Virus erkrankt sein. Sind wir jetzt schon mit der nächsten Pandemie konfrontiert, während die SARS-CoV-2-Krise noch gar nicht vorbei ist? Derzeit ist nicht bekannt, dass sich das Virus H5N8 effizient von Mensch zu Mensch übertragen lässt. Wenn das so wäre und wenn es beim Menschen zu schlimmen Krankheiten kommen könnte, wäre eine weitere schwere Pandemie nicht auszuschließen. Wir haben lange am Vogelgrippevirus H5N1 geforscht, das für verschiedene tödliche Ausbrüche bei Geflügel und oft tödliche Fälle beim Menschen im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts verantwortlich war. Auch dieses ist noch nicht von Mensch zu Mensch übertragbar, allerdings laut unseren Ergebnissen nur eine Handvoll Mutationen davon entfernt sich effizient von Mensch zu Mensch ausbreiten zu können. Was ist denn eigentlich die Vogelgrippe? Es ist eine Krankheit bei Vögeln, die durch ein Influenzavirus verursacht wird. Die Vogelgrippe wird normalerweise von Zugvögeln verbreitet und über deren Kot in Ställe hineingetragen, und so wird Geflügel wie Puten oder Hühner infiziert. Die Buchstaben H und N sind eine Referenz für die Oberflächenproteine des Virus, derzeit sind 16 H- und neun N-Typen der Vogelgrippe-Influenza bekannt, die sich miteinander kombinieren können. Subtypen des Virus H5 und H7 sind sind für Zugvögel meistens wenig pathogen, also krankheitserregend, können aber bei Hühnern oder Puten zu tödlichen Varianten mutieren. Und wie schädlich ist das Vogelgrippe-Virus für den Menschen? Der Typ H5N1 ist sehr gefährlich für Menschen, es wirkt vor allem in den Atemwegen. Von etwa 1000 infizierten Menschen, die im Krankenhaus behandelt wurden, sind mehr als 500 gestorben. Das Virus H5N8, das jetzt in Russland von Tier auf Mensch übergesprungen ist, soll bisher eher milde Krankheitsverläufe hervorrufen. Ob das so bleibt, kann man nicht mit Sicherheit sagen, mit derartigen Prognosen muss man sehr vorsichtig sein, da es möglich ist, dass das Virus mutiert. Für die Herstellung von Impfungen gegen Influenzaviren braucht man Eier. Ist die Produktion in Gefahr, wenn es nun einen Vogelgrippe-Ausbruch gibt, Millionen Tiere sterben und der Transport von Eiern aus Schutzgründen gegen die Ausbreitung des Virus komplizierter wird? Auch das ist nicht auszuschließen. Noch werden etwa 90 Prozent der Grippeimpfstoffe mithilfe von Bruteiern hergestellt. Und ein Huhn legt eben nur ein Ei am Tag und kann nicht auf einmal 20 legen wenn der Bedarf steigt. Die Impfstoff-Industrie und die Forschung sind allerdings bereits dabei, Alternativen zu finden. Ich war an einem Projekt beteiligt, das ein Verfahren entwickelt hat, um Impfstoffe aus Insektenzellen zu produzieren. Das wird nun auch bei einem Corona-Impfstoff angewandt, der noch in der Entwicklung ist. Aufgrund der Corona-Pandemie hat die Forschung mehr Ressourcen zur Verfügung, um sich mit der Entwicklung von Impfstoffen zu befassen, das ist wahrscheinlich das einzig Gute an der Pandemie. Lesen Sie auch: TiHo-Virologe Albert Osterhaus zieht Bilanz nach einem Jahr Coronavirus Gibt es Impfstoffe gegen die Vogelgrippe, die man vorsorglich einfach den Tieren in den Ställen geben kann? Das wäre wahrscheinlich ein Kampf gegen Windmühlen. Es gibt tatsächlich erfolgreiche Impfstoffe gegen Vogelgrippeviren, allerdings für Vögel. In bestimmte Ländern wie Thailand oder den USA wurden und werden die Tiere in den Ställen sogar vorsorglich geimpft. Das ist aber angesichts der Anzahl der Ställe und Geflügel weltweit allerdings nicht sonderlich erfolgversprechend um die Verbreitung dieser Viren zu bekämpfen. Es wurde sogar gezeigt, dass die Impfung von Geflügel gegen die Vogelgrippe aufgrund einer Maskierung des Problems eher zur Ausbreitung der Vogelgrippe beitragen kann. Von Nadine Wolter

H5N8-Vogelgrippe - Gefahr für nächste Pandemie? Prof. Osterhaus im Interview