HAZ-Kommentar: Silvester geht ohne Feuerwerk – aber eine Alternative wäre schön

Wenn zum Jahreswechsel die großen Dinge ausbleiben, erfreut man sich umso mehr an den kleinen. Statt Zehntausende Raketen in den Nachthimmel zu senden, haben viele Hannoveraner in der Silvesternacht zu Wunderkerzen gegriffen. Das war weniger spektakulär. Aber irgendwie anrührend. Und es verschaffte dem zarten Schein der Sprühkerzen eine Wirkung, die sonst im Geknalle und Geballere untergeht. Silvester ohne Feuerwerk? Hannover braucht Alternativen: Geht Jahreswechsel also auch ohne großes Feuerwerk? Die Diskussion um die Böllerei hat in den vergangenen Wochen an Schärfe zugenommen, und das liegt auch daran, dass sie im Verdacht steht, etwas unlauter geführt zu werden. Zwar gibt es gute Gründe, in einer Pandemie Verkaufsverbote für Silvesterfeuerwerk auszusprechen und Böllerverbotszonen zu erlassen. Natürlich befördert alkoholgeschwängerte, ausgelassene Feierei auf den Straßen das Infektionsrisiko, und natürlich sind die Notaufnahmen froh über jeden, der nicht mit Feuerwerksverletzungen eingeliefert wird. Aber man ahnt: Die Pandemie diente denen als willkommener Anlass, der Böllerei einen Riegel vorzuschieben, denen sie ohnehin zunehmend als lästige, sinnlose, lärmende Luftverschmutzung gilt. Laut Umfragen ist das längst die Mehrheit. Lesen Sie auch: So war die Silvesternacht 2020 in Hannover Eine wirklich lange Tradition hat die Silvesterknallerei nicht. Vor allem aber hat sie zwischenzeitlich Dimensionen angenommen, die über jedes Maß eines Freudenfeuers hinausschossen. An mancher hannoverschen Straßenecke wurden Böllerbatterien für Hunderte Euro in die Luft gejagt. Die Schönheit des Raketenfeuerwerks hat von Jahr zu Jahr abgenommen. Das berichten durchgehend die HAZ-Fotografen, die stets versuchen, stimmungsvoll Silvesterbilder über der Stadt abzulichten. Dafür ist der Nebel jedes Jahr dichter geworden. Viel Rauch also um Nichts? Böllerdebatte: Ein Riss in der Gesellschaft: Man kann die Böllerdebatte als Indiz für einen weiteren Riss in der zunehmend spürbaren gesellschaftlichen Spaltung sehen. Liebgewonnene Traditionen hier, der Ruf nach Veränderung dort. Beides darf man nicht unterschätzen. Traditionen, gemeinsame Erlebnisse und Bräuche gehören zum Kitt, der Gesellschaft zusammenhält. Andererseits gibt es keinen Fortschritt, wenn alles so läuft wie immer – und gute Gründe, das Böllern zu verbieten, gäbe es viele. Nur: Die Fronten derartiger Debatten drohen derart zu verhärten, dass oft kaum noch ein Gespräch möglich ist. Böllerfreude fühlen sich zunehmend ins Abseits gedrängt, Böllerverächter fühlen sich moralisch überlegen. Es ähnelt Debatten wie ums Fahrradfahren, um Flugreisen oder Flüchtlingsfragen. Dieser Jahreswechsel war eine Sondersituation, in jeder Hinsicht. Schön wäre es, daraus nicht automatisch ein generelles Böllerverbot abzuleiten. Verbote taugen nicht dazu, Menschen zu überzeugen. Besser sollte Hannover für das nächste Silvester eine Alternative schaffen. Eine zentrale Veranstaltung, etwa auf dem Maschsee. Wenn dann hoffentlich Abstandsregeln keine Rolle mehr spielen, könnten Zigtausende dort eine gemeinsame Lichtschau am Himmel erleben. Eine Lasershow auf dem Maschsee? Es muss ja kein Feuerwerk sein – denn das wäre absurd, in einer Stadt, die sich dem Umwelt- und Klimaschutz verschrieben hat. Aber erinnert sich jemand an die spektakuläre Lasershow 2014 zum 25. Jahrestag der Einheit auf dem Maschsee? Hunderttausende haben an den Seeufern mitgefeiert. Vielleicht muss ja auch nicht die Stadtverwaltung solch ein Fest organisieren. Vielleicht können das ja die Bürgervereine tun, etwa der Freundeskreis, mithilfe von Sponsoren. Hannover würde damit in der nächsten Silvesternacht ein Signal aussenden: Schaut her, wir blicken nach vorne. Wir stiften Gemeinsinn, wir agieren mit Angeboten statt mit Verboten. Und bieten ein stimmungsvolles Spektakel für alle, die das neue Jahr mit buntem Licht und Gänsehautmomenten empfangen wollen. Das wäre ein gutes Projekt für 2021. Von Conrad von Meding