50 Jahre „Tatort“: Der erste Fall wurde in Hannover gedreht

Der Kriminalhauptkommissar war eher ein behäbiger Typ. Ein ziemlich dröger Kerl von gutmütiger Bärbeißigkeit. So tappste Paul Trimmel vor 50 Jahren durch den allerersten „Tatort“. In der legendären Episode „ Taxi nach Leipzig “ ermittelte der Hamburger Polizist, gespielt vom 1985 verstorbenen Walter Richter, undercover in einem deutsch-deutschen Drama in der DDR. Die Erstausstrahlung am 29. November 1970 erwies sich als Sternstunde des deutschen Fernsehens, der „Tatort“ avancierte bald zum sonntäglichen Ritual, das vor dem Start in die neue Woche Gut und Böse wie in einem Abendgebet noch einmal neu sortiert. Gedreht wurde die erste Folge unter anderem in Hannover. Dreh an der Tiergartenstraße: „In Leipzig zu filmen war zur Zeit der deutschen Teilung unmöglich“, sagt der Publizist Achim Uhlenhut, der sich intensiv mit der Geschichte der Üstra beschäftigt. Und darum spielte im ersten „Tatort“ der beigefarbene Üstra-Triebwagen 174 eine Leipziger Straßenbahn. Und Kirchrode spielte Leipzig. Gedreht wurde am 28. August 1970. Ein Sonderzug fuhr an jenem Tag vom damaligen Betriebshof Kirchrode zur Endschleife am Stadtrand. Als Linie und Ziel war „14 Markkleeberg“ am Wagen angegeben, obwohl es in Leipzig nie eine Linie 14 nach Markkleeberg gab. Die Werbeflächen am Üstra-Waggon waren dezent überklebt; schließlich hatten die kapitalistischen Produkte des Klassenfeindes nichts im Leipziger Stadtbild zu suchen. Die Dreharbeiten gingen an der Schleife auf Höhe der heutigen Haltestelle Ostfeldstraße der Linie 5 über die Bühne – mit einem heute bescheiden anmutenden technischen Aufwand. Ein Kameramann und ein Aufnahmewagen waren aus Hamburg gekommen, Schauspieler und ein paar Statisten bevölkerten den Drehort. Die Üstra stellte Bahn und Personal: „Die markanten rot-weißen Straßenbahnen aus Hamburg hätten zu offensichtlich nicht nach Leipzig gepasst“, sagt Üstra-Chronist Uhlenhut. 41 Sekunden Fernsehgeschichte: Der Schaffner Heinrich Dettmer, wegen gelegentlicher Filmeinsätze betriebsintern auch „Millowitsch“ genannt, und Üstra-Fahrer Heinrich Beiße sind im Film zu sehen. Man hatte ihnen Leipziger Stadtwappen auf die grauen Ärmel genäht. In der Szene steigt Ermittler Trimmel in die Leipziger Bahn und bezahlt für die Fahrt („Zum Wilhelm-Leuschner-Platz“) mit Ostgeld. „Die Kameraführung war so geschickt, dass die Tiergartenstraße nicht als ein Stück Westdeutschland zu erkennen war“, sagt Uhlenhut. Dass Hannover 1987 Leipzigs Partnerstadt werden würde, ahnte damals noch niemand. Dass die Üstra lange nach der Wiedervereinigung einmal ihre TW-3000-Bahnen aus Leipzig beziehen würde, auch nicht. Der Triebwagen aus dem Film wurde im Mai 1976 verschrottet. Ein baugleiches Modell, hergestellt um 1928, steht bis heute auf dem Döhrener Betriebshof und kommt noch immer bei Oldtimerfahrten zum Einsatz. Die „Tatort“-Sequenz made in Hannover dauert in dem 88 Minuten langem Film gerade 41 Sekunden. Zwischen 1974 und 1977 ermittelte dann Hauptkommissar Heinz Brammer (Knut Hinz) in vier Hannover-„Tatorts“. Danach trat erst 2002 mit Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) wieder eine Hannover-Ermittlerin auf den Plan. Doch dank der Gastrolle im allerersten Film hat Hannover in der „Tatort“-Geschichte einen Ehrenplatz. Von Simon Benne

Hannover: 50 Jahre "Tatort" - die erste Folge wurde teils in Kirchrode gedreht