Hannover: Feiern auf Kosten des Steuerzahlers? Landesrechnungshof kritisiert Ratsfraktionen

Eine Klausurtagung für 27.000 Euro, Partys auf Kosten des Steuerzahlers, Geschenke aus der Fraktionskasse. Gehen Ratspolitiker mitunter zu lax mit den städtischen Zuschüssen um? Der Landesrechnungshof jedenfalls ist dieser Ansicht. Er hat jetzt zehn niedersächsische Kommunen unter die Lupe genommen, darunter Hannover. „Die Fraktionen verwenden die ihnen zur Verfügung gestellten Zuwendungen nicht in allen Fällen korrekt“, schreiben die Landesrechnungsprüfer in ihrem Bericht. Die Fraktionen finanzierten aus ihrem Budget sowohl „Ausgaben ohne Bezug zur Fraktionsarbeit“ als auch „gesellige Veranstaltungen“. Der Bund der Steuerzahler ist verärgert und spricht von Verschwendung von Steuergeld. Jetzt sollen in Hannover neue Richtlinien für die Fraktionszuschüsse erarbeitet werden. Acht Fraktionen bekommen 2,4 Millionen Euro jährlich: Jede Kommune kann Fraktionen und Gruppen Zuschüsse für die Geschäftsführung gewähren, so sieht es die niedersächsische Kommunalverfassung vor. Damit soll die politische Arbeit der Mandatsträger erleichtert werden. Alle Ratsmitglieder sind ehrenamtlich tätig, sie bekommen lediglich eine Aufwandsentschädigung. Wie viel Geld die Fraktionen erhalten, dürfen Städte und Gemeinden selbst festlegen. In Hannover richtet sich die Höhe der Zuschüsse nach der Größe der Fraktionen. Eine große Fraktion bekommt mehr Geld als eine zweiköpfige Mini-Fraktion. Nach Angaben des Landesrechnungshofs haben alle acht Fraktionen im hannoverschen Rat in den Jahren 2017 und 2018 im Durchschnitt knapp 2,4 Millionen Euro bekommen. Das Gros entfiel auf Personalkosten in den Fraktionsgeschäftsstellen. Parteienwerbung finanziert aus öffentlichen Mitteln: Es ist aber nicht die Höhe der Fördermittel, die der Landesrechnungshof moniert, sondern deren missbräuchliche Verwendung – und dabei wird Hannover immer wieder genannt. „In der Spitze rechnete beispielsweise eine Fraktion der Landeshauptstadt Hannover für eine einzelne Fraktionsklausur einen Betrag von mehr als 27.000 Euro ab“, heißt es in dem Bericht. Zudem würden regelmäßige Feiern und alkoholische Getränke aus den Fördertöpfen finanziert. „Ebenso zahlten Fraktionen zum Teil unübliche und damit unangemessene Trinkgelder aus ihren öffentlichen Zuwendungen“, schreiben die Rechnungsprüfer. Sie kritisieren weiterhin, dass Politiker Präsente an Dritte aus der Fraktionskasse bezahlten, etwa Blumensträuße, Bücher, Gutscheine und andere Waren. Kopfschütteln bei den Prüfern verursacht außerdem, dass manche Fraktionen Wahlwerbung für ihre jeweilige Partei aus dem städtischen Budget finanzieren. „Haushaltsmittel dürfen nicht der Finanzierung von Parteien und Wählergemeinschaften dienen“, betonen die Rechnungsprüfer. Welchen Parteien die kritisierten Fraktionen jeweils angehören, lässt der Bericht des Landesrechnungshofs offen. „Ratsfraktionen bedienen sich beliebig aus der Stadtkasse“: Der Bund der Steuerzahler ist verärgert und spricht von Steuergeldverschwendung. „Ratsfraktionen bedienen sich offensichtlich beliebig aus der Stadtkasse, und eine regelmäßige Finanzkontrolle durch die Verwaltung findet nicht statt“, sagt Bernhard Zentgraf, Vorsitzender des Steuerzahlerbunds Niedersachsen-Bremen. Für die Ratspolitik müssten die gleichen Regeln gelten wie für jeden Sportverein, der städtische Zuschüsse bekommt. Ratspolitiker weisen jede Schuld von sich, räumen aber ein, dass es genauere Richtlinien geben müsse, wofür öffentliches Geld ausgegeben werden darf. Die Fraktionsspitzen haben jetzt eine Arbeitsgruppe gebildet. Für den neuen Rat, der sich nach der Kommunalwahl im September konstituiert, wollen sie klare Regeln aufstellen. Die Stadtverwaltung sitzt mit am Tisch. Grüne: Wir sammeln für jeden Blumenstrauß: „Klar ist: Wir müssen mit Steuergeld ordentlich umgehen“, sagt SPD-Fraktionschef Lars Kelich. Die SPD betreibe schon immer eine ordentliche Buchführung, betont er. Auch die CDU wünscht sich mehr Kontrolle und hat sogleich einen Sparvorschlag. „Die Stadt könnte sich die Mietzuschüsse für die Fraktionsgeschäftsstellen sparen, wenn sie Räume im Rathaus anbietet“, meint CDU-Fraktionschef Jens Seidel. Die Grünen betonen, dass sie für jeden Blumenstrauß Geld unter ihren Mitgliedern sammeln. „Unser Anspruch muss sein, dass alles seinen ordentlichen Weg geht“, sagt Grünen-Fraktionschef Daniel Gardemin. Sein Kollege von der FDP, Wilfried Engelke, meint: „Ich bin dafür bekannt, knauserig zu sein.“ Von Andreas Schinkel