Hannover: Historisches Museum gibt Vorgeschmack auf neue Dauerausstellung

Was ist Heimat? Auf diese Frage gibt es vermutlich so viele Antworten, wie es Menschen gibt. Im Historischen Museum stehen immerhin fünf Möglichkeiten zur Auswahl: „Eine Mentalität“, „Eine Erinnerung“, „Ein Gefühl“, „Ein Ort“ und „Bedeutungslos“. Besucherinnen und Besucher können darüber abstimmen, indem sie Chips in Schlitze werfen. Hinter der Wahlurne hängt eine alte Schullehrtafel, auf der die Ströme der Heimatvertriebenen aus dem Osten illustriert sind. In einer Vitrine steht daneben ein Tonband, das für einen türkischen Gastarbeiter in den Sechzigerjahren in Hannover besondere Bedeutung hatte: „Als Telefonieren noch schwierig war, schickte er damit aufgenommene Nachrichten in sein Heimatdorf“, sagt Andreas Fahl, stellvertretender Direktor des Historischen Museums. Was Heimat genau ist, erkennt man vielleicht erst, wenn sie fehlt. Museum ab 2025 im neuen Gewand: Die neue Ausstellung „Ausblicke – Einblicke“ zeigt im Historischen Museum jetzt, wie die Zukunft eben dieses Museums selbst aussehen könnte. „Wir wollen einen Vorgeschmack auf unsere neue Dauerausstellung geben“, sagt Direktor Thomas Schwark. Eigentlich wurde das Museum ganz unabhängig von Corona vor einem Jahr geschlossen – für Bauarbeiten, die bis jetzt noch nicht begonnen haben. Immerhin ist mittlerweile die Finanzierung der 31 Millionen Euro teuren Komplettsanierung gesichert. Ein neues Depot für die Kunstschätze soll an der Vahrenwalder Straße bis 2023 errichtet werden. Wenn alles glatt geht, kann zum Kirchentag 2025 wenigstens ein Teil der neuen Dauerausstellung fürs Publikum zugänglich sein. Beginnen sollen die Bauarbeiten nun voraussichtlich Ende des Jahres, sagt Schwark. Mit diesem Zeitplan ist es nun möglich, im Haus jetzt zumindest eine neue Sonderausstellung zu zeigen: Bis die Sanierung beginnt, bietet „Ausblicke – Einblicke“ schon jetzt eine Anmutung von der Umgestaltung, allerdings vorerst nur virtuell. Wann die Corona-Situation die reale Öffnung möglich macht, weiß noch niemand. So gesehen erlebt das wiedereröffnete Museum ein Comeback mit angezogener Handbremse. Geschichte in sieben Kapiteln: Die alte Dauerausstellung des Hauses war weitgehend chronologisch geordnet. Die künftige, gestaltet vom Stuttgarter Architekturbüro Demirag, soll – ebenso wie jetzt „Ausblicke – Einblicke“ – nach sieben Themenfeldern gegliedert sein. Beim Komplex „Stadtrundgang“ geht es um die Entwicklung der City, beim Thema „Typisch Hannover?!“ ist unter anderem ein Kanaldeckel mit Stadtwappen zu sehen. „Heimat“ kreist um Migration und Verwurzelung, und unter der Überschrift „Adel verpflichtet“ wird unter anderem jene Krone präsentiert, die 1878 auf dem Sarg von Hannovers letztem König Georg V. lag. Man begegnet in der Schau der legendären Kurfürstin Sophie, unweit davon hängt ein Werbeplakat für die Messe aus den Fünfzigern, und ein Modell der 1938 niedergebrannten Synagoge erinnert unter dem Rubrum „Stadtprominenz“ an deren berühmten Baumeister Edwin Oppler. Das alles fügt sich zu einem bunten Mosaik hannoverscher Identität. An verschiedenen Stationen können Besucher ihre Meinung zu den Museumsplänen abgeben. Triumph in Waterloo: Ein monumentales Schlachtengemälde mit Soldatengetümmel und Pulverdampf erinnert daran, dass Waterloo für Hannover ein großer Triumph war. „Viele waren einst stolz darauf, dass sie bei dieser entscheidenden Schlacht dabei waren“, sagt Museumsmitarbeiterin Eva Heesen, die sich mit der Abteilung „Hannovers Geschichte“ beschäftigt. „Darin geht es um einschneidende Ereignisse und Umbrüche“, sagt die Kuratorin. Die Kutschenhalle soll auch künftig ein Herzstück des Museums bleiben, die sieben Themenfelder werden vor allem in den beiden Stockwerken darüber entfaltet. Im zweiten Obergeschoss soll die Dauerausstellung dann unter dem Titel „Drei Zimmer, Küche, Bad“ Hannovers historische Wohnwelten präsentieren. Als Vorgeschmack ist in der aktuellen Ausstellung ein gutbürgerliches Schlafzimmer aus der Zeit um 1910 zu sehen, inklusive Waschtisch und Spitzendecken auf dem Doppelbett. „Darin zeigt sich auch ein gewachsenes Bedürfnis nach Intimsphäre“, sagt Kurator Andreas Fahl, „bis weit ins 19. Jahrhundert hinein hatte die Masse der Bevölkerung keine separaten Schlafzimmer.“ Wieder ein Indiz dafür, dass früher nicht alles besser war. Im Historischen Museum hofft man, dass „Ausblicke – Einblicke“ möglichst bald wenigstens freitags, sonnabends und sonntags besucht werden kann – wahrscheinlich mit Voranmeldung. Bis es soweit ist, gibt es online Einblicke in die Ausstellung auf http://ex.musdig.org/ausblicke-einblicke. Vom April an soll es auch Onlineführungen geben. Informationen dazu gibt es unter (0511) 16843945. Das Museum sucht Fotos aus hannoverschen Wohnungen, von der WG über Einfamilienhäuser bis zu Seniorenresidenzen, die in die Ausstellung integriert werden sollen. Zuschriften an buchungen.hmh@hannover-stadt.de. Von Simon Benne