Hannovers geniale Tüftler: Der VDI wird 150 Jahre alt

Es war die Zeit des großen Aufschwungs: Um 1870 entstanden Hannover wichtige Firmen wie die Döhrener Wollwäscherei und die Conti. Heimische Produkte wie Hanomag-Lokomotiven, Lindener Samt und später auch Schallplatten der Deutschen Grammophon eroberten die Weltmärkte. Die Reichsgründung von 1871 befeuerte die Entwicklung. „Der große Markt mit einer einheitlichen Währung stand den jungen Unternehmen offen, die regionale Industrie boomte“, sagt der Technikhistoriker Uwe Burghardt. In dieser Phase hoben ein paar Pioniere 1870 den hannoverschen Ableger des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) aus der Taufe. Der Bezirksverband Hannover, dem heute 4500 Mitglieder angehören, wollte das 150-jährige Bestehen eigentlich mit zahlreichen Veranstaltungen im großen Stil feiern, doch aufgrund der Corona-Pandemie konnte vieles nur online stattfinden. „Schrittmacher der Industrie“: „Vor 150 Jahren wurde der VDI rasch zu einem Netzwerk“, sagt Historiker Burghardt, der sich zum Jubiläum mit der Geschichte der Institution befasst hat. Ingenieure knüpften dort Kontakte zu städtischen Behörden oder zur preußischen Staatsbahn. „Bei der Entwicklung Hannovers zum Industriestandort wurde der VDI so schnell zum Schrittmacher“, sagt Gerhard Poll vom VDI-Vorstand. Die Fabrikanten und Ingenieure, die in den ersten Jahren an der Spitze von Hannovers VDI standen, waren weltoffen und wirtschaftsliberal – und unter ihnen waren geniale Tüftler. Der erste VDI-Vorsitzende Edmund Heusinger von Waldegg konstruierte Steuerungen für Dampfloks und Durchgangswaggons für D-Züge. Diese hatten einen Gang im Inneren; Zugpersonal musste sich nun nicht mehr außen an Trittbrettern entlanghangeln. Zollstöcke aus Hannover: Conrad Bube, in den 1870er-Jahren mehrfach VDI-Chef, vertrieb weltweit „Hannoversche Zollstöcke“, präzise Gliedermaßstäbe aus Holz, mit denen sich Entfernungen in Metern, Fuß oder russischen Längeneinheiten messen ließen. Gemeinsam mit Albert Knoevenagel und dem Metallbauunternehmer Louis Eilers gründete Bube 1873 in Hannover den Verein zur Überwachung der Dampfkessel (DÜV), einen Vorläufer des heutigen TÜV. Erich Metzeltin, der VDI-Chef 1916 und wieder 1946 war, stellte um 1900 die öffentlichen Pferdestraßenbahnen in Heilbronn, Tiflis und Santiago de Chile auf elektrischen Betrieb um. Ilse Knott-ter Meer, Tochter des Hanomag-Direktors Gustav ter Meer, war eine der ersten graduierten Maschinenbau-Ingenieurinnen Deutschlands und 1925 erstes weibliches VDI-Mitglied. Und Otto Taaks, VDI-Vorsitzender 1886, plante große Bauprojekte wie die Pelikan-Werke, die Döhrener Wolle und wurde 1904 Mitbegründer des Deutschen Museums in München. Bis heute fördert der VDI technische Forschung – und initiiert Projekte, die Kinder und Jugendliche für Technik begeistern. So zeigt er regelmäßig bei der Ideen-Expo Flagge. Die genialen Erfinder der frühen Jahre hätten wohl ihre Freude daran. Von Simon Benne