Interview: Bauen wir in Hannover zu teure Wohnungen, Herr Klaus?

Herr Klaus, die Preise fürs Wohnen steigen überall in Hannover spürbar, und bei den neuen Mietshausbauten kommen vor allem teure Wohnungen mit mehr als 10 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter an den Markt. Wird es langfristig so viel Nachfrage nach teurem Wohnraum geben? Es kann tatsächlich sein, dass im höheren Preissegment bald eine Grenze erreicht ist. Derzeit werden viele Wohnungen fertiggestellt, die bei 14 und 15 Euro Kaltmiete liegen. Die Anzahl derer, die sich so etwas leisten können, ist in Hannover limitiert. Immerhin liegt der Kreis der Haushalte, die Anspruch auf den erweiterten Wohnberechtigungsschein haben, bei etwa 70 Prozent. Baurechte für 10.000 neue Wohnungen in Hannover: Muss die Wohnungswirtschaft dann nicht gegensteuern und preiswerter bauen? Ja, das muss sie auf jeden Fall. Es ist aber im Moment sicherlich der falsche Augenblick für eine finale Beurteilung, wie groß die Nachfrage nach Wohnraum in Hannover ist. Pandemiebedingt halten sich die Menschen derzeit mit der Suche nach neuem Wohnraum eher zurück. Die Stadt Hannover war sehr fleißig, was das Schaffen der Voraussetzung für neuen Wohnraum betrifft: In den vergangenen Jahren wurden Baurechte für 10.000 Wohneinheiten geschaffen. Und man sieht ja überall, wie die neuen Wohnquartiere wachsen, etwa im Vitalquartier, im Buchholzer Grün, am Mittellandkanal und jetzt auch in der Wasserstadt und am Kronsberg. Wir müssen im nächsten Jahr genau beobachten, wie sich die Nachfrage entwickelt. Sie vertreten ja das größte Wohnungsunternehmen in Hannover und sollten als kommunale Tochtergesellschaft vor allem dort Angebote machen, wo die Privatwirtschaft Lücken lässt. Kritik an zu hohen Mietpreisen hat es aber auch gegenüber der Hanova gegeben. Ich glaube, man muss das differenzierter sehen. Wir haben aktuell eine Durchschnitts-Kaltmiete in unseren Wohnungen von 5,84 Euro pro Quadratmeter. Wo wir neu bauen, entstehen teilweise 50 bis 70 Prozent der Wohnungen mit Förderung, sodass besonders günstige Mietpreise möglich sind für Menschen, die Anspruch auf geförderte Miete haben. Und von den frei vermieteten Wohnungen sind sehr viele unter 10 Euro im Angebot. Sie spielen auf den Neubau am Marstall an, wo es tatsächlich eine Galeriewohnung für über 17 Euro gab. Im gleichen Gebäude konnten Sie aber auch für knapp über 10 Euro mieten. Spreizung der Mieten verhindern: Aber sind solche Miethöhen vertretbar für ein kommunales Unternehmen? Ich stelle die Frage umgekehrt. Wir arbeiten mit öffentlichem Geld und haben den Auftrag, viel und angemessenen Wohnraum zu schaffen. Aber wenn ich in absoluter Toplage der Altstadt direkt am Ufer der Leine eine herausragende Wohnung habe, mit deren Einnahmen ich die preiswerten Wohnungen subventionieren kann: Wäre es dann nicht ein fahrlässiger Umgang mit den kommunalen Mitteln, wenn ich dann nicht den Mietpreis nähme, den ich erzielen kann? Insgesamt steht, glaube ich, außer Frage, dass die Hanova viel dafür tut, dass die Spreizung der Mieten am hannoverschen Wohnungsmarkt nicht zu groß wird. Ihr Unternehmen hat ja jahrelang kaum Neubauten errichtet, sondern sich auf die Verwaltung der kommunalen Wohnungen konzentriert. Inzwischen stellen Sie 400 Wohnungen im Jahr neu fertig, und die Politik fordert immer mehr. Stoßen Sie an Ihre Grenzen? Ja, wir werden in Zukunft an wirtschaftliche Grenzen stoßen. Aber nicht, weil wir schlecht wirtschaften. Wir bauen sehr viel neuen Wohnraum: Zwischen 2015 und 2023 werden wir 2060 Wohnungen neu errichtet haben, zusätzlich zu Schulen, Flüchtlingsheimen und Kitas. Weil wir viel und hochwertig bauen, wächst die Bilanzsumme deutlich – aber dadurch schrumpft relativ unser Eigenkapitalanteil. Das ist eine normale bilanzielle Reaktion, aber da kann man nachsteuern. Deshalb diskutieren wir mit unserem Gesellschafter, der Stadt und der Sparkasse Hannover, dass wir das Eigenkapital erhöhen müssen, wenn wir weiter bauen und dabei wirtschaftlich solide bleiben wollen. „Bundesweit ganz vorne“: Aus dem Umfeld Ihres Aufsichtsrats war zu hören, Ihnen stünde das Wasser bis zum Hals, Sie hätten kein Geld mehr für den Wohnungsbau. Solche Interpretationen sind sehr ärgerlich, weil sie einfach nicht stimmen. So etwas schafft sehr große Unruhe. Man sollte immer bedenken, wo wir herkommen. 2003/2004, damals hieß die Hanova noch GBH, ging es dem Unternehmen finanziell sehr schlecht. Damals mussten mehrere Tausend Wohnungen abgestoßen werden. Bis 2013 hat mein Vorgänger Dieter Cordes das Unternehmen hervorragend saniert. Damals hatten wir 13.200 Wohnungen, jetzt sind es wieder etwa 14.600, 2023 werden wir mehr als 15.200 haben. Mit diesem Projekt sind wir bundesweit ganz vorne unter den kommunalen Wohnungsgesellschaften. Aber unsere Anteilseigner müssen jetzt entscheiden, ob es nach 2023 so weitergehen soll. Holz-Modellsiedlung und Tiny-Houses: Die Wünsche aus der Politik sind groß. Zuletzt haben Sie 450 Wohnungen am Mühlenberger Canarisweg übernommen, die von Privatfirmen heruntergewirtschaftet worden sind, jetzt sollen Sie eine Holzbau-Modellsiedlung errichten mit Kaltmieten von 8 Euro. Schaffen Sie das alles? Am Canarisweg merken wir, was das Projekt für eine Verantwortung mit sich bringt. 450 Wohnungen, das ist größer als ein mittelgroßes Dorf. Dort wurde lange Zeit sehr wenig investiert, wir haben gleich zu Beginn einen Brand und ein Versagen der Warmwasserversorgung erlebt. Für die Mieter haben wir ein umfassendes Betreuungsprojekt aufgelegt. Unterm Strich sage ich: Ja, natürlich schaffen wir das. Und auch das Holzquartierprojekt wird eine spannende Herausforderung. Es verknüpft zwei völlig unterschiedliche Dinge, nämlich ressourcenschonendes Bauen mit preiswertem Bauen. Nach dem, was wir bis jetzt wissen, ist Holzbau in unserer Region nicht unbedingt billiger als konventioneller Bau, weil die Firmen sehr wenig Erfahrung damit haben. Aber wir werden uns der Aufgabe stellen. Und wir machen noch viel mehr. In Kürze werden wir Ihnen das Konzept für ein kleines Tiny-House-Quartier in Hannover präsentieren, das bereits im ersten Halbjahr des nächsten Jahres fertig sein soll. Was muss denn passieren, damit Sie einfacher preiswerten Wohnraum schaffen können? Als kommunales Unternehmen müssen wir glücklicherweise nicht so hohe Renditen erzielen wie die privaten Mitbewerber. Aber die technischen Auflagen sind heutzutage sehr hoch, und klar ist, dass wir nicht an der Qualität sparen wollen. Wenn wir aber trotzdem gute Wohnungen zu relativ niedrigen Preisen anbieten wollen, dann müssen wir alle uns von den teils sehr hohen Sondervorgaben trennen. Karsten Klaus (55) ist seit Oktober 2013 Geschäftsführer des kommunalen Bauunternehmens Hanova – bis 2018 hieß es GBH (Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover). Zum Unternehmensteil Hanova-Wohnen gehören mehr als 13.000 Wohnungen in der Stadt. Dem Unternehmensteil Hanova-Gewerbe sind mehrere Parkhäuser, Gewerbeimmobilien und Kitas zugeordnet. Im Unternehmen wird auch das ehemalige Expo-Ostgelände verwaltet, der heutige Expo-Park Süd. Was heißt das konkret? Sehen Sie: Am Kronsberg haben wir für das Neubauquartier Kronsrode am Gestaltungshandbuch mitgearbeitet, und ich bin sicher, dass das ein tolles neues Viertel wird. Und man sieht auch im Buchholzer Grün auf dem Gelände des ehemaligen Oststadtkrankenhauses, wo wir die gesamte Projektentwicklung gemacht haben und jetzt immer mehr Häuser fertig werden, wie wichtig eine gute Gestaltung ist. Aber man muss fragen dürfen, ob solche Ansprüche auch für Nachverdichtungen in der zweiten Reihe von Nachkriegsbauten am Stadtrand gelten müssen. Wir werden uns irgendwo auf Abstriche einigen müssen, wenn wir langfristig Mietwohnungen bauen wollen, die sich große Teile der Bevölkerung auch ohne Förderung leisten können. Von Conrad von Meding