Kommentar zum Haushalt der Stadt Hannover: Hoffnung auf Boom reicht nicht aus

Der Rat hat in dieser Woche einen Haushalt für Hannover beschlossen, der seinesgleichen sucht – und zwar im negativen Sinne. 200 Millionen Euro beträgt das Defizit für dieses Jahr, im kommenden Jahr kommen noch einmal 165 Millionen Euro dazu. Im vergangenen Jahr rutschte der Haushalt bereits mit 230 Millionen Euro ins Minus. Die Corona-Pandemie hat Hannover deutlich härter getroffen als die weltweite Finanzkrise 2008. Drohen magere Jahre? Angesichts solcher Zahlen ist zu fragen, ob Hannover jemals aus dem Jammertal herauskommt, zumal die Stadt noch immer einen Schuldenberg von knapp 1,7 Milliarden Euro vor sich her schiebt. Drohen jetzt viele magere Jahre, in denen Straßenschäden nur notdürftig repariert werden, in denen Schulen verfallen und öffentliche Bäder schließen müssen? So weit darf es nicht kommen. Tatsächlich versuchen Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und sein Kämmerer Axel von der Ohe (SPD) gegenzusteuern. Mehr als 500 Millionen Euro wollen sie in diesem und im kommenden Jahr in Schulen, Kitas und andere öffentliche Gebäude investieren – ebenfalls eine Rekordsumme. Aber wie lange kann das gut gehen, sich immer weiter zu verschulden? Höchste Zeit für einen Sparkurs: Onay und von der Ohe hoffen, auf zwei Arten aus der Schuldenfalle herauszukommen. Zum einen vertrauen sie auf ihr Konsolidierungsprogramm. Das hat zum Ziel, 90 Millionen Euro einzusparen – pro Jahr. Fast die Hälfte der Summe will die Stadtspitze durch eine sogenannte Aufgabenkritik erzielen: Was will die Verwaltung noch selbst erledigen, wovon will sie sich trennen? Seit Jahren kündigt die Rathausspitze ein solches Kehren im eigenen Haus an, ohne je die Kraft aufgebracht zu haben, es wirklich umzusetzen. Stattdessen wurden immer neue Stellen geschaffen, Dezernate umgestaltet, und die Personalkosten sind in die Höhe geschnellt. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass der Bund immer mehr Aufgaben an die Kommunen delegiert hat, ohne diese mit entsprechenden Finanzmitteln auszustatten. Dennoch: Es ist höchste Zeit, die Stadtverwaltung auf Sparkurs zu bringen. Trügerische Hoffnung auf Boom-Zeiten: Zum anderen hoffen Onay und von der Ohe, dass die Corona-Pandemie demnächst überwunden ist und sonnige Zeiten anbrechen. Das lässt sich daran ablesen, dass die Kämmerei ab dem kommenden Jahr wieder von steigenden Steuereinnahmen ausgeht. 2025 sollen sich die Erträge aus der Gewerbesteuer, Haupteinnahmequelle einer Kommune, wieder auf dem Vor-Krisen-Stand von 2019 befinden. Eine trügerische Hoffnung. Lesen Sie auch Hannover will Haushalt jährlich um 90 Millionen Euro entlasten Hannover: Rat beschließt 2,5 Milliarden-Haushalt Die Corona-Krise hat ganze Branchen an den Rand der Pleite und darüber hinaus getrieben. Große Gewerbesteuerzahler in Hannover wie Volkswagen Nutzfahrzeuge melden hohe Verluste, von kleineren Einzahlern wie Gastronomien, Einzelhandel und Veranstaltungsbetrieben gar nicht zu reden. Ob die Gewerbesteuereinnahmen schon im nächsten Jahr wieder nach oben klettern, ist mehr als fraglich. Bleibt der Boom aus, fällt das fragile Kartenhaus der Haushaltskonsolidierung zusammen. Kommunen brauchen verlässliches Finanzpolster: Das führt zu einem grundsätzlichen Problem: Noch immer sind Kommunen abhängig von Erträgen aus der Gewerbesteuer, und die schwanken je nach Konjunktur. Städte und Gemeinen brauchen aber ein verlässliches Finanzpolster, das ist in der Corona-Krise überdeutlich geworden. Wie das sichergestellt werden kann, muss auf Bundesebene geregelt werden. Vorstöße zur Reform der Gemeinde-Finanzierung sind zuletzt stets im Sande verlaufen. Wenn sich im Herbst ein neuer Bundestag zusammensetzt, sollte er einen neuen Anlauf starten. Bis dahin muss Hannover: sparen. Von Andreas Schinkel