Konzerte im Sommer? HAZ-Interview mit Hannover-Concerts-Chef Nico Röger

Herr Röger, im Februar 2020 haben Sie noch Konzerte veranstaltet. Dann kam Corona und für Sie der Stillstand. Wie ist der Stand ein Jahr danach? Wir sind nach wie vor in einer Art eingefrorenem Zustand und können weder vor noch zurück. Wir denken viel nach. sind sehr bemüht, aber wir sind leider noch weit weg von einer wirklichen Perspektive. Trotzdem klammern wir uns natürlich an Strohhalme und wappnen uns für die Zeit nach Corona, die hoffentlich bald kommt. Sie haben 2020 Ihre Belegschaft in Kurzarbeit geschickt. Sind noch alle an Bord? Das Kurzarbeitergeld hat uns sehr geholfen. Wir sind froh, dass wir alle Mitarbeiter, die im März 2020 bei uns beschäftigt waren, auch noch heute haben. Wir haben eine Jobgarantie ausgesprochen bis Ende 2021. Aber unser Ziel und Anspruch ist es, mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darüber hinaus weiterzumachen. „Wir haben alles in der Schublade“: Können Sie überhaupt irgendetwas konkret planen? Es gibt ja einen Stufenplan für Niedersachsen, an dem wir uns orientieren müssen. Der lässt Veranstaltungen, wenn überhaupt, nur bis zu einer bestimmten Größe zu. Es wird sicherlich im Sommer coronakonforme Konzepte geben, aber es ist noch zu früh, konkret zu planen, weil das Infektionsgeschehen in beide Richtungen ausschlagen kann. Aber wir haben alles in der Schublade und sind bereit. Wieder Autokonzerte auf dem Schützenplatz? Ich träume heute noch von Autohupen. Nein, im Ernst: Das wird es nicht mehr geben, aber es war im ersten Lockdown genau das richtige, die Leute haben das sehr gut angenommen. Aber es gibt wunderbare Gelände in Hannover, die wir gerade sondieren. Für die Gilde-Park-Bühne hatten wir schon im Winter gute Konzepte entwickelt und bereits Investitionen getätigt, die man auch im Sommer gut einsetzen kann. Aber auch hier gilt: Wir wissen aktuell nicht, mit wie vielen Besuchern wir planen können. Finanziell darstellbar nur bei voller Auslastung: Wann geht es denn realistischerweise weiter mit Hallenkonzerten? Wir hoffen, dass wir noch in diesem Jahr die coronakonformen Konzepte fahren können. Die richtige Rückkehr ins Livegeschäft erhoffen wir uns spätestens für den 1. Januar 2022. Wenn es schon im Herbst Möglichkeiten geben sollte – wir sind bereit, um loszulegen. Aber das hängt nicht nur von uns ab, sondern auch von den Künstlern. Mit internationalen Künstlern kann man derzeit nicht gut planen, da die Infektionszahlen und Einreisebestimmungen von Land zu Land unterschiedlich sind. Außerdem muss das finanziell darstellbar sein. Und das ist es eigentlich nur bei voller Auslastung der Locations ohne Abstand. Beschäftigen Sie sich mit Szenarien, die Eintritt nur für geimpfte Besucher vorsehen? Natürlich muss man sich damit beschäftigen, aber so lange nicht jeder die Chance hat, geimpft zu werden oder beispielsweise nicht geklärt ist, wie lange man mit Impfung immun ist, ist diese Diskussion verfrüht. Wir beobachten das weiter, wir beschäftigen uns auch mit Schnelltests oder mit der Studie über Corona-Spürhunde. Aber wenn wir über solche Szenarien reden, muss man auch klar sehen: Wir verkaufen derzeit keine neuen Shows, sondern verschieben nur Konzerte – deren Karten unter ganz anderen Bedingungen gekauft worden. Impfungen und Schnelltest waren zu diesem Zeitpunkt noch kein Thema. „Mit 20 Prozent Auslastung sind Stadionshows denkbar“: Ändert sich Grundsätzliches im Konzertgeschäft in Zukunft? Wir müssen die Situation als Neustart sehen. Die allgemeine Kostensituation wird nicht einfacher, und es bleibt abzuwarten, wie die Entwicklung weitergeht. Eintrittspreise, aber auch Künstlergagen spielen hier auch eine Rolle. Da die gesamte Branche im gleichen Boot sitzt, sehen wir bereits jetzt, dass es auf allen Seiten eine große Bereitschaft gibt, Kompromisse zu machen. Und noch mal: Unser Ziel ist es, wieder dahin zu kommen, wo wir vor Corona waren: befreit Kultur zu erleben. Nico Röger (34) ist seit 2014 Mitglied der Geschäftsführung von Hannover Concerts. Im März 2020 hat das Unternehmen die bisher letzten Hallenkonzerte ausgerichtet, seitdem sind mehrere Hundert Shows teils mehrfach verschoben oder abgesagt worden. Vor einem Jahr freuten sich die Fans noch auf das Gastspiel von Paul McCartney in der HDI-Arena, 2019 war das Jahr der Massenshows in Hannover. Konzerte in einem vollen Stadion scheinen jetzt geradezu utopisch. Voll ja, aber mit 20 Prozent Auslastung sind Stadionshows vielleicht denkbar – wir prüfen auch sowas. Man muss sehen, ob man das will, ob es sich lohnt, den Aufwand zu betreiben und das Risiko zu gehen. Ein zu einem Fünftel gefülltes Stadion erzeugt nun mal keinen Wow-Effekt. Mal abgesehen vom unternehmerischen Standpunkt. Fury in the Slaughterhouse sollte doch immer mal im Stadion spielen – und kommt im Frühjahr mit einem neuen Album. Wäre das eine Idee? Wer weiß, was die Zukunft bringt … Von Uwe Janssen