Laatzen: So fährt sich der neue Rennsimulator beim ADAC im Selbstversuch

Als Ilija Brozović und sein ehemaliger Recken-Teamkollege Torge Johannson nach einer Stunde aus den neuen Rennsimulatoren im ADAC Sicherheitszentrum steigen, sind sie ganz verschwitzt. „Das ist echt anstrengend“, sagt Brozović. Er hat mit 51,088 Sekunden die schnellste Rennrunde auf dem Simulator an diesem Tag hingelegt. Im Fahrsicherheitszentrum in Laatzen stehen die einzigen Rennsimulatoren des ADAC in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Eigentlich schon seit vergangenem Jahr. Aufgrund der Corona-Pandemie sind sie der Öffentlichkeit aber erst jetzt so richtig zugänglich gemacht worden. „Wir wollen jetzt auch in unseren Räumen ein Fahrerlebnis schaffen“, sagt Sven Stieger, Geschäftsführer des ADAC Fahrsicherheitszentrums. Das bedeutet, dass Besucher des Zentrums künftig auch zu virtuellen Rennfahrern werden können. Momentan sind 20-minütige Zeitslots vorgesehen. Auf Dauer könne man sich vorstellen, das Angebot von Parcours und Simulator zu kombinieren, sagt Stieger. „Die Simulatoren machen die Fahrphysik supererlebbar.“ Simulatoren mit Fahrgefühl: Die Simulatoren stehen auf vier Stelzen, die sich in verschiedene Richtungen bewegen und den Sitz rütteln lassen können. Hydraulische Stützen an der Sitzrückseite sollen das Fahrgefühl beim Abbremsen und Beschleunigen nachbilden. Einer von ihnen koste in etwa so viel wie ein Kleinwagen, verrät der Geschäftsführer. Auch der Sitz selbst ist beweglich, erklärt Lennart Kock vom ADAC Motorsport-Team. „Das Lenkrad hat zudem ein Forced Feedback.“ Nachdem der Recken-Spieler und sein ehemaliger Teamkollege ihr einstündiges Duell beenden – eine Pause lehnen beide entschieden ab – komme ich an die Reihe. Als ich in der Kapsel sitze, frage ich mich, wie der 1,96-Meter große und über 100 Kilogramm schwere Brozović hier eben noch hineingepasst hat. Der Sitz ist wirklich eng. Vom Former-1-Wagen bis Oldtimer: In den nächsten 20 Minuten werde ich einen Audi TT Cup – 310 PS, Tempo 250 als Spitzengeschwindigkeit – virtuell über die englische Rennstrecke Brandshatch steuern. Parcours und Auto sind frei wählbar. Man habe fast alles vom Formel-1-Wagen bis zum Oldtimer im Angebot, sagt Steiger. „Außer praktische Autos.“ Ich setze meine Kopfhörer auf, greife zum Lenkrad, das aussieht wie eine Spielkonsole, schalte und gebe Gas. Erst zaghaft, dann stärker. Tatsächlich werde ich ein wenig in den Sitz zurückgedrückt. 33 Sekunden später rattert mein Rennwagen über den Schotter am Rand der Rennstrecke. Der Sitz wackelt. Das Lenkrad vibriert, Gegensteuern ist unmöglich. Es bricht mir weg und mein Audi TT Cup kracht in die Bande. Crash mit der Bande: Bei einem echten Sim-Race –„Sim“ steht für simuliertes Rennen – wäre ich jetzt wahrscheinlich erst mal ausgeschieden. Aber so genau nehmen wir es heute nicht. Ich gebe einfach wieder Gas und fühle mich dank der Bewegungen der Kapsel wirklich so, als wenn ich schneller würde. Auch ohne in den Sitz zurückgeworfen zu werden. Dass ich gar nicht auf die Rennstrecke, sondern auf drei Bildschirme vor mir schaue, darüber denke ich nach ein paar Minuten gar nicht mehr nach. Es fällt mir nicht mehr auf. Ich entwickele einen Tunnelblick: auf den Asphalt, die eingeblendete Strecke und die Rundenzeit, die leider auch nach mehreren Versuchen nicht an die meiner Vorgänger heranreicht. Wirklich schlimm hat sich der Crash in meinem Rennsitz übrigens nicht angefühlt. Selbst wer nicht schwindelfrei ist, kann sich beruhigt in den Simulator setzen. Der ruckelt und vibriert zwar, ändert die Lage des Sitzes und vermittelt wirklich ein Gefühl des Beschleunigens und Bremsens, wenn ich Gas gebe oder bremse – brutal hin- und hergeworfen oder in den Sitz gedrückt werde ich allerdings nicht. Aufregend ist die Testfahrt trotzdem, allein schon, weil ich mich dank auf den Bildschirmen aufploppender Rundenzeit, Fahrgeräuschen und der Bewegung wirklich wie eine Rennfahrerin fühle. Nach 20 Minuten beende ich meine Testfahrt und ziehe die Rennhandschuhe wieder aus – die Alcantara-Oberfläche des Lenkrads würde sich ohne sie zu schnell abnutzen. Zumindest an den Handoberflächen kommt bei einer 20-Minuten-Fahrt im Rennsimulator nämlich jeder ins Schwitzen. Es gibt mittlerweile auch in der Formel 1 Fahrer, die Sim-Racing mit Simulatoren nutzen. Der Niederländer Max Verstappen ist überzeugt, dass es ihn auch auf der realen Rennstrecke zu einem „besseren Fahrer“ macht. Das kann ich nicht von mir behaupten, als ich mit meinem Privatwagen, der sich auf einmal viel langsamer anfühlt als noch vor ein paar Stunden, vom ADAC-Parkplatz losfahre. Auf den Alltag lässt sich das Fahren im Simulator nicht wirklich übertragen. Spaß macht es trotzdem. Testfahrten an ausgewählten Terminen: Momentan sind an ausgewählten Tagen ab 18 Uhr Zeitslots à 20 Minuten für den Simulator für 20 Euro buchbar. Die nächsten Termine sind Donnerstag, 30. Juli, Freitag, 7. August, und Sonnabend, 18. August. Fahren darf, wer an die Pedale kommt. „1,50 Meter sollte man wahrscheinlich schon groß sein“, sagt ADAC-Sprecherin Alexandra Kruse. Die Simulatoren müssen vorab unter Telefon (05102) 93060 reserviert werden. Mehr Informationen gibt es auf der Webseite des Fahrsicherheitszentrums. Lesen Sie auch Ausprobiert: Das Motorrad-Sicherheitstraining beim ADAC in Hannover Laatzen: 2000 Besucher genießen 13. Oldtimerschau beim ADAC in Rethen trotz Regens Von Nadine Wolter