Leibniz-Universität Hannover: Uni-Präsident Volker Epping kritisiert Sparpolitik des Landes

Die Leibniz-Universität Hannover hat ihren Präsidenten Volker Epping für eine zweite Amtszeit bis 2028 bestätigt. Im HAZ-Interview spricht er über seine Ziele – und kritisiert die Sparpolitik der Landesregierung. Herr Professor Epping, Sie starten Anfang 2021 in Ihre zweite Amtszeit als Präsident der Leibniz-Universität. Der Senat hat kürzlich auf eine Ausschreibung des Postens verzichtet. Ist das sinnvoll? Das Niedersächsische Hochschulgesetz sieht die Möglichkeit aus guten Gründen vor. Eine Universität ist ein großer Tanker, der langsam Fahrt aufnimmt, jede strategische Ausrichtung erfordert Zeit und Kontinuität. Ich war zunächst für sechs Jahre gewählt, die zweite Amtszeit für Unipräsidenten in Niedersachsen dauert sogar acht Jahre. Der Jura-Professor Volker Epping leitet die Leibniz-Universität seit dem 1. Januar 2015. Seine erste Amtszeit endet am 31. Dezember 2020. Kürzlich hat der Hochschulsenat eine Verlängerung seiner Amtszeit um acht Jahre bis Ende 2028 beschlossen. Der 60-Jährige ist geschieden und hat zwei erwachsene Söhne. Was haben Sie sich vorgenommen? In gewisser Weise das, was ich vor fünf Jahren begonnen habe anzuschieben: Schärfung des Forschungs- und auch des Lehrprofils, Personalentwicklung, Internationalisierung. Mit Produktionstechnik, Quantenoptik und Gravitationsphysik sowie Biomedizin haben wir drei traditionell starke Schwerpunkte. Inzwischen sind drei weitere dazugekommen. Mit der Wissenschaftsreflexion bauen wir einen starken neuen Bereich in der Soziologie und Philosophie auf. Wir tragen auch der Bedeutung der Optischen Technologien durch einen eigenen Forschungsschwerpunkt Rechnung. Und der dritte neue Schwerpunkt? In der Lehre sind wir in der Lehrerausbildung eine der führenden Einrichtungen in Deutschland geworden. Denn wir haben mit der School of Education eine Querstruktur über sechs beteiligte Fakultäten geschaffen. Unser nächstes Ziel ist dort internationale Sichtbarkeit. Wir wollen den angloamerikanischen Bereich erobern. Das Schlagwort Internationalität führen alle Hochschulpräsidenten im Munde. Warum ist der internationale Austausch wichtig? Wissenschaft ist grundsätzlich international. Und wir wollen natürlich die besten Studierenden, Beschäftigten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit. Das wird eine Hauptaufgabe der nächsten Jahre in vielfacher Hinsicht. Wir haben dazu erst einmal den Status erhoben und ein Audit durchlaufen. Der Austausch von Studierenden, Doktoranden, Postdocs und auch Verwaltungspersonal ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Internationalität. Laufen die Vorlesungen in Hannover dann bald nur noch auf Englisch? In den Laboren wird überwiegend nur noch Englisch gesprochen. Und in den Masterstudiengängen führen wir schrittweise einen Strang ganz auf Englisch ein, wobei wir ausländischen Studenten auch ein großes Angebot an Deutschkursen machen. Sie sollen nicht nur etwas von unserer Kultur mitbekommen, sondern wir möchten sie hier auch integrieren. Umgekehrt bieten wir den deutschen Studenten Sprachen wie Englisch, Französisch, Spanisch und Chinesisch an, die sie für ihren Auslandsaufenthalt brauchen. Und wie sieht es mit Wissenschaftlern aus dem Ausland aus? Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen internationaler werden. Das hat uns auch der Wissenschaftsrat in der Rückmeldung auf unsere Bewerbung zur Exzellenzuni aufgegeben. Wir werden deshalb mehr aktives Recruiting im Ausland betreiben. Allerdings haben wir ein großes Problem bei der Unterbringung. Wir hatten auf ein Gästehaus gehofft, wenn wir erfolgreich Exzellenzuni werden. Das hat nicht geklappt. Nun wollen wir versuchen, es mit Stadt und Land zu realisieren. „Unsere Wissenschaftler sollen internationaler werden“: Der Bund schreibt in der nächsten Runde der Exzellenzstrategie noch einmal vier Plätze für Exzellenzunis aus. Bewirbt Hannover sich erneut? 2024 müssen die neuen Skizzen für die Exzellenzcluster abgegeben werden. Ich gehe davon aus, dass unsere drei Cluster wieder dabei sind und auch weitere Kolleginnen und Kollegen neue Vorhaben starten. Unser Ziel mit der Medizinischen Hochschule ist es, unsere bisherigen Cluster zum Erfolg zu führen. Das ist Voraussetzung für die Bewerbung zur Exzellenzuni. Um eine Chance zu bekommen, müssen wir außerdem die Rückmeldungen des Wissenschaftsrats aus der vergangenen Bewerbungsrunde umsetzen. Der Wissenschaftsrat sieht Entwicklungspotenzial der Leibniz-Universität im Bereich der Internationalisierung. Dies betrifft nicht nur den Anteil der Ausländer unter den Professorinnen und Professoren, sondern auch den Bereich der strategischen Partnerschaften mit Universitäten im Ausland. Wie schätzen Sie Hannovers Chancen ein? Es wird natürlich ein harter Weg, wenn man sich ansieht, dass Unis wie Köln, Frankfurt und Göttingen nicht zum Zuge gekommen sind und damit nächstes Mal wahrscheinlich als Konkurrenten antreten. Die Exzellenzstrategie hat bereits dazu geführt, dass wir 20 bis 25 sehr forschungsstarke Unis in Deutschland haben, elf davon mit dem Titel Exzellenzuniversität. Es wird zukünftig eine klare Aufspreizung geben in Hochschulen mit starker Forschung und andere. In Frankreich sind nach einem ähnlichen Prozess nur noch sieben Forschungsuni übrig geblieben. Wo soll die Leibniz-Universität dabei landen? Unser klares Ziel ist es, unter den Top 20 in Deutschland zu sein, und zwar auf allen Feldern, unabhängig vom Titel Exzellenzuniversität. Wir haben in Deutschland weit über hundert Hochschulen. Bereits heute ist es grundsätzlich so, dass wir nur noch von rund 30 deutschen Universitäten unsere Professorinnen und Professoren berufen. Das ist einerseits ernüchternd, gleichzeitig Ansporn. „Unser klares Ziel ist es, unter den Top 20 in Deutschland zu sein“: Der Frauenanteil unter den Professoren der Leibniz-Uni liegt nur bei 26 Prozent. Wird sich das ändern? Unter den ehemals Technischen Unis haben wir bereits den größten Frauenanteil. Wir sind auf einem guten Weg und nehmen in den nächsten zwei Jahren hoffentlich die 30-Prozent-Hürde. Dafür nutzen wir auch den Nachwuchspakt, über den sich junge Wissenschaftlerinnen auf einer Professur bewähren können. Allerdings liegt der Anteil der Studentinnen in manchen Ingenieurfächern wie E-Technik oder Maschinenbau nur bei circa 14 Prozent. Einen Rückschlag gab es allerdings beim Ziel, Robotik zu einem Schwerpunkt auszubauen. Spitzenforscher Sami Haddadin ist 2018 nach München abgewandert. Die renommierte Robotik-Professorin Jessica Burgner-Kahrs ging ebenfalls. Woran liegt es? Wir bedauern, dass wir Professorin Burgner-Kahrs an Toronto verloren haben. Aus ihrer Sicht ist es aber verständlich, dass sie ihre wissenschaftliche Karriere durch eine Station im Ausland vorantreibt. Mehr als ärgerlich ist aber das starke Gefälle in der Landesfinanzierung. Markus Söder hat zwei Milliarden in die Hochschulen gepackt, die Bayern holen sich so die guten Leute. Auch Baden-Württemberg zahlt seinen Professoren wesentlich mehr als Niedersachsen. Niedersachsen plant jetzt weitere Kürzungen. Wie gehen Sie damit um? Wir hoffen, dass wir die Landespolitik noch zum Umdenken bewegen können. Bereits jetzt ist die Grundfinanzierung nicht auskömmlich. Mit den angekündigten Einschnitten müssten wir landesweit 6000 Studienplätze abbauen. Das ist widersinnig, die Zukunft wird weggeschnitten. Und es konterkariert die Bemühungen und die politische Forderung, möglichst viele junge Menschen zu einem Studium zu bewegen. Die Hochschulen sollen jetzt für die Anpassung der Beamtenbesoldung bluten. Wie wollen Sie den Maschinenbau stärker einbinden? Vor allem von dort kam Gegenwind gegen die Verlängerung Ihrer Präsidentschaft. Der Gegensatz, der durch Ihre Frage formuliert und aufgemacht wird, existiert so nicht. Alle Fakultäten sind durch ihre Themensetzung Bestandteil der Ausrichtung und Strategie der Leibniz-Universität und entwickeln und gestalten diese mit. Das zeigt sich auch am neu geschaffenen Campus Maschinenbau, der von allen Fakultäten mitgetragen wird. „Ich habe wichtige Anstöße zur Reflexion bekommen“: Einige Ihrer Kritiker wollten eine Ausschreibung der Präsidentschaft. Das Argument: Auch Präsidenten sollten sich einer Evaluation stellen. Was halten Sie davon? Ich habe mich der Evaluation durch Senat und Hochschulrat, also den dazu gesetzlich berufenen und gewählten Organen gestellt. Der Senat hatte darüber hinaus zur Entscheidungsfindung bereits im Frühsommer viele Entscheidungsträger und Gruppen an der Universität befragt. Dieser breite Partizipationsprozess war wichtig, für mich wie für die gesamte Institution. Eine Universität muss sorgfältig prüfen, wem sie das Präsidentenamt anvertraut. Ich habe wichtige Anstöße zur Reflexion bekommen. Vor der Entscheidung des Senats habe ich mich hochschulintern einer Anhörung gestellt und die Perspektive der nächsten Jahre skizziert. Das hat überzeugt. Ich gehe mit großem Rückenwind in die nächste Amtszeit. Lesen Sie auch: Professor Volker Epping als Präsident der Leibniz-Universität bestätigt Rückenwind für Volker Epping Kommt es zur Kampfkandidatur um die Uni-Präsidentschaft? Von Bärbel Hilbig