Leinewelle in Hannover: Gericht weist Klage des Fischereivereins ab

Das ambitionierte Projekt einer künstlichen Surfwelle in der Innenstadt-Leine hat seine vielleicht letzte große Hürde genommen. Am Dienstag hat das Verwaltungsgericht Hannover die Klage des Fischereivereins gegen die sogenannte Leinewelle abgewiesen. Die Initiatoren um Heiko Heybey und Sebastian Stern kündigten im Anschluss an, jetzt mit den Bauvorbereitungen zu beginnen. 2022 könnte Eröffnung sein. Allerdings haben die Angler noch vier Wochen Zeit, in Berufung zu gehen. Leinewelle könnte 2022 an den Start gehen: „Das Urteil ist ein starkes Signal nach acht Jahren Vorbereitung“, sagte Leinewellen-Vereinsvize Stern nach der Verhandlung. Immer wieder hatte sich das Projekt wegen rechtlicher und Umweltbedenken vor allem der Angler verzögert. Das Gericht unter Vorsitz von Verwaltungsrichter Ingo Behrens sprach dem Verein jetzt allerdings das Recht ab, seine Klage gegen die Verschlechterung der Gewässerökologie wie ein Umweltverband vorzubringen. Hätte der Landesverband geklagt, wäre das möglich gewesen. „Wir werden in Zukunft nur noch mit dem Landesverband klagen“, sagte Vereinschef Heinz Pyka enttäuscht. So soll die Leinewelle funktionieren: Das Video: Für die Leinewelle will der Trägerverein ein mechanisches Bauwerk in die engste Stelle des Flusses unterhalb des Restaurants Aresto in den Gewässerboden einlassen. Wenn Wellenreiter dort surfen wollen, können Klappen aufgestellt werden, sodass im Fluss eine stehende Welle wächst. Die Stadt hat einen Gestattungsvertrag bis 2034 unterzeichnet, die Region als zuständige Behörde eine wasserrechtliche Erlaubnis ausgestellt. Um diese ging es im Prozess. Angler fürchten Verschlechterung der Gewässerökologie: Der Fischereiverein hatte im März Klage eingereicht, weil er eine der beliebtesten und abwechslungsreichsten Angelstellen in der Innenstadt verliert. „Wir zahlen für die Nutzung der Leine schließlich Pacht“, sagte Vereinsvorsitzender Heinz Pyka. An der umstrittenen Stelle fließe der sonst träge Fluss besonders schnell. Deshalb sei sie für bestimmte Fischarten ein wichtiges Lebens- und Laichhabitat, aber auch für Angler sehr interessant. „Das wird jetzt wohl vorbei sein“, sagt Pyka. Er fürchtet, dass die Leinewelle ähnlich wie der Münchner Eisbach ständig Neugierige anzieht, die unterhalb der Surfstelle campen und ins Wasser gehen. „Der gesamte Abschnitt wird sich verändern“, sagt Pyka. Der Verein wehrt sich vor allem dagegen, dass die Gewässerqualität des Flusses mit dem Bauwerk verschlechtert werde – obwohl doch die EU ausdrücklich bei jedem Umbau eines Gewässers Verbesserungen statt Verschlechterungen fordere. Weil umstritten ist, ob der Verein sich auf die Wasserrahmenrichtlinie der EU berufen darf, ließ Richter Behrens Berufung zu. Die Region hatte die Anlage in einem relativ zügigen Verfahren genehmigt. Statt einer großen Umweltverträglichkeitsprüfung gab es nur eine Vorprüfung, auch wurde auf aufwendige Plangenehmigungen verzichtet. Richter Behrens deutete an, dass man diese Punkte durchaus skeptisch sehen könne. In der Gesamtabwägung aber könne das Gericht „keine erhebliche Verschlechterung“ erkennen, weder für die Freizeitangler noch für die Ökologie. Zudem müssten die Angler nachweisen, dass sie unmittelbar betroffen sein. Weil es viele andere Angelstellen gebe, sehe das Gericht dies nicht als gegeben an. „Seitenlange Gutachten“: Der Fischereiverein habe nicht nachweisen können, dass der Region bei der Genehmigung der Anlage substanzielle Fehler unterlaufen seien, sagte Richter Behrens. Zudem könnten Angler an nahe gelegene andere Stellen ausweichen, die Surfer hingegen nicht, weil nur an diesem einen Ort die Leine besonders eng ist. Das Gericht habe „nach dem Studium von seitenlangen Gutachten nicht den Eindruck, dass es Hunderte Meter oberhalb und unterhalb der geplante Anlage erhebliche Auswirkungen geben wird“. Fischereivereinsanwalt Konrad Asemissen hingegen verwahrte sich gegen eine zu kleinteilige Betrachtung: „Ein Lebensraum ist mit dem anderen verbunden, gerade im aquatischen.“ Er wirft der Genehmigungsbehörde vor, dass sie einerseits dem Standort bescheinige, er sei „günstig“ für wandernde und laichende Fische, andererseits aber wegen der bereits erfolgten starken Eingriffe des Menschen keinen hohen ökologischen Nutzwert ansetze. „Es entsteht der Eindruck, dass das Genehmigungsverfahren politisch gesteuert ist.“ Zwar seien Daten über die vorkommenden Fischarten akribisch erhoben worden, aber dann nicht ordentlich abgewogen worden. Harte Auflagen: Den Leinewellen-Initiatoren sind allerdings harte Auflagen gemacht worden. Ein eigens in Österreich entwickelter Fischpass muss sicherstellen, dass Fische während des Wellenbetriebs an der Anlage vorbeischwimmen können. Nach Betriebsstart soll der Fischbestand überprüft werden– wenn sich etwas verschlechtert, dann muss die Anlage abgeschaltet werden. Die Betriebszeit ist auf maximal zwölf Stunden am Tag und 2688 Stunden im Jahr beschränkt, wird aber laut Gutachten ohnehin nur an etwa 127 Tagen funktionieren: Bei Hoch- und Niedrigwasser kann die Welle nicht gebildet werden. Im Verfahren ging es auch um Fragen wie etwa zur Veränderung der Ökologie oberhalb der Leinewelle, wo der Wasserspiegel bis zur alten Flusswasserkunst am Landtag bei Betrieb um gut einen Meter angehoben wird. Anglerverband-Fachberater Ralf Gerken sagte, dass es dort spürbare Auswirkungen auch auf Kleintiere und Pflanze geben werde – die Auswirkungen der Leinewelle seien keinesfalls lokal begrenzt. So geht es weiter mit der Leinewelle: Richter Behrens empfahl Anglern und Surfern, noch einmal miteinander zu reden. Pyka deutete an, dass es möglicherweise Kompromisse geben könne, etwa wenn an anderen Stellen in der Leine Kiesbänke angelegt würden, um dort die Flussqualität zu erhöhen. Der Leinewellen-Trägerverein will aber unbedingt noch in diesem Jahr mit dem Bau starten. „Bis Ende Mai laufen noch die Preisbindungen aus unserer Ausschreibung“, sagt der Vereinsvorsitzende Heybey. Wegen der veranschlagten sechsmonatige Bauzeit werde die Attraktion aber wohl erst 2022 nutzbar. Die Finanzierung hingegen sei gesichert. Knapp 1,2 Millionen Euro soll die Leinewelle kosten. Es gebe ausreichend Zusagen für Unterstützung, sagt Vereinsvize Stern. Allerdings würden die Verträge erst unterschrieben, wenn die Genehmigung unanfechtbar ist. Von Conrad von Meding