„Lovemobil“: Elke Lehrenkrauss' Film über Prostituierte an der B188 feiert Premiere in Hannover

Ein Hinweis vorweg an Besucher, die womöglich mit falschen Erwartungen vor der Kinokasse stehen. Gehen Sie nicht in diesen Film, wenn Sie Sex sehen wollen. Gehen Sie stattdessen ins Internet. „Lovemobil“, die spielfilmlange Dokumentation von Regisseurin Elke Lehrenkrauss, liefert keinen Stoff für Voyeure, sondern zeichnet ein intimes Porträt über Leben und Arbeit von Prostituierten, die in Wohnmobilen Sex anbieten. Am Montag hatte der Film in den Raschplatzkinos seine deutsche Kinopremiere. Zu Beginn von „Lovemobil“ fährt Milena im Auto eines befreundeten Nachtclubbesitzers mit. Sie beschwert sich über einen Freier, der stinkend zu ihr in den Wohnwagen stieg. Es war eklig, wie mit so vielen Männern, die sie am Straßenrand als aufgetakelte Fantasie aus Netzstrümpfen, roten Lippen und langen Fingernägeln bedient. Doch Milena aus Bulgarien beklagt auch, wie schlecht das Geschäft läuft, sie will die Miete für ihren Camper drücken, 50 Euro am Tag. Der Mann im Auto hat eine andere Vorstellung: „Du musst dich mehr anbieten, Mäuschen.“ Mehr Freier, mehr Geld, mehr Ekel, für Sexverkäuferinnen ist dies sehr häufig die Rechnung ihres Berufs. Die Szene beschreibt, mit welch widersprüchlichen Gefühlen Frauen in fahrenden Bordellen anschaffen. Sie wollen raus aus dem Job, aber Prostitution bleibt doch eine Möglichkeit, schnell zu Geld zu kommen. Lehrenkrauss findet ausdrucksvolle Bilder für diese Konflikte. Es ist erstaunlich, welche Nähe die Frauen zugelassen haben. Sie sprechen über ihre Angst vorm nächsten Kunden und ihre Sorge, niemals den Absprung aus diesem gefährlichen Job am Waldrand zu schaffen. Lichter in Wohnmobilen wirken in der Finsternis wie Orte von Behaglichkeit, aber Kameramann Christoph Rohrscheidt gelingen Aufnahmen, die sie als Räume von Einsamkeit und Schutzlosigkeit zeigen. Nominiert für Filmpreis: Es dauerte einige Zeit, bis die aus Gifhorn stammende Filmemacherin Zutritt ins Milieu bekam, zu Frauen, Freiern, Vermieterinnen von Wohnmobilen und Clubinhabern. Vertrauen aufzubauen, und beharrlich dranzubleiben war dann der Weg, um einzigartige Blicke hinter Kulissen des käuflichen Sex’ zu filmen. „Wir waren wie Zecken, die immer wieder gekommen sind“, sagte Lehrenkrauss nach der Premiere. Drei Jahre dauerte es schließlich, bis die Regisseurin die richtigen Protagonistinnen gefunden hatte und der Film abgedreht war. Nach zahlreichen Preisen auf Festivals ist „Lovemobil“ inzwischen in der Kategorie „Dokumentarfilm“ auch für den Deutschen Filmpreis nominiert. Lesen Sie auch: Sexarbeit an Niedersachsens Landstraßen: „Sie vergessen, dass du ein Mensch bist“ Völlig zu Recht. Man wird die Frauen so schnell nicht vergessen. Die ängstliche Milena, die anschafft, um Geld für ihre Familie in Bulgarien zu sparen. Rita, humorvoll und widerspenstig, die aus Nigeria flüchtete, sich eine Familie mit Kindern wünscht und im Wohnmobil den Glauben an Männer zu verlieren scheint. Eine Kollegin, die nach getaner Arbeit zum Tratschen vorbeischaut. Und Uschi, heimliche Heldin, die selbst als Prostituierte arbeitete, bis sie zu alt war und lieber Wohnmobile vermietete, mit ihrem knallharten Blick auf geizige Freier und Herren der Schöpfung: „Der Mann ist ein notorischer Fremdgänger. Die wollen für zehn Euro Paris bei Nacht.“ Bei aller Düsternis ist das großes Kino. „Lovemobil“ läuft von Donnerstag an jeweils um 18.15 Uhr in den Raschplatzkinos, am Sonnabend und Sonntag gibt es weitere Vorstellungen um 12 Uhr. Von Gunnar Menkens