Lüttje Lage: Frohe Botschaft von der Bank

Das geht nun schon seit Ewigkeiten so. Ich bekomme von der Direktbank, bei der ich meine spärlichen Ersparnisse geparkt habe, elektronische Post. Diese Nachrichten enthalten viel Tröstliches, Ermutigendes, Positives. Und ich weiß: Die Sprachakrobaten aus der Finanzbranche meinen es gut mit mir, wollen sie mir die x-te Zinssenkung der vergangenen zehn Jahre doch nur möglichst schonend nahebringen. Jüngst erhalte ich wieder mal solch frohe Botschaft von der Bank. Neben einem Weihnachtsbaum ist eine junge Frau abgebildet, die mich lächelnd auf „wichtige Neuigkeiten“ aufmerksam macht. Ich assoziiere: Weihnachtsbaum, Neuigkeiten, Geschenke. Klingt verheißungsvoll. Im Einstiegssatz erläutert meine Bank, sie habe etwas „geschafft“. Das lob‘ ich mir. Sie habe es geschafft, ihre Zinsen trotz grassierender Niedrigzinspolitik „stabil“ zu halten. Gut so, denke ich, Stabilität kann’s gar nicht genug geben. Dies werde man auch noch bis Mitte Januar 2020 so beihalten, heißt es weiter. Finde ich super. Danach aber müsse man reagieren und „eine Anpassung vornehmen“. Ja, wer hätte denn kein Verständnis, wenn etwas „angepasst“ wird, wer möchte denn schon an etwas Unpassendem teilhaben? Im nächsten Absatz steht etwas von neuen Konditionen, bei denen ich „selbstverständlich auch weiterhin völlig gebührenfrei Geld sparen“ kann. Bei dieser Fülle guter Nachrichten werde ich langsam aber sicher euphorisch. Zumal mir nach der Präsentation etlicher Zahlenkolonnen verkündet wird, dass die Verzinsung meines Tagesgelds „weiterhin über dem Marktdurchschnitt“ für tägliche Einlagen liege – also bei mehr als 0,01 Prozent. An dieser Stelle paart sich meine Euphorie mit tief empfundener Zuneigung. Was ich in dieser E-Mail nicht ein einziges Mal lese, ist das Wort „Zinssenkung“. Nun gut, in besagten Zahlenkolonnen ist die eigentliche Botschaft durchaus zu finden – aber wie zuvorkommend, mir meine gute Laune nicht mit hässlichen Vokabeln verderben zu wollen. Da will ich mich nicht lumpen lassen und sage allen Zentral-, Haus- und Direktbanken tausend mal tausend Dank, dass sie’s immer wieder richten – man kann doch gar nicht angepasst genug sein. Lüttje Lage: Hier finden Sie weitere lustige Texte aus unserer Serie Von Michael Zgoll