Mord an Shilan H. in Hannover: Platzt Prozess gegen den Fluchthelfer?

Der mutmaßliche Komplize von Shilan H.s Mörder muss sich seit Freitag vor dem Amtsgericht Hannover wegen Strafvereitelung verantworten. Die 21-Jährige war im März 2016 bei einer Hochzeit in einem Veranstaltungsgebäude in Vahrenheide erschossen worden. Der 34-jährige Hamid H. soll dem Täter damals direkt nach den tödlichen Schüssen bei der Flucht geholfen haben. Das Gesetz sieht dafür bis zu fünf Jahre Haft vor. Doch gleichzeitig ist es straffrei, wenn einem Angehörigen geholfen wird. Das könnte Hamid H. jetzt zugute kommen: Er ist nach eigenen Angaben gleichzeitig Schwager und Cousin des Todesschützen. Der Prozess droht zu platzen. Dem 34-Jährigen wird vorgeworfen, mit Shilan H.s Mörder Sefin Nahmann P. davongefahren zu sein. Ein Blitzerfoto von der Vahrenwalder Straße zeigt die beiden in einem dunklen Golf, P. scheint darauf zu lächeln. „Durch diese Fluchthilfe gelang es dem Täter zunächst, sich der Strafverfolgung zu entziehen“, sagte die Staatsanwältin. Hamid H. habe genau gewusst, was er tat. P. habe durch den Mord auf der Hochzeitsfeier im März 2016 seine Ehre wiederherstellen wollen. Shilan H. sollte mit ihm zwangsverheiratet werden, doch sie und ihre Familie wehrten sich vehement. Jüngst wurde P. im Irak wegen des Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. „Völlig überrascht und schockiert“: Hamid H.s Anwalt Dimitrios Kotios sprach dagegen nicht von Fluchthilfe, sondern vom Verhindern eines zweiten Mordes. Sein Mandant sei „völlig überrascht und schockiert“ von der Tat gewesen. Er habe den Schützen nur in Sicherheit bringen wollen, damit dieser nicht gelyncht werde. Kotios bestritt, dass H. von den Todesplänen gewusst habe. Auf einer Brücke über die A2 habe P. dem 34-Jährigen gesagt, er solle aus dem Golf aussteigen. Der damals 22-Jährige sei dann alleine weitergefahren. H. habe vermutet, P. fahre zu dessen Tante in Langenhagen oder zur Polizei. Stattdessen floh P. aber in den Irak. Doch womöglich werden diese Ungereimtheiten gar nicht erst aufgeklärt: Laut Kotius ist Hamid H. nämlich nicht nur P.s Cousin: „Mein Mandant ist mit der Schwester des Täters verheiratet.“ Der Todesschütze ist somit auch der Schwager des 34-Jährigen. Paragraf 258 des Strafgesetzbuches sieht in solch einem Fall in Absatz 6 vor, dass Strafvereitelung dann nicht gilt: „Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.“ Sollte der Verwandtschaftsgrad zutreffen, muss das Verfahren eingestellt werden. Urkunden mit unterschiedlichsten Schreibweisen: Kotius präsentierte unter anderem die irakischen Geburtsurkunden von Hamid H. und dessen Frau, die ins Deutsche übersetzt wurden. Darüber hinaus legte er die Heiratsurkunde der beiden von 2003 aus Isernhagen vor. Problem: Auf allen Unterlagen werden die Namen immer wieder anders geschrieben. Laut Angeklagtem kamen diese Wirren durch Dolmetscher zustande, jeder übersetze Namen anders – etwa mit P statt B oder ganz anderem Nachnamen. „So kann ich nicht entscheiden, ob es immer dieselbe Person ist“, sagte die Vorsitzende Richterin Paula Sekula letztlich. Auch die drei als Zeugen geladenen Brüder von Shilan H. konnten dabei nicht helfen. Der eine bezeichnete Hamid H. als seinen Bruder, der zweite sprach wiederum vom Cousin und der andere wisse nicht, ob H. sein Bruder sei – er trage allerdings seinen Namen. Jetzt sollen Gutachter die vorgelegten Dokumente analysieren und somit auch darüber entscheiden, ob der Prozess platzt oder doch stattfindet. Vielleicht hilft am Ende auch nur noch ein DNA-Test. Die Fortsetzung ist am 10. Dezember. Von Peer Hellerling