Nordstadt: Stadtteil-Tour führt durch Hannovers Studentenviertel

Die geführte Tour durch die Nordstadt beginnt mit einer Überraschung: Ganze zwei Teilnehmerinnen finden sich vor der Christuskirche ein. Tourguide Nico Wulf ist darauf eingestellt. „Wir machen unsere Führungen auch für zwei oder drei Leute, das ist doch umso schöner. Wir sind froh, dass die Touren nach der Corona-Pause wieder losgehen.“ Der 22-Jährige erläutert seinem kleinen Publikum zum Start Details zur Christuskirche. Das neogotische Prachtstück von Baumeister Conrad Wilhelm Hase sei „ziemlich kurz, eigentlich fast rund“. Auch deshalb erzeugt die Heimat des Mädchenchors Hannover eine ganz besondere Wirkung. König Georg V. ließ die Kirche Mitte des 19. Jahrhunderts errichten. Aus Gartenvorstadt entstanden: Die Geschichte der Nordstadt, die aus Dörfern und einer Gartenvorstadt zur Versorgung der Hannoveraner entstand, ist natürlich ein Thema der Tour, die die Hannover Marketing und Tourismus GmbH (HMTG) seit einiger Zeit anbietet. Doch es geht auch um das anarchische Selbstverständnis mancher Bewohner, das nicht mit den inzwischen ebenfalls Geschichte gewordenen Chaostagen erschöpft ist. Wulf führt seine Zuhörerinnen in den zwei Stunden zu prächtigen Gebäuden, vorbei an Resten der früheren Industrialisierung und entlang der Leibniz-Universität, die den Charakter des Stadtteils prägt. Lesen Sie auch: 25 Jahre Chaostage Hannover: Als die Nordstadt brannte Teilnehmerin Erika Ruhnke zeigt sich begeistert über die detailreich verzierten Fassaden im Brüggemannhof, den alten Jüdischen Friedhof, das benachbarte Gartenhaus und prächtige Gründerzeithäuser an der Straße Im Moore. Die 73-Jährige macht die Tour in ihrem Elektrorollstuhl mit – und fotografiert auch gern die in der Nordstadt so typische Straßenkunst und Graffiti. Studentenviertel Nordstadt: Vor dem Welfenschloss, Hauptsitz der Uni, kommt Wulf auf den dreistesten Keksklau in Hannovers Historie zu sprechen. Unbekannte hatten das Bahlsen-Firmenlogo, einen goldenen Keks, vor der Hauptverwaltung an der Podbielskistraße gestohlen. Er fand sich später am Hals des Pferdestandbilds vor der Uni wieder. „Dass da nachtaktive Studenten einen 40 Kilogramm schweren Keks aufgehängt haben, muss doch irgendjemand gesehen haben.“ Die Geschichte erzeugt einvernehmliches Lächeln über das Lausbubenstück. Tourführer Wulf ist selbst im Stadtteil zum Gymnasium gegangen und erklärt das Viertel mit viel Wärme. Vor dem alten Gebäude des Chemischen Instituts zückt der junge Mann sein Smartphone und zeigt ein Foto des historischen Kali-Chemie-Hörsaals mit Holzvertäfelung und steil ansteigenden Sitzbänken. „Er wird auch Harry-Potter-Saal genannt, weil er so zauberhaft aussieht.“ Chaostage und Kneipen: An neuen Graffiti-Gemälden vorbei geht es durch den Klaus-Müller-Kilian-Weg zum Sprengelgelände. Denn auch Kneipen, Chaostage und Hausbesetzungen gehören zu einer typischen Nordstadt-Tour. Vor der Selbsthilfewerkstatt zur Fahrradreparatur ist an diesem Tag ordentlich Andrang. „Das ist eine schöne Sache, Ich habe das auch schon genutzt“, erzählt Wulf. Teilnehmerin Elena Sapega lobt die sehr individuelle Tour am Ende. „Ich habe hier studiert und fühle mich in die Zeit zurückversetzt“, schwärmt die 37-Jährige. Gelernt habe sie außerdem auch einiges. Die HMTG veranstaltet neben ihren klassischen Rundgängen durch die Altstadt oder zum Neuen Rathaus auch Stadtteiltouren in Vierteln wie List und Linden. Die Teilnahme kostet 12 Euro für Erwachsene, 9 Euro für Kinder bis 14 Jahre, Schüler und Studenten. Weitere Informationen gibt es hier. Stadtteilspaziergänge durch zahlreiche Viertel in Hannover bietet auch der Verein Stattreisen für jeweils 10 Euro. Im Programm hat der Verein ganz unterschiedliche Stadtteile wie Hainholz, Limmer, Ricklingen, Kleefeld, List und Mühlenberg. Weitere Informationen gibt es online unter www.stattreisen-hannover.de. Lesen Sie auch 25 Jahre Chaostage Hannover: Als die Nordstadt brannte Mehr Nachrichten aus der Nordstadt Von Bärbel Hilbig