Amazon für die City: Diese App aus Hannover will lokales Online-Shopping leichter machen

Das Einkaufsverhalten der Kunden ändert sich weltweit. Niemand weiß derzeit, wie stark der Trend zum Onlineshoppen Innenstädte wie die von Hannover treffen wird. Schlaue Händler investieren selbst in das digitale Segment. Blvrd aus Hannover entwickelt Shopping-App für Innenstädte: Die Onlineshops lokaler Anbieter wie Weitz oder Gisy werden immer ausgefeilter. Jetzt kommt ein neues Angebot: Das hannoversche Startup Blvrd (sprich: Boulevard) hat eine App entwickelt, mit der Kunden einen speziellen Wunschartikel nicht mehr in einzelnen Shops suchen müssen, sondern sich stadtweit präsentieren lassen können, wo es diesen Artikel gibt. Ein Amazon für die City sozusagen. Die Testversion läuft bereits in Hannover und München, seit Donnerstag ist auch Hamburg dabei. Kunden suchen bestimmte Produkte: „Früher hatten lokale Händler quasi Monopole“, sagt Sebastian Maurer von der Firma Digitalmanufaktur. „In einer Fußgängerzone gab es einige alteingesessene Modehändler, und bei denen hat der Kunde gekauft, was eben angeboten wurde.“ Durch das Internet und immer schnelllebigere Trends hat sich das Kaufverhalten verschoben. Vor allem jüngere Kunden suchen nicht mehr den Händler an sich, sondern bestimmte Produkte. Etwa angesagte Schuhe, besondere T-Shirts oder Hosen bestimmter Marken. Aber bisher müssen sie die Artikel im Onlineshopangebot jedes Händlers einzeln suchen. „Befragungen zufolge wollen 73 Prozent der Kunden wissen, wo sie einen Artikel in einer Stadt bekommen, und nicht ziellos herumsuchen“, sagt Blvrd-Gründer und Geschäftsführer Ari Berzenjie. Das erst im Sommer gegründete Unternehmen hat es geschafft, die digitalen Warenwirtschaftssysteme mehrerer Geschäfte in einer Datenbank zusammenzuführen und so dem Kunden Transparenz zu geben. Ein Test mit der Blvrd-App: Wir machen den Test mit der Blvrd-App. Wir suchen ein T-Shirt, wollen aber speziell eines der bei jungen Leuten angesagten Marke Eightyfive in bestimmter Größe und Farbe finden. Die Blvrd-App zeigt in Echtzeit, dass wir das Shirt sowohl im Eightyfive-Store in der Ernst-August-Galerie wie auch bei Peek&Cloppenburg am Kröpcke bekommen, inklusive dem jeweiligen Preis. Auf Wunsch können wir den Artikel speichern und uns sogar den Weg zum gewählten Geschäft auf einem Routenplaner anzeigen lassen. „Viele hätten vielleicht gar nicht gedacht, dass Peek&Cloppenburg in Hannover solch ein trendiges Shirt hat“, sagt Berzenjie. „Die App erhöht die Transparenz und den Komfort für den Kunden.“ Aber sie ist technisch sehr aufwendig: Allein P&C hat in Hannover mehr als 100.000 Artikel im Sortiment. Und die Online-Übersicht muss ständig aktuell sein, denn kaum etwas rächt sich mehr als enttäuschte Kundenerwartungen. Zwischen viermal täglich und einem Viertelstundentakt liefern die Händler daher je nach Geschäftsgröße aktuelle Bestandsdaten – vollautomatisch natürlich. „Händler können Trends erspüren“: Lange Zeit haben Händler solche Neuerungen gefürchtet, weil sie den Wettbewerb verstärken – und den Preiskampf erst recht. „Aber dafür gibt es keinen Grund“, sagt Digitalmanufaktur-Chef Maurer. „Händler sind seit jeher Experten in ihrem Bereich. Sie wissen am besten, was die Kunden wollen, können Trends erspüren und müssen daher den digitalen Wandel nicht fürchten, sondern gestalten.“ Maurers 25 Mitarbeiter starkes Unternehmen ist kein Startup. Es begleitet seit 14 Jahren lokale Geschäfte und Dienstleister bei Digitalisierungsstrategien und erstellt Onlineshops. „Solche Onlineshops sind nichts, was man nebenher erledigt“, sagt Maurer. „Ein guter Onlineshop ist wie eine weitere Geschäftsfiliale.“ Allerdings mit einer Besonderheit. „Händler haben vielleicht 50 Jahre lang ein Geschäft in guter Lage, renovieren alle zehn Jahre und dekorieren ein- bis zweimal im Jahr ihr Schaufenster um. Ein Onlineshop aber bedeutet ständige Änderungen, weil sich das Verhalten im Internet ständig ändert.“ Jürgen Weitz: 20 Prozent Umsatz mit Onlineshop: Einer, der das beurteilen kann, ist Jürgen Weitz vom gleichnamigen Haushalts- und Porzellangeschäft in der Georgstraße. Seit zehn Jahren hat er zusätzlich zu seinen stationären Filialen in Hannover, Hamburg und Bielefeld auch einen aufwendigen Onlineshop. Etwa 20 Prozent seines Umsatzes mache er mit Internetverkäufen, sagt er. „Das ist im Rahmen meiner Branche viel, aber eigentlich noch nicht genug.“ Die Investitionen in den Onlineshop aber seien nicht vergleichbar mit denen in eine Filiale. „Wenn ich für ein Geschäft 10.000 Euro in Möbel investiere, dann halten die 15 Jahre. Investitionen in den Onlineshop sind nicht billiger, aber sehr schnell vergänglich.“ Auch das eigene Personal für die Betreuung des Shops sei teurer. „Es ist schwierig, Mitarbeiter zu finden, die in diesem Bereich wirklich gut sind.“ Für Händler aber sei die Internetwelt unverzichtbar. „Der Kunde will sich vom Sofa aus informieren können, bevor er in die Stadt geht und etwas im Geschäft ausprobiert.“ Schuhhaus Gisy: Onlineshop ist zehnte Filiale: Auch für Schuhändler Gisy hat Maurers Digitalmanufaktur den Webauftritt neu gestaltet. Der alteingesessene Händler betreibt vier Filialen in Hannover – und den Onlineshop als zusätzlichen Vertriebskanal. Firmenchef Michael Schenkemeyer geht offensiv mit dem Thema um: Am Schaufenster des Stammhauses in der Fußgängerzone prangt groß Werbung für das Digitalangebot. „Früher haben Händler einen Onlineshop nur betrieben, weil es irgendwie sein muss“, sagt Maurer, „heute wissen die meisten, dass sich sich nur so neue Zielgruppen erschließen können – und sie so im Zweifel auch in den Laden locken.“ Denn das Einkaufserlebnis kann der Onlinekauf nicht ersetzen. Das ewige Lamento aus der Anfangszeit des Internethandels, dass in den Geschäften ausprobiert und dann beim billigsten Netzanbieter gekauft wird, hat sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Mehrere Studien belegen, dass immer mehr Kunden sich zunächst im Internet informieren, etwa über Preise oder Bewertungen anderer Kunden, bevor sie in stationären Geschäften einkaufen. Die Quote ist zuletzt wegen der verstärkten Handynutzung von 64 auf bis zu 83 Prozent gestiegen. „Begehrte Ware sofort mitnehmen“: „Der Einkauf im Geschäft hat einen weiteren Vorteil, den bislang kein Onlineshop ersetzen kann“, sagt Blvrd-Gründer Berzenjie: „Ich kann die begehrte Ware sofort mitnehmen.“ Nur muss man eben erfahren, wo man sie bekommt. Dafür soll seine App das neue Hilfsmittel sein. Unter dem Slogan Gemeinsam für Hannover bietet die HAZ mit vielen Partnern ein Internetportal, auf dem lokale Händler und Dienstleister ihre Angebote präsentieren können – und umgekehrt Interessierte sich über die Online-Angebote der lokalen Akteure informieren können. Zum Auftakt verlost die Initiative zwölf Onlineshops für regionale Händler, die ihr Angebot noch nicht im Internet präsentieren. Experten erstellen ihnen eine professionelle Online-Präsenz. Wer teilnehmen will, muss auf der Seite gemeinsamhannover.de ein Formular ausfüllen und nimmt dann an der Verlosung teil. Lesen Sie auch Zukunft des City-Handels: Interview mit Experte Stefan Müller-Schleipen vom Netzwerk Stadtretter Der Innenstadthandel in Hannover hat Fehler gemacht - Interview mit Handesexperte Dirk Wichner Hannovers Innenstadt punktet bei Kunden - Studie Vitale Innenstädte vorgestellt Von Conrad von Meding

Online suchen, in Geschäften kaufen – neue App Blvrd aus Hannover macht es einfacher