Papierstau im Impfzentrum Hannover: Jeder Tag füllt mehr als 50 Aktenordner

Die alte Dame im Impfzentrum hat es fast geschafft. Sie hat ihre erste Impfung bekommen, alles ist gut verlaufen und sie könnte nach Hause gehen – doch am Ausgang des Impfzentrums auf dem Messegelände muss sie noch einmal Halt machen – wegen des Papierkrams. Schon von Weitem kann man sehen, dass das nicht wenig ist: Mehrere Aktenordner stapeln sich auf dem Tisch neben dem Ausgangsschalter. Acht Seiten pro Impfung: Es sei unglaublich, wie viel Papier für die Impfung verlangt werde, sagt Matthias Vonnemann, ärztlicher Leiter des Impfzentrums in Hannover. Bis zu acht Seiten müsse jeder Impfling in den Hallen auf dem Messegelände ausfüllen. Teilweise gebe es noch Kuriositäten im Ablauf, die aber zwingend vorgeschrieben seien: So bekomme jeder einen sogenannten QR-Code zugesandt, den er ausdrucken müsse, damit er an einer anderen Station wieder eingescannt werden könne. Und am Schluss des Impfvorgangs werde der Dokumentenstapel abgeheftet. „Bis zu 35 Ordner am Tag fallen so an“, berichtet Regionspräsident Hauke Jagau. Die Dokumente müssen nach der Erstimpfung zunächst griffbereit aufbewahrt werden, damit der Impfarzt bei der zweiten Impfung acht oder zwölf Wochen später noch einmal auf die Papiere zugreifen kann. Aber auch danach dürfen die Zettel nicht vernichtet werden, sondern müssen zehn Jahre lang gelagert werden, so Jagau. Dafür hat das Impfzentrum jetzt Überseecontainer angemietet. Seit Beginn dieser Woche kommt noch mehr Papier zusammen, denn das Impfzentrum hat seine Kapazität erhöht. Das sind dann mehr als 50 Aktenordner pro Tag. „Dass wir das alles im 21. Jahrhundert noch in Papierform aufbewahren müssen, ist eigentlich nicht zu verstehen“, meint Jagau kopfschüttelnd. „Das ist nicht zeitgemäß“: „Das ganze Prozedere ist nicht zeitgemäß“, sagt Matthias Berndt, Landesvorsitzender des Hausarztverbands aus Hannover. Ärzte müssten bei der Corona-Impfung vier bis sechs Unterschriften leisten, bei anderen Impfungen reiche es nicht. „Wir brauchen einen Ablauf mit deutlich weniger Bürokratie“, betont er. Das Impfen in den Hausarztpraxen, das nach Ostern starten soll, werde weitgehend ohne Papier, prall gefüllte Aktenordner und Überseecontainer ablaufen, berichtet der Hausarzt aus der List, der als einer der wenigen Ärzte in Niedersachsen in den vergangenen Wochen schon testweise in seiner Praxis impfen konnte. Innerhalb von wenigen Tagen sei für die Hausärzte eine Software geschrieben worden, die sowohl die Priorisierung als auch die Anmeldung regele. „Impfen ganz an die Praxen geben“: Mittelfristig sollte überlegt werden, das Impfen ganz den Ärzten in ihren Praxen zu überlassen, meint Berndt. Denn die Kosten der Impfzentren seien hoch, die Impflinge müssten zum Teil lange Wege auf sich nehmen, das sei ökologisch nicht immer sinnvoll. Mit zwei Mitarbeitern könne ein Hausarzt innerhalb von einer Stunde 5 bis 6 Menschen impfen, berichtet der Mediziner. Dazu gehöre zum Beispiel auch die Beobachtung nach dem Piks. Denn etwa jedem Zehnten werde schwindelig. Insgesamt sei das Impfen eine sehr befriedigende Tätigkeit. „Die Impflinge sind alle glücklich und erleichtert“, berichtet Berndt. Von Von Heiko Randermann und Mathias Klein