Perseverance-Mission: Chemiker aus Hannover hat den Mars im Blick

Der rote Planet ist nicht zu übersehen. Ein großes Poster von der Oberfläche des Mars ziert die Wand im Büro von Franz Renz. Daneben hängt eine Karte, auf der unterschiedliche Regionen unseres Nachbarplaneten eingezeichnet sind. „Hier ungefähr ist ,Perseverance’ gelandet“, sagt Renz und deutet auf eine der Flächen. Am 18. Februar hat der Nasa-Rover seinen Bestimmungsort erreicht und sich auf seine Erkundungstour begeben, bei der er nach Spuren von Leben suchen soll. Seither begeistert das 2,2 Milliarden Euro teure Gefährt Wissenschaftler und Laien auf der ganzen Welt mit beeindruckenden außerirdischen Bildern. „Das war ein echter Durchbruch“: Renz fiebert mit. Der Professor für Anorganische Chemie der Leibniz-Universität hat eine ganz besondere Beziehung zum Mars. Der 53-Jährige ist seit gut zwei Jahrzehnten Mitglied der Nasa und war 2003, als er noch an der Uni Mainz forschte, an der internationalen Marsmission beteiligt, bei der die beiden Rover „Spirit“ und „Opportunity“ erfolgreich gelandet sind. An Bord waren hochkomplexe Messgeräte, sogenannte Mößbauer-Spektrometer, die Renz mitentwickelt hatte. An einen Roboterarm montiert, haben diese Instrumente bestimmte eisenhaltige Mineralien identifiziert. „Das war ein echter Durchbruch“, sagt der Chemiker. „Es war der Beweis, dass es auf dem Mars vor Milliarden Jahren ozeanartige Wassermengen gegeben haben muss.“ Denn Ozeane, flüssiges Wasser, sind die Grundvoraussetzung allen Lebens, wie wir es kennen. Ursprünglich sollten die beiden Rover nur 90 Marstage im Einsatz sein. „Sol nennt man einen Marstag“, erklärt Renz, der seit 2008 an der Leibniz-Uni lehrt. „Ein Sol ist 24 Stunden und 37 Minuten lang.“ Tatsächlich aber schaffte „Opportunity“ 5111 Sols, sein rollender Zwilling brachte es immerhin auf 2210 Sols. Schließlich aber ging ihnen die Energie aus, weil die Sonnenkollektoren durch den roten Marsstaub nach und nach verdreckt wurden. In dieser Zeit, bis März 2019, bekam der hannoversche Wissenschaftlicher kontinuierlich Daten aus dem All in sein Institut an der Callinstraße – in ständigem Austausch mit dem Nasa-Stützpunkt im kalifornischen Pasadena. Hinterlassenschaften auf dem roten Planeten: „Es war ein einmaliges Erlebnis, Teil einer solchen Mission zu sein“, schwärmt Renz, dem seine Begeisterung immer noch anzumerken ist. Zwei unübersehbare Andenken hat er in seinem Büro aufgebaut: Die Modelle von „Spirit“ und „Opportunity“ stehen auf seinem Schreibtisch. Und auch, wenn die Originale jeweils gut 6000 Kilometer vom „Perseverance“-Landeplatz entfernt verstummt im Staub stehen, macht es ihn stolz, dass die beiden zu den Hinterlassenschaften internationaler Missionen auf dem Mars gehören. Die Wissenschaftler des Laser Zentrums Hannover (LZH) warten mit Spannung auf den 23. Juni 2023. Dann soll ein Rover auf dem Mars landen, der eine wertvolle Fracht an Bord hat: Ein Messinstrument namens Moma soll nach organischen Molekülen im Gestein des roten Planeten suchen – der Laser des Geräts wurde im LZH entwickelt und weltraumtauglich gemacht. „Ziel ist es, nach Spuren von Leben auf dem Mars zu suchen und die Bedingungen für einen bemannten Raumflug zu erkunden“, erklärt LZH-Abteilungsleiter Jörg Neumann. Wann das sein könnte, darüber wagt er aber keine Prognose. Den Zuschlag für die Teilnahme an der Mission „Exomars“ der europäischen Weltraumorganisation Esa und der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos bekam das LZH bereits 2006. Seitdem haben die Forscher aus Marienwerder ihren Mars-Laser immer weiter verbessert, zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Eigentlich sollte der mit mehreren Forschungsgeräten bestückte Rover bereits im Sommer 2020 die Reise zum Mars antreten. „Leider gab es technische Probleme bei den auf der Erde simulierten Tests mit den Landefallschirmen“, berichtet Neumann. Der Start der Mission, der in Baikonur in Kasachstan geplant ist, wurde darum auf den 20. September 2022 verschoben. Die LZH-Wissenschaftler hätten ihre Arbeit termingerecht abgeliefert, betont Neumann. Der Laser wurde von der Weltraumtechnikfirma Thales Alenia in Italien in das Messinstrument des Rovers eingebaut. An Bord habe der 20 Zentimeter lange Laser bereits alle Belastungstests bestanden, die die Firma Airbus in Frankreich unter Weltraumbedingungen erprobt habe. Keinen Zweifel hat Renz daran, dass der gewaltige Aufwand für solche Vorhaben gerechtfertigt ist, obwohl jede der Unternehmungen mehrere Milliarden Euro kostete. „Jeder Euro ist es wert“, betont der Wissenschaftler. Schließlich gehe es nicht nur darum, mögliches Leben im Universum zu finden. Die Entwicklung auf dem Mars zu verstehen, bedeute auch, vergleichbare Prozesse auf der Erde zu erkennen. So hatte der Mars einst nicht nur Ozeane, sondern auch eine Atmosphäre, die der unseren geglichen haben könnte. Doch heute ist der rote Planet nur noch von einer hauchdünnen Atmosphäre umgeben, flüssiges Wasser ist vollständig verschwunden, an der Oberfläche gibt es fast nur noch Sand und Gesteine. „Wir müssen uns fragen: Kann das auch auf der Erde passieren – und wie können wir es verhindern?“, sagt Renz mit Blick auf den Klimaschutz. Lesen Sie auch: Nasa-Rover „Perseverance“ auf dem Mars gelandet Tödliche Gefahren für Menschen auf dem Mars: Für den leidenschaftlichen Forscher ist klar, dass eine Landung von Menschen auf dem Mars „der nächste große Traum ist – allerdings noch ein tödlicher Traum“. Denn Hin- und Rückreise zu dem je nach Umlaufbahn zwischen 56 und 400 Millionen Kilometer entfernten Planeten dauerten im günstigsten Fall ungefähr jeweils sieben Monate. Allerdings müsse insgesamt mit etwa drei Jahren Reisezeit gerechnet werden, da Wartezeit auf dem Mars nötig sei, um für den Start der Rückreise wieder eine günstige Planetenkonstellation zu erwischen, erklärt Renz. Das bedeute eine immense Belastung und ein großes Risiko für die Raumfahrer und Raumfahrerinnen, denn hinzu kämen auch noch Gefahren durch Weltraumstrahlung. Ob diese Probleme irgendwann einmal lösbar sind, sei letztlich eine Frage des Geldes. Renz hat sich vorerst näherliegende Ziele gesetzt. Er wartet auf eine Lieferung von einigen Gramm Mondgestein, das die chinesische Raumsonde „Chang’e 5“ jüngst vom Erdtrabanten mitgebracht hat. Diese Proben will der Chemiker mit seinem Mößbauer-Spektrometer untersuchen. Konkrete Vorbereitungen laufen zudem bereits für die Mission „Chang’e 7“, die voraussichtlich 2024/2025 zum Mond starten soll – auch die europäische Weltraumorganisation Esa ist daran beteiligt. „Wir verhandeln darüber, unser Spektrometer mit nach oben zu schicken“, berichtet Renz. Außerdem bemüht er sich um eine Beteiligung an anderen internationalen Raumfahrtprojekten. Zugriff auf Daten des „Perseverance-Rovers“: An der aktuellen „Perseverance“-Mission auf dem Mars ist Renz nur als „passiver Wissenschaftler“ beteiligt, wie er es nennt. „Als Nasa-Mitglied werde ich mit zeitlicher Verzögerung Zugriff auf einen bestimmten Teil der Daten erhalten.“ Er hofft jetzt schon auf das Jahr 2031. Dann wollen Nasa und Esa in einer gemeinsamen Mission die von dem Rover gesammelten Gesteinsproben zur Erde zurückbringen. Und vielleicht landet ein Teil davon ja auch in den Laboren an der Callinstraße. Von Juliane Kaune