Pfandgeben: Mit einer App Pfandsammlern in Hannover helfen

Keine Konzerte, keine Fußballspiele, keine Clubbesuche: Die Corona-Krise trifft auch Pfandsammler und -sammlerinnen. Schließlich gibt es durch den Ausfall von Großveranstaltungen kaum Dosen und Flaschen im öffentlichen Raum, die zu Geld gemacht werden können. Doch es gibt eine Möglichkeit, das zu Hause gehortete Pfand abzugeben – und zu spenden. Bereits seit 2011 gibt es die Plattform Pfandgeben, seit 2016 sind die aktuelle Website und eine App geschaltet. Das Prinzip und der Ablauf sind einfach. Wer sich die kostenfreie App herunterlädt, kann ein Inserat für sein Pfand abgeben. Es kann zwischen wenig, mittel und viel Pfand gewählt werden. Dann werden ein Abholort und ein Zeitraum ausgewählt. Bei dem nicht ganz uneigennützigen Versuch mit der App trage ich mit zwei Tagen Vorlauf zwischen 16 und 18 Uhr am Sonnabend ein. Als Ort gebe ich den Hauseingang in unserem Mehrfamilienhaus an, damit der oder die Empfängerin das Pfand mit genügend Abstand entgegennehmen kann. Gespannt schicke ich das Inserat ab. Lesen Sie auch Wetter am Wochenende in Hannover: So können Sie Obdachlosen helfen „Dein Platz ist unser Lohn“: Nur eine halbe Stunde später habe ich eine Nachricht von Christi. Sie kündigt sich für 17 Uhr zur Abholung an. Wir klären Anfahrt und Abholung – das war einfach. Knapp zwei Stunden später klingelt es an der Wohnungstür. Christi und ihr Mann sind da. Zur angegebenen Uhrzeit, aber zwei Tage zu früh. Eilig stelle ich das Pfand in den Flur. Den beiden ist das verfrühte Auftauchen etwas unangenehm. „Auf den Tag haben wir nicht geachtet“, sagt Christi. Egal, Hauptsache im Abstellraum ist wieder mehr Platz und die beiden freuen sich über die Pfandspende – eine echte Win-win-Situation. Sie berichten, dass es derzeit schwer sei, Geld mit dem Sammeln zu verdienen – ganz ohne Großveranstaltungen oder Partygänger, die ihre Flaschen in den Straßen zurücklassen. Sie drücken mir noch eine Visitenkarte in die Hand. „Dein Platz ist unser Lohn“, steht darauf. Wenn ich wieder etwas spenden möchte, solle ich mich direkt bei ihnen melden. Wie umkämpft Stammkunden sind, erfahre ich, als ich weitere angemeldete Sammlerinnen und Sammler anrufe. Denn laut Pfandgeben-Entwickler Christoph Reinders sind derzeit rund 140 Sammelnde registriert. „Aus unseren Umfragen wissen wir, dass es meistens Geringverdienende, Rentnerinnen und Rentner, Arbeitssuchende und Sozialleistungsempfänger sind.“ Das Durchschnittsalter betrage 35 Jahre. Die Sammlerinnen und Sammler sind zwischen 19 und 76 Jahre alt. Weniger Pfand in der Krise: „Wir beobachten eine sehr hohe Spendenbereitschaft und viele Pfandspendende, die in der Krise Gutes tun möchten und bedürftige Menschen unterstützen. Im Vergleich zum letzten Jahr haben sich die Spendenzahlen 2020 mehr als verdoppelt“, sagt Reinders. Der Erlös durch Pfand geht zu 100 Prozent an die Sammlerinnen und Sammler. Doch wie ich von den Nutzern erfahre, scheint die App zumindest in Hannover auf der Spenderseite nicht sonderlich bekannt zu sein. Das erzählen zumindest die Zusteller Angela und Patrick, die sich mit dem Pfandsammeln etwas dazuverdienen. „Während der Corona-Krise verdienen wir weniger“, sagt die 29-jährige Angela. Sie vermutet, dass Menschen Angst hätten, die Abstandsregeln nicht einhalten zu können. Entwickler Reinders kann das nicht bestätigen, schließlich könne die Abgabe auch ohne Kontakt ablaufen, indem man das Pfandgut vorher ins Treppenhaus oder in die Garage stellt. „Wir werden beleidigt“: Angela und Patrick berichten ebenfalls, dass sie ihre meisten Einnahmen über Stammkunden verdienen. Schließlich sei die Konkurrenz gemessen an der relativ kleinen Zahl der Spendenden groß. 100 bis 150 Euro verdienen die beiden im Monat über Pfandgeben. Wenn es das Wetter zulässt, sind die beiden zudem mit einem Anhänger auf der Limmerstraße in Linden-Nord unterwegs. Doch beim Sammeln auf der Straße werde der Ton zunehmend rauer. Die zurückgebliebenen Pfandbehälter seien durch Corona rar – und die Konkurrenz auch hier groß. Die beiden 29-Jährigen berichten von Angriffen durch andere Sammler – sie seien schon mit Fahrradschlössern attackiert und geschlagen worden. „Ohne Pfefferspray machen wir das nicht“, sagt Patrick. Die Gewalt nimmt zu: Wegen der zunehmenden Härte würden sie bei Fußballspielen in normalen Zeiten keine Flaschen mehr rund um das Stadion sammeln. Hier habe eigentlich jeder sein eigenes Revier. Doch immer wieder sei es zu Angriffen durch andere gekommen. Auf der Tagesordnung stehe auch, dass Flaschen und Dosen aus dem Anhänger gestohlen werden, sagt Patrick. Doch die Gefahr gehe nicht nur von anderen Sammlern aus. Immer wieder komme es zu Übergriffen durch Betrunkene – sowohl am Stadion, wie auch auf der Limmerstraße. „Wir werden beleidigt und uns werden Falschen hinterhergeworfen“, berichtet Patrick. Beide würden gerne mehr Geld über die App einnehmen, weil dies ein sicherer Weg ist. „Aber die ist wohl noch zu unbekannt“, sagt Angela. Von Manuel Behrens