Schüleraustausch in der Corona-Pandemie: Zwei Schüler aus Hannover berichten

Einmal eine echte US-amerikanische High School besuchen oder im Mutterland des Fußballs seine Englischkenntnisse verbessern – diesen Traum erfüllen sich jedes Jahr mehrere tausend deutsche Austauschschüler. Doch die Corona-Pandemie durchkreuzte bei vielen diese Pläne. Noa Schuppe aus Hannover und Daniel Schauf aus Rethmar bei Sehnde ließen sich jedoch auch von Corona nicht vom Abenteuer Ausland abhalten. Im Spätsommer vergangenen Jahres fliegt die 17-jährige Noa von Deutschland nach Kalifornien. In dem kleinen Ort Lompoc zwischen Los Angeles und San Francisco besucht sie seitdem die Schule und wohnt bei einer Gastfamilie. „Für mich stand von Anfang an fest, dass ich ins Ausland gehe“, sagt sie in einem Videotelefonat. Ihre Eltern musste sie nicht lange überreden, sie trotz der Pandemie gehen zu lassen. „Meine Familie war eine große Unterstützung dabei. Sie weiß, dass es eine Erfahrung fürs Leben ist.“ Bei der Entscheidung half wohl auch, dass Noa bereits in Deutschland mit dem Virus infiziert war und keine Angst vor einer weiteren Ansteckung hat. „Das hat mich sehr entspannt und bei der Einreise in die USA geholfen, weil ich einen Antikörpertest vorweisen konnte“, erzählt sie. Eltern überlassen ihrem Sohn die Entscheidung: Auch Daniel Schauf wollte unbedingt noch während der Schulzeit ein Jahr im Ausland verbringen. Noch vor dem Beginn der Corona-Pandemie hatte er mit den Planungen dafür begonnen. Nun wohnt er seit August in Yaxley, einem Vorort von Peterborough im Osten Englands. „Der Aufenthalt hier stand im vergangenen Sommer auf der Kippe. Die Austauschorganisation hat mich gefragt, ob ich es trotz Corona machen wolle“, erzählt der 18-Jährige. Seine Eltern überlassen ihm die schwierige Entscheidung. „Die Situation ist im Grunde überall die gleiche, ob man in Deutschland oder Großbritannien ist, macht keinen großen Unterschied“, findet er. „Ich wollte es unbedingt während der Schulzeit machen, weil man so den echten Alltag kennenlernt, wenn man bei einer Familie wohnt. Wenn man später im Studium ins Ausland geht, ist es ein bisschen anders.“ Doch viele Schüler oder ihre Erziehungsberechtigten machten auch einen Rückzieher. Bei anderen gab es Schwierigkeiten, eine Gastfamilie oder eine Schule im Ausland zu finden, die sie aufnimmt. „Etwa 20 Prozent der Jugendlichen, die sich für unsere Programme angemeldet haben, konnten auch tatsächlich ihren Auslandsaufenthalt antreten“, berichtet Katharina Lemke von der Austauschorganisation AFS. Ihre Mitschüler lernt sie zunächst nur online kennen: Der Schulalltag von Daniel und Noa unterscheidet sich stark von den Schülergenerationen, die noch vor der Pandemie ins Ausland gingen. Während Daniel noch bis zum Herbst zur Schule gehen konnte, hat Noa ihre Klassenkameraden aus Kalifornien nur per Videokonferenz kennengelernt. Als Treffen von Sportmannschaften wieder erlaubt werden, schließt sie sich dem Volleyballteam an, obwohl sie in Ballsportarten schlecht sei. Doch so hat sie immerhin das erste Mal die Gelegenheit, das Schulgelände zu betreten und ihre Mitschüler nicht nur virtuell zu sehen. Schnell findet sie Anschluss. „Der Ort ist zum Glück klein genug. Wenn man ein paar Leute kennt, kennt man alle.“ Trotz der hohen Infektionszahlen in ihren Gastländern bleiben die beiden relativ gelassen. „Es ist ein bisschen gruselig, wenn man sich die Zahlen anschaut. Natürlich bin ich in einem Hotspot, aber die britische Mutation ist jetzt schon überall“, meint Daniel. In seiner bubble, wie die Briten den Personenkreis nennen, den sie treffen dürfen, fühle er sich sicher. Die Corona-Regeln verhindern jedoch auch, dass sie so manche Erfahrungen, die zu einem Austausch dazugehören, machen können. Noa hätte an ihrer High School gerne die Schulbälle erlebt. Daniels Schule bietet normalerweise viele außerschulische Aktivitäten an, die nun alle nicht stattfinden. Auch die Treffen der lokalen Pfadfindergruppe fallen aus, zu denen er eigentlich gehen wollte. „Das ist total schade“, sagt er. Aber lohnt sich ein Auslandsaufenthalt, wenn der Unterricht nur per Videokonferenz stattfindet und man sich hauptsächlich im Haus der Gastfamilie aufhalten darf? Noa hat dazu eine klare Meinung. „Trotz Corona ist es immer noch eine neue Erfahrung und es absolut wert“, meint sie. Trotzdem habe sie teilweise das Gefühl, dass die Kontaktbeschränkungen die Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse einschränken. Auch Daniel ist glücklich, nach England gefahren zu sein. „Meine Gastfamilie ist richtig super. Wir schauen zusammen Filme und machen Spieleabende. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt.“ Bis zum Sommer werden sie noch in ihren Gastländern bleiben. Vielleicht können sie die ein oder andere Erfahrung bis dahin noch nachholen. Von Inga Schönfeldt