Schulen und Corona: Elternvertreter in Hannover fühlen sich von Politik ausgebremst

Der Regionselternrat fordert von der Politik in der Corona-Krise erneut endlich mehr Tempo beim Digitalausbau und besseren Infektionsschutz in den Schulen. Nur so könne ab Mitte Februar wieder der Präsenzunterricht beginnen. Der Vorsitzende Oliver Röttger (43) kritisierte am Wochenende gegenüber der HAZ, dass der Staat kreative, schnelle Lösungen Einzelner mit umständlicher Bürokratie bremse, anstatt diese zu unterstützen. Das sei beim Digitalunterricht nicht anders als bei der Installation von Luftreinigungsgeräten in Klassenzimmern: „Ich kann als Versicherungsmakler nicht zu meinen Kunden sagen, sie sollen mal anderthalb Jahren warten, bis die Cloud funktioniert, ich muss mir schnell alternative Systeme suchen.“ „Schnelle digitale Lösungen werden verhindert“: Es sei völlig unverständlich, sagt Röttger, der in Langenhagen wohnt und selbst Vater zweier Kinder im Grundschulalter ist, wieso Schulen im ersten Shutdown nicht wie viele Unternehmen sofort auf verfügbare Software wie Zoom oder Microsoft Teams umgesattelt hätten. Der Staat habe dies durch Bedenkenträgerei verhindert. Aber Datenschutz sei in diesem Fall weniger wichtig als das Recht auf Bildung für die Kinder. „Nichtstun ist keine Alternative.“ Natürlich müsse man am Ende datenschutzkonforme Lösungen haben, aber im Notfall seien Flexibilität und Kreativität gefragt. Dass sich der Breitbandausbau bis 2023 hinziehe, sei ein Skandal. Aber genau dies werde ausgebremst, moniert die stellvertretende Vorsitzende des Regionselternrates Charlotte Jarosch von Schweder (38), Mutter einer 16-jährigen Tochter und eines achtjährigen Sohnes und selbst Sopranistin. So dürften beispielsweise Hausmeister, Eltern oder Lehrkräfte mit versierten IT-Kenntnissen keine Tablets für Kinder aus armen Familien konfigurieren, sondern nur die Experten der Stadtverwaltung. Tatsächlich hatten Schulen immer wieder berichtet, dass deshalb neue Tablets von bedürftigen Schülern wochenlang nicht genutzt werden konnten, da sie noch nicht mit der entsprechenden Software ausgestattet worden waren. Sind Luftreiniger einfach zu teuer? Bei einer Videokonferenz mit Ulf-Birger Franz, Regionsdezernent für Bildung, hatten die Elternvertreter jetzt erneut gefordert, die Klassenräume endlich mit Raumlüftern und durchsichtigen Trennwänden auszustatten. Nach Ansicht von Franz könnten Trennwände zwar als zusätzlicher Schutz eingesetzt werden, ersetzten aber nicht das Maskentragen. Wenn die Schüler mit ihrem Stuhl ein Stück vom Tisch abrückten, bliebe der Nutzen einer Trennwand fraglich. Bereits im Vorfeld hatte Franz darauf verwiesen, dass das Umweltbundesamt dem generellen Einsatz mobiler Luftfreinigungsgeräte skeptisch gegenübersteht. Aerosolforscher Prof. Christian Kähler von der Bundeswehruni München, der sein Konzept im Dezember beim Landeselternrat vorgestellt hatte, sieht das anders: Nur Lüfter senkten die Virenlast dauerhaft, durch normales Lüften werde die Virenlast nur kurzfristig und auch nur zu einem Bruchteil entfernt. Der Bundeselternrat hatte ausgerechnet, dass es 1,5 Milliarden Euro kosten würde, alle Klassenräume in Deutschland mit Luftreinigern auszustatten. Angesichts von der 9-Milliarden-Euro-Hilfe für Lufthansa könne der Staat auch 1,5 Milliarden Euro für die Sicherheit der Schulen ruhig ausgeben, sagt Röttger. Aus seiner Sicht sperrt sich die Politik „nur aus Kostengründen“ gegen die Installation von Luftreinigern. Noch fataler sei es, wenn dann innovative Ansätze von Eltern oder Unternehmen verboten würden, sagt Jarosch von Schweder. In der Stadt Hannover hatte eine Firma jüngst versucht, eine Schule für einen Modellversuch zur Wirkung von Luftreinigern zu finden, war aber an der Stadtverwaltung gescheitert. Elternvertreter Ralf Popp hatte in der jüngsten Sitzung des Schulausschusses darauf verwiesen, dass jetzt eine Privatschule zum Zuge gekommen sei. Das sei doch schön, dass das Unternehmen noch einen Abnehmer gefunden habe, hatte Schulamtsleiter Stefan Rauhaus geantwortet. Die Stadt stehe solchen Versuchen eher kritisch gegenüber. Lesen Sie auch: Privatschule in Hannover baut Lüftungen in Klassenräumen ein – weil die Stadt die Geräte nicht wollte Immerhin: Mehr Flexibilität beim Schülertransport: Röttger und Jarosch von Schweder sagen, es sei doch besser, wenn sich einzelne Schulen auf den Weg machten und etwas ausprobieren, von denen andere profitieren könnten, als wenn keiner etwas mache. Immerhin hat Franz in der Videokonferenz mit dem Elternrat mehr Flexibilität bei der Entzerrung des Schülertransports angekündigt. Wenn ein Schulvorstand entscheide, den Schultag später zu beginnen, dann müsse die Schule dies nur der Region mitteilen und dann könnten die Fahrzeiten der Busse unproblematisch angepasst werden. Auch freie Schulen sollen in den Fahrplan eingebunden werden. Schon seit Anfang August hat Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) den Schulen erlaubt, aus Infektionsschutzgründen den Unterrichtsbeginn zu verlegen. Gemacht haben das allerdings nur wenige Schulen. Es ist wohl die Macht der Gewohnheit. So wie auch viele Schulen zunächst den digitalen Unterricht um 8 Uhr starten ließen, bis die Server unter dem Ansturm zusammenbrachen. Von Saskia Döhner