Schulplattform IServ auch am Dienstag teilweise nicht erreichbar

Den zweiten Tag in Folge hatten am Dienstag Schüler und Lehrer im coronabedingten Distanzunterricht technische Probleme. Die von vielen Schulen in der Region Hannover eingesetzte Lernplattform IServ war nach Angaben von Twitter-Nutzern erneut nicht erreichbar: Vielfach bekamen die Schüler am Morgen keinen Zugang zu den von den Lehrern abgelegten Aufgaben. Auch Videokonferenzen brachen vereinzelt zusammen oder kamen gar nicht erst zustande. Das Braunschweiger Unternehmen, das die Lernplattform IServ entwickelt hat, versprach bereits kurz darauf, das Problem werde behoben. Auf einzelnen Servern würden noch Schwierigkeiten auftreten. Zum Teil sollte auch ein Update helfen. Nach Angaben des Landes befinden sich 94 Prozent der Schüler in Niedersachsen im Distanzunterricht. Gut 2000 Schulen nutzen dafür IServ, wie das Unternehmen erklärte. In Hannover sind es nach Angaben der Stadt etwa die Hälfte der 99 Schulen. Die Server entsprächen der für die Zahl der Schülerinnen und Schüler empfohlenen Kapazitäten, sagte eine Stadtsprecherin. Bisher habe es keine Hinweise gegeben, dass diese nicht ausreichten. Stadt Hannover wirbt für eigene Lernplattform: Die Stadt Hannover wirbt unterdessen für ihre eigene Plattform schulen-hannover.de, an die bereits seit April 2020 alle Schulen in der Stadt angeschlossen ist. Das sind rund 57.000 Nutzer. Wie viele Schüler hannover.schulen.de tatsächlich nutzen, ist unklar, da die Stadt aus Datenschutzgründen keine Verbindungsdaten aufzeichnet. Bildungsdezernentin Rita Maria Rzyski sagte, alle Schulen seien eingeladen, diese Plattform für das Homeschooling zu nutzen, die Stadt plane nicht, die Kapazitäten des IServ-Schulservers zu erweitern, da man eine eigene Lösung habe, die kurzfristig keine weiteren Kosten verursache und stabil laufe. Möglich ist es auch eine Verbindung von IServ mit schulen-hannover.de IServ-Verbindungsprobleme gab es offenbar auch in anderen Ländern und den bundesweit angeschlossenen 4200 Schulen. Ursache waren am Dienstag anders als noch am Montag auch einzelne Schulserver, die der Last der Anfragen nicht standhielten. Darauf deutete nach Angaben von Twitter-Nutzern die Fehlermeldung „502 Bad Gateway“ hin. Bereits am Montag hatte es Verbindungsprobleme im Homeschooling gegeben, teilweise auch mit der niedersächsischen Bildungscloud, einem ähnlichen, landeseigenen System. Die Probleme sollten eigentlich am Dienstag gelöst sein. Zunächst war am Montag nach Angaben von IServ-Gründer und Geschäftsführer Jörg Ludwig in erster Linie der Dienst für Videokonferenzen zusammengebrochen. Das hatte laut Ludwig seine Ursache in eigenen Servern von IServ und sei behoben worden. „Bisher laufen heute die Videokonferenzen stabil“, sagte Ludwig am Dienstag. Vor Weihnachten hätten täglich 1,5 Millionen Nutzer Videokonferenzen mit IServ abgehalten. „Inzwischen können wir 3 Millionen Zugriffe verarbeiten.“ Die neuerlichen Probleme am Dienstag waren offenbar anderer Art als am Vortag. Sie betrafen weitere Funktionen der Lernplattform wie den E-Mail-Dienst oder das virtuelle Aufgabenbrett. Manche Schüler bekamen gar keinen Zugriff mehr auf die Plattform – verbunden mit der unverständlichen Meldung „502 Bad Gateway“. Die Ursache dafür verortet der IServ-Geschäftsführer auf den Servern der einzelnen Schulen. „Oft sind die Server der Schulen noch nicht für das Homeschooling mit vielen parallelen Zugriffen ausgelegt. Darum kommt es in einzelnen Schulen zu Problemen“, sagte Ludwig der HAZ. Davon betroffen waren in der Stadt Hannover etwa die Ricarda-Huch-Schule oder die Goetheschule, aber auch andere Schulen in Stadt und Umland. In Laatzen berichteten etwa Eltern am Erich-Kästner-Gymnasium auch am Mittag noch von Verbindungsproblemen. IServ rollte Update aus: Einen Teil der Probleme wollte IServ am Dienstag mit einem Software-Update lösen, das laut Ludwig den Zugriff von außen auf die Schulserver besser organisiert und am Vormittag verteilt wurde. „Die Techniker sind dran, sodass es in den meisten Fällen bald keine Probleme mehr geben sollte.“ Doch das Softwareupdate reiche bei einzelnen Schulen nicht, wenn die Server veraltet oder zu klein sind. „Da muss zusätzlich von den Schulen die Hardware aufgerüstet werden.“ Ludwig warb um Verständnis sowohl für IServ als auch für die Schulen: „Das ist eine ganz neue Situation für uns alle, eine Ausnahmesituation.“ Erst 10 Prozent der Summen aus Digitalpakt bewilligt: Für die Ausrüstung der Schulen sind die Träger, also Städte und Gemeinden zuständig. Sie können dafür auch Mittel aus dem Digitalpakt Schule nutzen. Dafür stehen bundesweit 5 Milliarden Euro und in Niedersachsen 522 Millionen Euro zur Verfügung. Gerade einmal zehn Prozent der Summe, 55,1 Millionen Euro, waren nach Angaben des Kultusministeriums bis Dienstag bewilligt – was noch nicht heißt, dass Städte und Gemeinden es auch abgerufen haben. Insgesamt hatten die Schulträger bis Dienstag Fördergelder in Höhe von knapp 65 Millionen Euro beantragt. Noch nicht alle Anträge waren vom Land bewilligt. Die Landeshauptstadt kann insgesamt 20,2 Millionen Euro aus dem Digitalpakt für seine 99 allgemeinbildenden Schulen einsetzen. Die Landeshauptstadt hat bisher kein Geld aus dem Digitalpakt abgerufen, wie eine Sprecherin der HAZ sagte – es sei aber auch nicht geplant gewesen, Geld aus dem Digitalpakt in den Ausbau der Serverkapazitäten zu investieren. Stadt Hannover: Ausreichend Serverkapazitäten: Kritik am Zusammenbruch kam aus der Ratsopposition: „Wenn es wirklich daran liegt, dass die Schulserver zusammenbrechen, dann reicht offenbar die Ausstattung nicht aus – das läge in der Verantwortung der Stadt“, sagte die CDU-Bildungspolitikerin Stefanie Matz. Die Stadt sieht hingegen kein Versäumnis: Seit dem vergangenen Mai hätten alle Schulen in Hannover die Möglichkeit, die eigene städtische Plattform schulen-hannover.de für den Fernunterricht zu nutzen – mit ausreichend Serverkapazitäten. Die Pattform sei „technisch leistungsstark und ausbaufähig“, sagte die Sprecherin. Die Stadt könne auch „kurzfristig Kapazitäten erhöhen“. Doch nicht alle Schulen in Hannover haben dem Angebot offenbar getraut: „Viele Schulen hatten aber Sorge, sich nun mit einem neuen System befassen zu müssen, und pädagogisch entschieden, ihren Schulserver weiter zu nutzen.“ Die Stadt hatte empfohlen, ihre eigene Pattform für das Homeschooling zu nutzen. IServ wird häufig als Schulplattform oder Bildungsserver bezeichnet. Doch was bedeutet das konkret? Vereinfacht gesagt handelt es sich bei IServ um ein dezentrales Computerprogramm, auf das Lehrkräfte und Schulleiter sowie Schülerinnen und Schüler jeweils mit ihrem individuellen Account von jedem internetfähigen Computer Zugriff haben. So können die Anwender auch zu Hause die Angebote nutzen – eine Grundvoraussetzung für das Homeschooling in Zeiten der Pandemie. Verschiedene Dinge können dann von den Anwendern genutzt werden. Zu den wichtigsten gehören: Jeder Anwender hat eine eigene E-Mailadresse. So können etwa Lehrer mit Schülern in Kontakt treten. Datenaustausch. So können etwa Lehrer der gesamten Klasse Arbeitsblätter zur Verfügung stellen, die dann auch von zu Hause aus erledigt werden können. Ausgefüllte Arbeitsblätter können dann auch von den Schülern wieder zurück an den Lehrer geschickt werden. Seit kurzer Zeit steht auch die Videokonferenz-Funktion zur Verfügung. Schulleitungen und Lehrkräfte können zudem weitere Funktionen zur schulinternen Organisation nutzen, etwa Terminkalender. IServ wird von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen angeboten und ist kostenpflichtig. Es ist indes nicht die einzige Form, über eine Cloud Unterricht zu digitalisieren. In Niedersachsen verbreitet ist etwa auch die sogenannte Bildungscloud (NBC), die direkt vom Land betreut wird. Die Systeme arbeiten oftmals nicht in Konkurrenz zueinander, sondern können miteinander verbunden werden, um weitere Funktionen zu ermöglichen (etwa den Austausch bestimmter Informationen zwischen verschiedenen Schulen). Von Karl Doeleke und Saskia Döhner