Sommertreiben in der Stadt erfreut in Hannover Besucher und Schausteller

,,Einsteigen! Es geht in die nächste Runde!“ Aus dem Kassenhäuschen des Kettenkarussells dringt die Ansage so lautstark über den Opernplatz, als bedürfte es eines Zeichens: Nach all den stillen Corona-Monaten ist wieder hörbar Leben in Hannovers Innenstadt eingekehrt – das Sommertreiben in der Stadt, ein bisschen Rummel zwischen Maschsee, Goseriede und Lister Meile. Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und Vertreter der Schausteller haben am Freitag vor der Oper das bunte Treiben eröffnet, das mindestens vier Wochen dauern soll. „Wir schaffen es, hiermit ein kleines bisschen Volksfeststimmung in die Stadt zu bringen“, hob Onay hervor. Unter strengen Hygienevorgaben soll hier nicht zuletzt ausprobiert werden, wie man nach und nach wieder zu größeren Veranstaltungen wie einem Oktoberfest oder Weihnachtsmarkt übergehen kann. 38 Karussels und Buden quer durch die City: Vorerst 38 Schausteller laden dazu ein, täglich in der Zeit von 11 Uhr bis 20 Uhr Fahrgeschäfte und Buden zu besuchen und Kirmesleckereien zu sich zu nehmen. Die Schaustellergeschäfte verteilen sich auf Opernplatz und Platz der Weltausstellung, auf die Lister Meile, das Steintor und die Goseriede sowie das Nordufer des Maschsees. „Nachdem in diesem Jahr wegen des Verbots von Großveranstaltungen bis zum 31. Oktober keine Volksfeste stattfinden dürfen, bieten die Schausteller hier ein alternatives Veranstaltungsformat“, sagte Fred Hanstein, der Vorsitzender des niedersächischen Schaustellerverbandes ist. Vorbilder gibt es in München, Bremen und Düsseldorf. In Hannover hätten alle Beteiligten – von der Politik bis zu Polizei und Feuerwehr – die Sache engagiert unterstützt. Onay bekennt bei der Eröffnung: „Ich bin total der Volksfestfan.“ Er werde mit der Familie wiederkommen. Schausteller freuen sich: „Das ist Gänsehaut-Feeling“: „Für mich ist heute Weihnachten und Ostern an einem Tag“, sagt Marcel Armbrecht. Obwohl an diesem heißen Tag zum Auftakt des Rummels nur vereinzelt Kinder in seinem Kettenkarussell über dem Opernplatz kreisen, strahlt der Betreiber vergnügt. Acht Monate haben der Schausteller und seine Kollegen nicht arbeiten können, nach dem Weihnachtsmarkt war Schluss. „Jetzt geht es endlich wieder los“, sagt der 43-Jährige. „Das ist Gänsehaut-Feeling.“ Was das Vergnügen in Hannover finanziell bringt, ist zwar noch unklar. Doch er und seine drei Geschwister seien quasi von Geburt an Schausteller, erzählt Armbrecht. „Immer zu Hause sein, immer das Gleiche sehen, das ist einfach nicht unsere Chemie.“ Optimistisch zeigen sich auch die Betreiber und Angestellten von Buden quer durch die Stadt. „Das Wetter ist schön, die Leute haben wieder Lust“, meint Lukas Derda, der Entenangeln anbietet. Hauptgewinn dort ist ein Einhornstofftier. Dirk Bötticher, ein Stück weiter am Bratwurststand, sagt: „Wir sind froh, dass wir überhaupt Gelegenheit haben, wieder Geld zu verdienen.“ Da seien die strengen Hygienevorgaben zu verschmerzen, die unter anderem verbieten, die Wurst direkt am Stand zu genießen. „Desinfizieren und Abstände klappen problemlos“, meint Björn Ahrend, der an der Goseriede Trampoline aufgestellt hat. „Das ist auch zukunftsweisend für andere Veranstaltungen.“ Familien zieht es zu den Karussells: „Er will überall rein“: Vor allem Familien mit kleinen Kindern zieht es zu den Karussells und an die Buden. Im Kinderkarussell am Steintor dreht der zweijährige David gleich mehrere Runden – mal im Feuerwehrauto, mal im Rennwagen. „Er will da überall rein“, erzählt Alexander Kovacs, der seinem kleinen Sohn während der Fahrten zur Seite steht. Gerade erst hat die Familie erfahren, dass der Rummel in der Innenstadt mehrere Wochen dauern soll. „Super“, findet der Gärtner aus Mittelfeld. Bei einem Stadtbummel ist auch Jessica Yokota aus Ricklingen – unterwegs mit Mutter, Nichte und Neffen – auf die Attraktionen gestoßen. „So was haben wir vermisst“, sagt die 41-Jährige. Die sieben Jahre alte Mary und ihr 13-jähriger Bruder Miquele stürzen sich gleich auf eine Bude, an der man mit Magnetangeln „Fortnight“-Figuren erwischen kann, leider klappt es nicht gleich auf Anhieb. Ähnlich geht es Nadine Yüksekova aus dem Sahlkamp, die für ihre dreijährige Tochter Miray einen Dino erwischen möchte. „Sie ist verrückt danach“, erzählt die Mutter. Anlieger hoffen auf Belebung: „Vielleicht mehr Laufkundschaft“: Der Rummel kann zur Belebung der Innenstadt beitragen, meinen die Anlieger. Güldane Danirt betreibt seit 2002 am Steintor einen Zeitungs- und Tabakladen. Nach der langen Corona-Schockstarre komme das Geschäft jetzt langsam wieder in Gang, erzählt die 57-Jährige. Sie freue sich, dass auf dem Platz endlich wieder ein – wenn auch kleines – Fest stattfinde: „Das bringt ein bisschen Leben.“ Sie hoffe, dass die Leute wieder mehr in die Stadt gehen und vielleicht auch mehr Laufkundschaft kommt. Massimo Dall’Asta in seinem benachbarten Eiscafé freut sich ebenfalls über die vorsichtige Wiederbelebung des öffentlichen Lebens am Platz. „Alles ist besser als gar nichts“, meint der Gastronom. Corona halte immer noch viele Menschen von einem Besuch der City ab, hat der 67-Jährige beobachtet. Da könnte das Sommertreiben etwas gegensteuern: „Je länger, desto besser.“ Auch Kaya Bulut, Chef des Friseurladens Tricolor, hofft auf zusätzliche Kunden, er vergebe Termine auch kurzfristig. Gegenüber dem Laden lockt eine Bude mit allerhand Süßkram, auf die hat der 38-Jährige schon ein Auge geworfen. Der Friseur verrät: „Ich mag so gern kandidierte Äpfel, da werde ich mir nach der Arbeit selbst einen holen.“ Lesen Sie auch Statt Schützenfest und Maschseefest: Hannover erlaubt Buden und Karussells in der Stadt Von Gabriele Schulte