Die juristische Aufarbeitung der Steinwürfe auf eine jüdische Tanzgruppe ist beendet: Das Amtsgericht Hannover hat am Montag einen 15-Jährigen verurteilt, der an dem Vorfall auf dem Sahlkampmarkt im vergangenen Sommer beteiligt war. Nach Überzeugung des Gerichts hat der damals 14-Jährige mindestens einen Stein in Richtung jener Tänzerin geworfen, die bei der Übergriff leicht verletzt worden war.
Die Richter verurteilten den Jugendlichen zu einer Arreststrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Außerdem muss er sechs Monate lang einmal pro Woche an einem Anti-Aggressions-Training teilnehmen und fünf Tage gemeinnützige Arbeit leisten. Für das Strafmaß spielte der Steinwurf jedoch nur eine untergeordnete Rolle.
Der 15-Jährige musste sich wegen mehrerer Taten vor Gericht verantworten. Am schwersten wog ein Fall von schwerer räuberischer Erpressung im März 2010, als er mit einer sogenannten Softair-Pistole auf den Kopf einer Frau zielte und sie dadurch zur Herausgabe von Geld zwang. Die Frau ist durch den Vorfall so stark traumatisiert, dass sie bis heute nicht wieder arbeiten kann. Außerdem hat das Gericht den Jugendlichen der Hehlerei und zweier Fälle von Diebstahl für schuldig befunden. Den Steinwurf auf die Tänzerin wertete das Gericht als versuchte gefährliche Körperverletzung.
Der Vorfall bei einem multikulturellen Fest im Juni 2010 hatte auch international Aufsehen erregt. Nach Augenzeugenberichten hatten mehr als ein Dutzend überwiegend arabischstämmiger Kinder und Jugendlicher den Auftritt einer Tanzgruppe der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover mit Kieselsteinwürfen gestört. Die Gruppe musste den Auftritt abbrechen. Es sollen auch antijüdische Parolen gerufen worden sein.
Die Suche nach den Tätern gestaltete sich dann jedoch schwierig. Die Polizei ermittelte gegen insgesamt 14 Personen, konnte aber nur fünf von ihnen die Würfe konkret nachweisen. Drei von ihnen sind Kinder und somit nicht strafmündig, ein 19-Jähriger leidet unter einer geistigen Behinderung.
Der 15-Jährige, ein Deutscher, ist der einzige, der schließlich vor Gericht landete. Antisemitische Motive schloss ein Sprecher des Gerichts bei ihm jedoch aus. Es handele sich bei ihm um einen Mitläufer, der sich ohne eigene Reflexion an den Steinwürfen beteiligt habe. Die Öffentlichkeit war von der Verhandlung ausgeschlossen. Als Rädelsführer der Tat hatte die Staatsanwaltschaft einen Neunjährigen identifiziert.
Der Übergriff hatte im vergangen Jahr eine Reihe von Solidaritätserklärungen mit der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover nach sich gezogen. Sozialwissenschaftler hatten auf antisemitische Einstellungen gerade unter muslimischen Jugendlichen hingewiesen. Die Stadt kündigte ein Programm für mehr Respekt unter Kindern und Jugendlichen an. Erste Aktionen sind im Sahlkamp gelaufen, ein umfassendes Konzept will die Stadt im Frühjahr der Öffentlichkeit vorstellen.
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