Der Rat der Stadt Hannover schlägt sich über alle Parteigrenzen hinweg auf die Seite von Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) und verteidigt ihn gegen Verbalattacken der rechtsgerichteten „Hannoveraner“. Die Wählergruppe will in der kommenden Sitzung des Rates eine Debatte über die „Neutralitätspflicht des Hauptverwaltungsbeamten“ anzetteln.
Dahinter steckt die Frage, ob Schostok an der Gegendemonstration zum islamfeindlichen Hagida-Aufmarsch vor zwei Wochen teilnehmen, dort eine Rede halten und seine Mitarbeiter zur Teilnahme aufrufen durfte. Die Ratspolitiker von SPD, CDU, Linken, FDP und Piraten wollen sich auf die Debatte nicht einlassen, sondern verlesen eine gemeinsame Erklärung - ein einmaliger Vorgang in der hannoverschen Kommunalpolitik.
Wie es heißt, brauchte es nur wenige Minuten, bis sich der Rat einig war. Am Erklärungstext wird derzeit noch juristisch gefeilt, ein Entwurf liegt der HAZ vor. Die politische Aussage am Schluss des Textes steht bereits fest und ist unmissverständlich: „Wir stellen fest, dass OB Schostok sein Amt verantwortungsvoll und besonnen im Interesse unseres demokratischen Gemeinwesens ausübt. Das begrüßen wir ausdrücklich.“ Den Text soll aller Voraussicht nach der Vorsitzende des Rats, Bürgermeister Thomas Hermann (SPD), vortragen. Zuvor haben die „Hannoveraner“ das Wort und leiten ins Thema der von ihnen beantragten „Aktuellen Stunde“ ein. „Herr Schostok hat eine Neutralitätspflicht“, sagt Jens Böning, Fraktionschef der „Hannoveraner“.
Tatsächlich ist es juristisch eine heikle Frage, inwieweit sich ein Oberbürgermeister außerhalb von Wahlkämpfen in aktuelle politische Themen einmischen darf. „Das ist in der Rechtssprechung nicht hinreichend geklärt“, sagt Stefan Wittkop, Experte für Innen- und Kommunalpolitik beim Niedersächsischen Städtetag. Er verweist auf den jüngsten Fall in Düsseldorf. Dort hat das Oberverwaltungsgericht einen Eilantrag der Dügida („Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) gegen Oberbürgermeister Thomas Geisel abgelehnt. Geisel hatte Bürger zur Teilnahme an einer Gegendemonstration und zum Beleuchtungsboykott aufgerufen. In erster Instanz wurde dem Einspruch der Dügida jedoch stattgegeben.