In Jaydens Fall verhielt sich der Angeklagte den Ermittlungen zufolge deutlich rücksichtsloser als bei den Taten zuvor, die er in Bayern beging. S. sprach den Jungen am 18. August 2014 auf der Straße an. Er brachte den Jungen in sein Auto, trug ihn versteckt in einer Decke in seine Wohnung und gab ihm dort ein Beruhigungsmittel. Dann soll er ihn missbraucht haben. Er badete das Kind auch und fotografierte es. Er beleidigte und schlug den Jungen den Ermittlungen zufolge – weil Jayden nicht alles mitmachen wollte, was S. vorhatte. Der Junge berichtete den Ermittlern auch, S. habe ihn ins Bein gebissen.
Rund zwei Stunden später setzte S. das weinende, noch benommene Kind in der Nähe einer Schule einfach wieder aus. Als er das Kind aus dem Auto zog, griff er offenbar so fest zu, dass am Arm blaue Flecke entstanden. Er beobachte noch aus der Entfernung, wie eine Frau den Jungen ansprach – und fuhr dann zur Arbeit an der Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Dort kam er zu spät.
Richter Lenart Hoesch wollte gestern von Harry S. wissen, warum er an diesem Tag zum ersten Mal einen Jungen in seine Wohnung entführte. S. sagt: „Ich wollte ungestört sein.“ In Augsburg war das nicht möglich, dort wohnte er noch im Haus seiner Eltern. S. gibt die Entführung des kleinen Jayden zu, schildert sie aber harmloser als die Anklageschrift. Er bestreitet, den Jungen geschlagen zu haben. Auch den Biss habe es nicht gegeben. Nächste Woche will die Jugendkammer des Augsburger Landgerichts den Jungen zu der Tat befragen.
Von Jörg Heinzle