„Das ist nie richtig beleuchtet worden“, sagt Pollähne. Zeitlebens habe Schmidt Nachfragen zu dem Thema unbeantwortet gelassen: „Aber das wird kommen müssen.“
Auch SPD-Ratsfraktionschefin Christine Kastning zeigt sich eher abwartend: „Bevor man eine Straße nach ihm benennt, muss man sich mit der Persönlichkeit auseinandersetzen, es wird eine wissenschaftliche Diskussion stattfinden“, sagte sie am Rande einer SPD-Veranstaltung zum Thema Erinnerungskultur im Neuen Rathaus.
Die Historikerin und Buchautorin Kristina Meyer („Die SPD und die NS-Vergangenheit“) sprach dort darüber, dass es in der SPD der Nachkriegszeit eine „permanente Gratwanderung“ zwischen der Aufarbeitung des NS-Unrechts und Aussöhnungsversuchen gegeben habe. So habe Kurt Schumacher gar Verbindungen zur Hiag („Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“) gepflegt, einer rechten Organisation ehemaliger Waffen-SS-Mitglieder. Auch Helmut Schmidt habe Kontakte zur Hiag gehabt: „Das ist mir unbegreiflich“, sagt Meyer. Schmidt habe sich kaum zu seinen Erlebnissen an der Ostfront geäußert, eine Debatte dazu stehe bis heute aus: „Wäre er früher gestorben, hätte es diese Diskussion längst gegeben.“
Pollähne zeigte sich zufrieden darüber, dass die Umbenennung der Sohnreystraße in der Südstadt inzwischen beschlossen ist. Der Blut-und-Boden-Dichter Heinrich Sohnrey sei „kein Mensch, der würdig ist, mit der Benennung einer Straße geehrt zu werden“. Er regte zudem die Umbenennung des Porscheweges in Vahrenwald an: Der Autokonstrukteur Ferdinand Porsche sei „einer der fürchterlichsten NS-Kollaborateure“ gewesen.
Im vergangenen Jahr hatte ein wissenschaftlicher Beirat die Umbenennung mehrerer Straßen empfohlen, deren Namensgeber in NS-Unrecht verstrickt waren: „Es wird auch einen Sozialdemokraten treffen, der sich bei Arisierungen die Finger schmutzig gemacht hat“, sagt Pollähne mit Blick auf die Julius-Brecht-Straße. Der Wohnungsbaupolitiker Brecht hatte bis 1962 für die SPD im Bundestag gesessen. Gleichwohl mahnte Pollähne zur Besonnenheit: „Man muss nicht jeden Konservativen in die Tonne treten“, sagte er: „Wir sind schließlich keine Bilderstürmer.“