Urteil im Schostok-Prozess: Der Liveticker aus dem Landgericht Hannover

Die Urteile im monatelangen Prozess zur Rathausaffäre in Hannover sind gesprochen: Hannovers früherer Oberbürgermeister Stefan Schostok erhält einen Freispruch, sein ehemaliger Büroleiter Frank Herbert muss eine Geldstrafe von insgesamt 20.400 Euro zahlen. Hannovers Ex-Personaldezernent Harald Härke erhielt elf Monate Haft auf Bewährung wegen besonders schwerer Untreue. Ob Revision gegen das Urteil eingelegt wird, ist derzeit noch offen. Oberstaatsanwalt Thomas Klinge will sich nun die Urteilsbegründung noch einmal gründlich durchlesen. Im Kern ging es in dem Prozess um jahrelang gezahlte Gehaltszuschläge an Herbert – sie summierten sich bis Mai 2018 auf rund 50.000 Euro. Im Zuge der Vorgänge im Rathaus stellte Schostok sein Amt zur Verfügung, im November vergangenen Jahres wurde mit Belit Onay (Grüne) ein neuer Oberbürgermeister in Hannover gewählt. Lesen Sie auch: Das müssen Sie zum Prozess wissen Hier können Sie die Urteilsverkündung im Liveticker nachlesen: 23.04.20 11:08 +++ Das Fazit: +++ Schostok ist freigesprochen, Herbert zu einer Geldstrafe verurteilt, Härke zu einer Haftstrafe auf Bewährung und zu einer Geldstrafe. Vor allem der Freispruch für Schostok ist eine Überraschung, denn damit entfernt sich das Gericht weit von der Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer achtmonatigen Haftstrafe. Schostok habe zwar von der Rechtswidrigkeit der Zulage im Oktober 2017 gewusst, habe sich aber von Herbert überzeugen lassen, dass die Zulage mit dem Innenministerium abgestimmt sei. Damit entfalle der Vorsatz. Und es gilt: Im Zweifel für den Angeklagten. Oberstaatsanwalt Thomas Klinge will sich die Urteilsbegründung noch einmal gründlich durchlesen und möglicherweise vorab Rechtsmittel einlegen . Das bedeutet: Es könnte Revision vor dem Bundesgerichtshof eingelegt werden. 23.04.20 10:45 +++ Gerberding: Auch Herbert war kooperativ +++ Auch Herbert habe sich kooperativ gezeigt, sagt der Richter. Beamtenrechtliche Konsequenzen seien zu berücksichtigen. Daher bleibt es bei einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen á 170 Euro. Damit schließt Gerberding die Sitzung. "Bleiben Sie gesund , halten Sie Abstand", sagt der Richter zum Schluss. 23.04.20 10:42 +++ "Härke war geständig und kooperativ" +++ Jetzt kommt Gerberding noch einmal auf Härke zu sprechen. Härke sei geständig und kooperativ gewesen, habe keinen finanziellen Vorteil erstrebt. "Deshalb müssen wir den unteren Bereich des Strafmaßes diskutieren", sagt Gerberding. Härke drohe Aberkennung der Pensionsansprüche durch das nachfolgende Disziplinarverfahren. "Elf Monate halten wir für schuldangemessen", sagt der Richter. Zudem muss Härke 20.000 Euro zahlen. 23.04.20 10:38 +++ "Unvermeidbarer Verbotsirrtum" bei Schostok +++ Weiter zu Schostok: Der hatte keinen Anlass, an der Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz seines Büroleiters Herbert zu zweifeln, meint Gerberding. Zugute hält der Richter Schostok auch, dass er kein formal ausgebildeter Jurist ist. Es handele sich im Ergebnis um einen "unvermeidbaren Verbotsirrtum", insofern gehe Schostok straffrei aus. 23.04.20 10:35 +++ Richter Gerberding: Schostoks Verhalten ist strafrechtlich nicht relevant +++ Schostoks Rolle sei schwierig rechtlich zu bewerten, sagt Gerberding. Die Pflichtwidrigkeit seines Handelns war Schostok nicht bewusst, meint der Richter. Schostok stellte sich einen "Erlaubnissatz" vor, wie die Juristen sagen, nämlich: Er meinte, die Pauschale sei vom Innenministerium genehmigt. Aber konnte er diesen Irrtum vermeiden? War es richtig, denjenigen mit der Prüfung zu beauftragen, der von der Zulage profitierte? "Das war es zweifellos nicht", sagt der Richter. Der damalige Oberbürgermeister hätte einen neutralen Juristen beauftragen müssen. Doch der Fehler, Herbert zu beauftragen, habe sich kausal nicht ausgewirkt. Denn auch andere Juristen im Rathaus wären letztlich bei Härke gelandet, der gesagt hätte, alles sei mit dem Ministerium abgestimmt. "Aber es gibt Optionen, wie man es hätte besser machen können: Gleich bei der Kommunalaufsicht nachfragen", sagt Gerberding. Dennoch: Das Verhalten von Schostok sei nicht strafrechtlich relevant. 23.04.20 10:27 +++ Im Fall Herbert: Betrug durch Unterlassen +++ Noch einmal zu Schostoks früherem Büroleiter Frank Herbert: Es liege bei ihm ein "Verbotsirrtum" vor, meint der Richter. Herbert habe sich vorgestellt, dass er mehr arbeite und dadurch mehr Geld bekomme. Über die Rechtswidrigkeit seiner Zulage habe er sich geirrt, aber diesen Irrtum hätte er vermeiden können, etwa indem er sich über Besoldungsrecht hätte informieren können. Insofern kommt Gerberding zum dem Schluss: Betrug durch Unterlassen. 23.04.20 10:23 +++ Dreifache Untreue im Fall von Härke +++ Drei Fälle von Untreue sieht Richter Gerberding bei Härke: Zum einen die erste Festlegung von Zulagen für Herbert, danach die Veränderung dieser Zulage in einen befristeten Bonus und die Pauschale für Feuerwehrchef Lange. Bei Herbert könne man anfangs nicht ausschließen, dass ihm die Rechtswidrigkeit der Zulage nicht bekannt gewesen sei. "Er hätte seinen Dienstherrn darauf hinweisen müssen, dass die Zulage Zweifeln unterliegt", sagt Gerberding. Der Richter zu Schostoks Rolle: "Die These ist nicht zu halten, dass die drei Angeklagten sich abgesprochen hätten, um etwas Rechtswidriges zu planen", sagt Gerberding. 23.04.20 10:16 +++ "Herbert hätte Mehrarbeit dokumentieren müssen" +++ "Was hätte Herbert tun können angesichts seiner Mehrarbeit?", fragt Gerberding. Er hätte seinen Dienstherrn einschalten und bitten sollen, Abhilfe zu schaffen, also die Überstunden zu reduzieren. Und er hätte seine Mehrarbeit dokumentieren müssen. Aber er habe sich mit Zulagen beholfen, sagt Gerberding. 23.04.20 10:09 +++ "Herbert hat mehr gearbeitet als üblich" +++ Gerberding kommt zur rechtlichen Bewertung: Herbert habe mehr gearbeitet und einen weiteren Aufgabenbereich gehabt als üblich, insofern hätte man ihn tatsächlich höher besolden können, meint Gerberding. Aber die formellen Voraussetzungen dafür fehlten. Überstunden wurden nicht dokumentiert. "Auch die Voraussetzungen für einen Ausgleichs-oder Schadensersatzanspruch liegen nicht vor", sagt Gerberding. Einen solchen Anspruch hatte Herbert für sich durchaus reklamiert. 23.04.20 10:04 +++ Richter: Härke hat Zustimmung manipuliert, Schostok hatte kein Bewusstsein für Unrechtmäßigkeit +++ Gerberding geht auf einen Whatsapp-Chat zwischen Schostok und Herbert ein. "Darin ist keinerlei Hinweis darauf, dass die beiden wussten, dass sie eine rechtswidrige Zahlung erhalten oder genehmigt hatten", sagt Gerberding. Auch sei glaubhaft, dass Schostok kein Bewusstsein dafür hatte, dass in Sachen Zulagen rechtswidrig gehandelt wurde. Er habe sich auf die Aussage Härkes verlassen, dass alles mit dem Innenministerium abgesprochen sei. "Herr Schostok wusste ab 24.10 2017 von der Rechtswidrigkeit der Zulagen, bekam aber die Info: Härke habe die Zustimmung der Kommunalaufsicht eingeholt", ist der Richter überzeugt. Diese Zustimmung aber habe Härke manipuliert. 23.04.20 09:55 +++ Schostok fotografierte Aktenvermerk +++ Nun kommt die Rede auf Schostok. Der hielt im Oktober 2017 einen umfangreichen Aktenvermerk in den Händen, der ausdrücklich auf die Rechtswidrigkeit der Zulagen für Herbert hinweist. Schostok fotografierte die Seiten ab und schickte sie an Herbert. "Wir haben keine Zweifel, dass Schostok den Inhalt zur Kenntnis genommen hat", sagt Gerberding. Herbert antwortete, das sei aber eine "echte Pauschale" und insofern alles in Ordnung. "Herbert erwähnt nicht, dass es bereits 2015 Zweifel an der Rechtmäßigkeit gab", sagt der Richter. 23.04.20 09:49 +++ "Härke wollte Druck aufbauen " +++ Zurück zu Herbert und dessen Zulagen: Als Härke im Frühjahr 2017 unter Druck geriet, weil ihm vorgeworfen wurde, dass er seiner Lebensgefährtin eine Stelle zuschanzen wollte, ließ er einen Aktenvermerk über die Rechtswidrigkeit der Zulagen für Herbert anfertigen. "Das sollte ein Mittel sein, um selbst Druck aufbauen zu können", sagt Gerberding. 23.04.20 09:43 +++ Boni für Feuerwehrchef: Gericht glaubt Härkes Aussage nicht +++ Exkurs zu Feuerwehrchef Lange, der ebenfalls Gehaltsboni erhielt, die ihm in seiner Besoldungsgruppe nicht zustanden: Härke hatte behauptet, dass die Kommunalaufsicht die Zulage für den Feuerwehrchef genehmigt habe. Das Gericht glaubt aber dem Leiter der Kommunalaufsicht, der als Zeuge ausgesagt hatte, keinesfalls seine Zustimmung erteilt zu haben. "Der hat sich nicht geirrt", sagt Gerberding. 23.04.20 09:33 +++ "Härke hat Einwände ignoriert" +++ Härke wiederum hatte im April 2015 die unmissverständlichen Hinweise von seinen Mitarbeitern bekommen, dass Herbert keine Zulagen erhalten dürfe. "Härke hat diese Einwände zur Kenntnis genommen, aber ignoriert", sagt der Richter. Offenbar wollte er nicht das Bild des Personaldezernenten beschädigen, der "Dinge möglich mache". Womöglich wollte er auch seinen guten Draht zu Herbert, engster Mitarbeiter des OB, nicht gefährden. 23.04.20 09:27 +++ Richter: Herbert wollte Bedenken an Rechtmäßigkeit der Zulagen nicht überprüfen +++ Glaubhaft sei aber, dass ein Mitarbeiter der Personalabteilung Herbert mündlich Bedenken mitteilte, dass die Zulage nicht rechtskonform sei. "Das ist glaubhaft, denn Herbert habe überrascht reagiert, wie uns andere Zeugen berichteten", sagt Richter Gerberding. Herbert habe das jedoch nicht überprüfen wollen. Schostoks damaliger Büroleiter hat sich offenbar auf die Aussage Härkes verlassen, alles sei mit der Kommunalaufsicht abgestimmt. Einzuwenden sei, sagt der Richter, dass Härke kein Jurist sei, und dass sich Herbert trotzdem auf die Auskunft und das Urteil Härkes verlassen habe. Herbert habe die Augen vor der Rechtswidrigkeit der Zulagen verschlossen, sagt Gerberding. Mehr anzeigen Tickaroo Live Blog Software Die Ära Schostok: Das große Missverständnis – eine Analyse Chronologie: Darum geht es in der Rathausaffäre Unrechtmäßige Gehaltszulagen im Rathaus: Was hat OB Schostok wirklich gewusst? Wie es zu den Untreueermittlungen kam Prozesskosten: Steuerzahler muss für Schostoks Fehler aufkommen Kulturdezernent Härke im Interview: „Ich war zu verliebt“ Im Zentrum der Rathausaffäre: Wer ist Frank Herbert? 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