Der Jesus am Kreuz hängt noch unter dem Dachstuhl. Doch das christliche Symbol ist mit weißen Tüchern verhängt. Denn seit Anfang Oktober leben 23 Studenten in der ehemaligen Gerhard-Uhlhorn-Kirche am Ihmeufer. Vier weitere Bewohner ziehen bis Ende des Monats ein. Die Projektentwickler Dirk Felsmann und Gert Meinhof haben die ehemalige Kirche zu einem Wohnprojekt für junge Leute umgestaltet. Dass der Bau von 1963 bis vor wenigen Jahren eine sakrale Funktion hatte, zeigt sich bis in viele Details.
Küche als Treffpunkt – mit Kirchenbänken
So dienen in den beiden Gemeinschaftsküchen alte Kirchenbänke mit blauen Polstern jetzt als Sitzgelegenheit. Inklusive der Ablage für die Gebetbücher und Haken zum Aufhängen von Handtaschen und Hüten. In der großen Küche im Erdgeschoß stehen die Bänke an zwei lange Tischen. „Es ist cool, dass wir hier mit so vielen Menschen zusammensitzen können“, lobt Bewohner Niklas Gronau.
Dass die Architekten die zentrale Küche am Eingang platziert haben, bewährt sich. „Wenn ich mir etwas zu essen mache, setzt sich meist schnell jemand dazu“, berichtet Fotografie-Studentin Kim Christin Zeidler. Besonders abends hat sich die Gemeinschaftsküche zum beliebten Treffpunkt entwickelt. „Wir spielen, kochen öfter zusammen oder bestellen uns etwas“, berichtet Niklas Gronau. Der 19-Jährige macht eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton und ist direkt aus dem Elternhaus in das Wohnheim gezogen. „Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich abends nach der Arbeit in meinem Zimmer am Computer zocke.“ Das erscheint nun gar nicht mehr attraktiv.
Wohnen unter Mosaikfenstern
Die jungen Bewohner schätzen die besondere Architektur der früheren Kirche. Wenn die Sonne durch die Mosaikfenster im Dach scheint, zeichnen sich bunte Lichtflecken auf den Boden ab. „Das ist einfach sehr schön“, schwärmt Kim Christin Zeidler. Erst langsam begreife sie, dass dies nun tatsächlich ihr neues Zuhause ist. In einem ehemals sakralen Raum zu leben sei etwas sehr Besonderes, betont auch Journalistik-Studentin Karolina Sacher. „Ich spüre das jeden Tag, wenn ich das Haus wieder betrete. Ich fühle mich hier sehr wohl.“
Der Altar im Erdgeschoss ist mit weiß bemaltem Holz ummantelt, also ähnlich verborgen wie das Kreuz. Ein Kompromiss, den die Projektentwickler vorschlugen. Der Denkmalschutz wollte auch im Inneren des Baudenkmals möglichst viel erhalten. Die Landeskirche dagegen entfernt sakrale Gegenstände meist aus entwidmeten Kirchen. „Wir haben die unmittelbare Wirkung verändert, damit religiöse Gefühle nicht verletzt werden“, erklärt Felsmann.
Mittelding zwischen eigener Wohnung und WG
Als besonders empfinden die Studenten und jungen Berufstätigen auch die nagelneue Einrichtung mit Induktionsherd und Geschirrspüler. Eine Reinigungskraft säubert die Gemeinschaftsflächen. „Das alles ist ein superkrasser Luxus. Wir versuchen deshalb alle, darauf zu achten, dass es sauber bleibt“, berichtet die 23-jährige Zeidler. Die kleinen Zimmer liegen bei 390 Euro Warmmiete, die wenigen größeren bei 440 bis 580 Euro. Daneben gibt es noch eine Einliegerwohnung mit Einbauküche.
Zuyin Liew ist gerade erst aus Sachsen-Anhalt hergezogen und studiert Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz-Uni. „Ich habe gefühlt 20 Wohngemeinschaften besichtigt“, erzählt die 19-Jährige. Das Wohnprojekt, in dem viele Menschen leben, sich aber jeder auch in sein eigenes Zimmer zurückziehen kann, erscheint ihr ideal. „Es ist ein gutes Mittelding zwischen eigener Wohnung und WG.“
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Von Bärbel Hilbig